Philipp Amthor: Wir schaffen nämlich eine Regelung, die wir eigentlich gar nicht anwenden wollen
Redebeitrag zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade angesichts der Kritik an diesem Gesetzentwurf, die wir gehört haben, sollten wir vielleicht noch einmal den Ausgangspunkt festhalten: Wir sind in einer Sondersituation und machen mit dem wahlrechtsbezogenen Teil des Artikelgesetzes etwas, was der Gesetzgeber sonst selten tut. Wir schaffen nämlich eine Regelung, die wir eigentlich gar nicht anwenden wollen. Es ist eine Regelung für den absoluten Krisenfall, falls wir es nicht anders lösen können, unser Wahlrecht pandemiekonform auszugestalten.
Am Ende dieser Debatte und am letzten Sitzungstag dieser Sitzungswoche sage ich in diesem Zusammenhang: Ich glaube, wir alle fahren heute in unsere Wahlkreise ein Stück weit mit Sorge zurück wegen der Lage, die wir hier in Berlin erleben. Wir alle wollen einen zweiten Lockdown vermeiden;
(Beifall bei der CDU/CSU)
wir wollen eine solche Regelung überhaupt nicht bekommen. Aber das, was wir in Berlin erleben, ist ein Kontrollverlust dieses rot-rot-grünen Pannensenats.
(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist der Gipfel der Verantwortungslosigkeit, und das zwingt uns dazu, über solche Regelungsmechanismen überhaupt nachzudenken.
(Leni Breymaier [SPD]: Unfassbar! – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Trump für Arme!)
Also: Es geht für uns darum, eine Regelung zu finden, die wir eigentlich nicht anwenden wollen. Wir haben ein Artikelgesetz mit zwei Regelungsteilen vorliegen – ein Teil zum Wahlrecht, ein Teil zum Parteienrecht –, und die unterscheiden sich.
Ich will zum Wahlrecht an das anknüpfen, was der Kollege Frieser gesagt hat. Die Unterstellungen, die wir hier von der Opposition gehört haben, die Kritik an unserem Gesetzentwurf, können so nicht stehen bleiben. Frau Haßelmann, es ist eben nicht so, dass wir die Entscheidungsbefugnis aus dem Parlament wegdelegieren. Wir haben einen Vorbehalt des Wahlprüfungsausschusses. Wir können das auch im Plenum entscheiden. Das BMI ist Freund und Helfer, aber die Entscheidungen treffen wir hier im Parlament. Das sollte an dieser Stelle noch einmal klar sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genauso ist es!)
Die AfD nimmt gleich einen ganz großen Schluck aus der Pulle; sie sagt, dies sei ein verfassungswidriges Gesetz. Das ist ja auch klar: Wenn es zum Schutz vor Corona rechtliche Regelungen gibt, müssen Sie als vertrauensbildende Maßnahme für Ihre Verschwörungstheoriefreunde natürlich alles verfassungswidrig finden. Ich sage Ihnen: Die Verfassung verbietet uns nicht, dass wir Vorsorge für die Pandemie treffen. Sie zwingt uns sogar dazu durch die Schutzpflicht gegenüber den Menschen. Und dieser Verantwortung werden wir gerecht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber, wie gesagt, die wahlrechtliche Regelung wollen wir möglichst gar nicht in Anspruch nehmen. Was wir aber schon in Anspruch nehmen wollen, ist die Neuregelung für das Parteienrecht. Schon mit den ersten Anpassungsgesetzen in der Coronapandemie haben wir für die Vereine rechtliche Möglichkeiten geschaffen. Die Parteien unterfallen diesem Rechtsstatus; aber es bestand einige Unklarheit, ob diese Regelungen auf die Parteien anwendbar sind. Dass wir uns jetzt darauf einigen konnten, dies klarzustellen, finde ich richtig. Und ich sage ausdrücklich noch einmal Danke an die Runde der Generalsekretärinnen und Generalsekretäre der Parteien, die diese Digitalisierungsmöglichkeiten eingefordert haben. Das muss uns Ansporn sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es muss darum gehen, dass wir ganz klar sagen: Wir wollen aus der Not von Corona die Tugend der Digitalisierung machen. Deshalb ist es auch wichtig, Frau Kollegin Haßelmann, dass wir darauf eingehen, was Sie gesagt haben. Ich finde, wir sollten weitergehend diskutieren. Wir haben noch nicht alle Digitalisierungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Deswegen ist es wichtig, dass wir mit dem Bundesinnenministerium und auch partei- und fraktionsübergreifend noch einmal über die Fragen reden: Wie können wir die Erfahrungen nutzen? Wie können wir die Parteiarbeit weiter digitalisieren? – Hier werden wir uns jedenfalls an die Spitze der Bewegung stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist so, dass wir hier in einem Spannungsfeld unterwegs sind. Einerseits wollen wir digitale Parteitage, andererseits müssen wir für die Parteien die hohen Hürden einhalten, die uns aufgegeben sind, etwa durch die Wahlcomputerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dazu muss man sagen: Heute setzt niemand mehr Wahlcomputer aus dem Jahre 2005 ein. Es gibt neue Chancen, neue Möglichkeiten. Darüber wollen wir reden; das wollen wir nutzen. Aber ich sage Ihnen: Das, was die CDU/CSU ausmacht, sich an die Spitze zu stellen – die CDU mit dem ersten Onlineparteitag in unserem Land, die CSU jetzt mit modernen Digitalformaten, die CDU jetzt mit einem, wenn verantwortbaren, Präsenzparteitag und die Junge Union Deutschlands mit einem digitalen Deutschlandtag –, ist State of the Art für digitale Parteiarbeit. Das wollen wir nutzen, und dafür werden wir arbeiten. Ich werbe um Zustimmung für unseren Gesetzentwurf.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)