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Michael Brand: Jedes Kriegsverbrechen muss aufgedeckt werden

Redebeitrag zu Kriegsverbrechen u. Menschenrechtsverletzungen

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute bei diesem Antrag der Koalitionsfraktionen über eines der schrecklichsten Kapitel der Menschheit und auch der aktuellen internationalen Politik. Wir reden darüber, was der Mensch dem Menschen antun kann, wie entsetzlich und wie unaussprechlich oft die Verbrechen sind, die wir unter den Überschriften wie „Kriegsverbrechen“, „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und „Völkermord“ versuchen zusammenzufassen.

Als jemand, der sehr persönlich in jungen Jahren mit Kriegsverbrechen konfrontiert wurde, der sehr persönliche Erfahrungen bei der Mitarbeit zur Aufarbeitung von Kriegsverbrechen in Bosnien-Herzegowina gemacht hat, der mit vielen Überlebenden gesprochen hat, der Berge von Leichen der Opfer hat sehen müssen, bin ich felsenfest davon überzeugt und kämpfe ich auch dafür: Jeder Kriegsverbrecher muss bis ans Ende seiner Tage gejagt werden. Jedes Kriegsverbrechen muss aufgedeckt werden. – Die Täter, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen, müssen wissen: Es gibt eben keine Straflosigkeit. Ihr kommt nicht davon!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das ist der Kern der heutigen Debatte, und das ist der Kern unseres Antrages. Und das ist auch der Kern der Motivation für die bislang schon über 120 Staaten der Erde, die aus den Erfahrungen der Völkermorde in Bosnien-Herzegowina und Ruanda diese Schlussfolgerung gezogen haben: Es braucht einen Internationalen Strafgerichtshof; denn die Verfolgung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord geht nicht ohne internationale Koordinierung.

Das gilt nicht nur für Syrien, für die Verbrechen des sogenannten „Islamischen Staats“ im Irak oder die Verbrechen durch die, während der und infolge der Vertreibung der Rohingya in Myanmar. Das gilt auch für Konflikte, die bei uns nicht die Medien beherrschen, wie der brutale Krieg im Jemen, aber auch schlimmste Verbrechen in Libyen, Mali und anderswo. Es geht um Kriegsverbrechen, die aktuell begangen werden. Es geht aber auch um Kriegsverbrechen wie die in Bosnien, die nach 25 Jahren noch immer nicht oder nicht ausreichend geahndet wurden und die wegen der Wahrheit, wegen Gerechtigkeit, Frieden und auch der Zukunft aufgearbeitet werden müssen.

Ich freue mich, einen Kämpfer für den Frieden, für die Versöhnung, für die Menschenrechte heute auch unter uns begrüßen zu dürfen: Christian Schwarz-Schilling, den früheren Hohen Repräsentanten für Bosnien-Herzegowina, den Streitschlichter und ja auch Vorsitzenden des – damals noch – Unterausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Lieber Christian Schwarz-Schilling, schön, dass du heute der Debatte beiwohnst!

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es bleibt bei dem Grundsatz: Wir wollen und wir müssen die Straflosigkeit dieser schlimmsten Verbrechen, die Menschen anderen Menschen antun können, international bekämpfen, um sie zu beenden. Wir haben als CDU/CSU-Fraktion und als Menschenrechtsausschuss im Herbst letzten Jahres intensive Anhörungen zu dem Thema durchgeführt. Einige der dort gegebenen Anregungen, die auf Grundlage einer jahrelangen Beobachtung zum Reformbedarf des Internationalen Strafgerichtshofs gegeben wurden, finden sich in diesem Antrag wieder. Das Ziel ist klar: Der Internationale Strafgerichtshof muss in seinem Bestand gestärkt und er muss für die Zukunft weiterentwickelt und verbessert werden.

Ohne den Antrag hier ausführlich wiedergeben zu wollen – aber es lohnt sich, die 13 Punkte sich anzuschauen –, will ich nur einige wenige Punkte nennen: Dazu gehört, dass die Finanzierung des Internationalen Strafgerichtshofs auf solidere Beine gestellt werden muss. Dazu gehört, die Mechanismen zur Beweissicherung zu verbessern. Dazu gehört eine Reform des Prozessrechts, um Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Dazu zählt auch, dass die Qualifizierung und die Personalauswahl für dieses wichtige internationale Gericht verbessert werden müssen. Aus guten Gründen hat Deutschland wieder einmal hochqualifiziertes und erfahrenes Personal entsandt. Das ist auch der Grund, weshalb deutsche Richter sowohl am ICC – ich nenne hier unseren deutschen Richter Bertram Schmitt – als auch am Kriegsverbrechertribunal ICTY – ich nenne den Richter Christoph Flügge – international auf hohe Akzeptanz treffen. Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt das nicht für alle Länder, und hier müssen Auswahlverfahren und auch die Anforderungen an die Qualifikation verbessert werden.

Bei uns im Inland gehört auch die Überlegung dazu, dass wir Gerichtsverfahren nach dem Strafvölkerrecht an einem dafür spezialisierten Oberlandesgericht konzentrieren könnten.

Natürlich sind wir uns alle der Tatsache bewusst, dass wichtige Länder der Erde – Rechtsstaaten wie die USA und Indien, aber auch autoritäre Regime wie China und Russland – dem Vertragswerk nicht beigetreten sind. Das bleibt ein Defizit, an dem man weiter arbeiten muss. Denn eines bleibt nicht nur in Deutschland feste politische Überzeugung: Gerade bei solchen Themen und besonders in dieser internationalen Lage braucht es starke Signale für mehr internationale Zusammenarbeit – nicht weniger.

Viele sind besorgt, nicht wenige entsetzt – unser Außenminister hat das etwas diplomatischer formuliert – über die Verfügung des amtierenden amerikanischen Präsidenten, der den Richterinnen und Richtern des Internationalen Strafgerichtshofs – das muss man sich noch mal auf der Zunge zergehen lassen – bei Betreten der USA mit Verhaftung gedroht hat. Die heute gute Aussicht dazu lautet: Das kann sich am nächsten Dienstag ändern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und so schließe ich meinen Beitrag mit einem insgesamt hoffnungsvollen Ausblick: Die USA werden diesen Aussetzer in ihrer Rolle als global führende Macht auch bei internationaler Zusammenarbeit überwinden. Und wir werden von der NATO über das Pariser Klimaschutzabkommen bis hin zum Internationalen Strafgerichtshof eine andere Dynamik erleben – da lege ich mich am heutigen Mittwoch vor dem nächsten Dienstag einfach mal fest.

Die Arbeit und unser Einsatz gegen Straflosigkeit von Verbrechen bleiben enorm wichtig, national wie international. Wir sind beim Internationalen Strafgerichtshof weit vorangekommen. Wir sehen die Defizite, und es gibt begründete Hoffnung auf bessere Grundlagen. Das alles sind schlechte Aussichten für Kriegsverbrecher; aber es sind gute Aussichten für Gerechtigkeit und Menschenrechte. Deshalb müssen und werden wir weiter daran arbeiten. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)