Nadine Schön: "Menschen brauchen Vorbilder"
Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es gerade wieder vom Kollegen Ehrhorn gehört: Vorstände sollen ausschließlich nach Qualifikation besetzt werden.
(Enrico Komning [AfD]: Ja, das ist gut so! Und richtig!)
Lieber Kollege Ehrhorn, es ist also anscheinend so, dass es in Deutschland genau 86 Frauen gibt, die qualifiziert sind, eine Vorstandsposition auszuüben, aber 734 Männer. Und es scheint so zu sein, dass es genau 26 Frauen gibt, die in der Lage sind, den Vorstandsposten einer Krankenkasse zu besetzen, aber 186 Männer. Das heißt, um Ihr Argument aufzugreifen: Auf eine qualifizierte Frau kommen neun qualifizierte Männer. Richtig?
(Volker Münz [AfD]: Wie viele Frauen bewerben sich denn?)
Ich glaube, an diesen Zahlen merkt man schon, dass da irgendetwas nicht stimmt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wo sind die Frauen? Wo sind die Mädchen mit den guten Noten in der Schule, die oft die besseren Schulabschlüsse als die Jungs machen? Wo sind die Frauen, die die besseren Studienabschlüsse haben? Wo sind die Frauen, denen, wie Sie ja gesagt haben, anscheinend die Betreuungsmöglichkeiten fehlen? Die Betreuungsmöglichkeiten sind da, und trotzdem kommen die Frauen nicht in den Führungspositionen an. Das muss man sehen. Und ganz ehrlich: An der Qualifikation allein kann das nicht liegen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Woran denn?)
Und das ist ein Problem, sehr geehrte Damen und Herren. Denn es kann nicht gut sein, dass die maßgeblichen Entscheidungen in den Unternehmen überwiegend nur von der einen Hälfte der Bevölkerung getroffen werden. Nachgewiesenermaßen treffen gemischte Führungsteams bessere und nachhaltigere Entscheidungen. Gemischte Teams machen einen Unterschied, der sich ganz oft auch auszahlt. Und: Top-Entscheiderinnen haben auch eine Strahlkraft in die ganze Gesellschaft hinein. Es geht eben nicht um die Karrieren von wenigen Frauen, sondern es geht um die grundsätzliche Frage der Gleichberechtigung und vor allem auch um die beste Aufstellung für unser Land in Politik, Verwaltung und auch in der Wirtschaft.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Zuruf von der AfD: Genau! Darum geht’s!)
Weil wir gesehen haben, dass sich in den letzten Jahren so wenig bewegt hat, machen wir mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf einen Vorschlag, wie wir Unternehmen, Körperschaften und Verwaltung dazu bringen, dass Führungsteams gemischter besetzt werden und dass das in Zukunft ambitionierter und zielgerichteter passiert.
Wir folgen dabei einer ganz einfachen Logik: Der Bund legt selbst vor, was er von den Unternehmen einfordert. Die feste Geschlechterquote wird auf Unternehmen mit mehrheitlicher Bundesbeteiligung und auf Körperschaften des öffentlichen Rechts wie etwa Krankenkassen ausgeweitet. Gleichzeitig machen wir auch für Unternehmen der Privatwirtschaft die Vorgaben verbindlicher. Denn man sieht: Da, wo Unternehmen sich ambitioniertere Flexiquoten gegeben haben, und da, wo wir als Politik feste Quoten vorgegeben haben, gab es plötzlich die Frauen. Da waren sie da, da machen sie einen super Job, und – Zauberei – plötzlich haben wir genug Frauen für Aufsichtsräte und auch für Vorstände.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein großer Schritt, aber das Kernproblem lösen wir mit dem Gesetz allein natürlich nicht. Uns muss klar sein, dass, wenn wir wirkliche Veränderungen wollen, es vor allem auch um kulturelle und strukturelle Veränderungen geht. Das heißt: Kampf dem Thomas-Prinzip. Das Thomas-Prinzip heißt, dass man automatisch Menschen um sich schart und ihnen auch Karrierewege eröffnet, die einem ähnlich sind.
(Zuruf von der AfD: Quatsch!)
– Das ist kein Quatsch, das ist nachgewiesenermaßen der Fall. – Es heißt auch immer, es gibt die guten Frauen nicht. Es gibt sie. Es gibt sie sehr wohl, und deshalb müssen wir sie sichtbar machen. Wir haben beispielsweise die Initiative „SheTransformsIT“ gegründet, die die vielen Frauen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sichtbar macht, die sich im Rahmen der Digitalisierung bewegen.
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Frau Kollegin Schön, Sie müssen zum Schluss kommen, bitte.
Nadine Schön (CDU/CSU):
Herr Präsident, ich habe gesehen, ich bin am Ende meiner Redezeit. – Menschen brauchen Vorbilder. Diese Vorbilder müssen wir sichtbar machen, und wir müssen ihnen Wege eröffnen.
Deshalb – letzte Anmerkung – unterstützen wir auch die Initiative „#stayonboard“. Es geht darum, dass auch Frauen, die Vorstandspositionen innehaben, in den Mutterschutz gehen können, dass man Pflegeverantwortung wahrnehmen kann und trotzdem eine Führungsposition bekleiden kann. Hier müssen wir an die Strukturen ran. Mehr Teilzeit in den Führungspositionen, Familienverantwortung trotz oder besser mit Führungsposition. Ich freue mich auf die Gesetzesberatungen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)