Katrin Staffler: "Mir fehlt ein einheitliches Konzept"
Aus BioNTech-Erfolg lernen – Aktionsprogramm für den Gentechnik-Standort Deutschland vorlegen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! mRNA, Biotechnologie, Gentechnik, Mutationen, DNA, CRISPR/Cas9: alles Begriffe, die in der heutigen Debatte gefallen sind. Ich bin als einzige Naturwissenschaftlerin in einer Familie aufgewachsen, deren Angehörige gänzlich keine Naturwissenschaftler waren. Da habe ich eine Sache gelernt, die ich für die Debatte ganz wichtig halte: Ich habe gelernt, dass man, wenn man will, dass jemand die eigene Begeisterung für solche Themen teilt, erst mal erklären muss, bevor man spricht. Manche Begriffe mögen eher nach Science-Fiction als nach Realität klingen, und wenn wir wirklich wollen, dass solche Technologien zum Erfolg werden, dann müssen wir erst mal mit Erklären und mit Verständnis anfangen.
Wir müssen also in einem ersten Schritt so viele Menschen wie möglich auf diesen Weg mitnehmen. Wir müssen ihnen verständlich und transparent erklären, worum es überhaupt geht. Ich glaube, dass dieser Aspekt für den Erfolg ganz entscheidend sein wird. In den Anträgen, die uns heute vorliegen, kommt er mir leider ein bisschen zu kurz. Er wird ein wenig zu stiefmütterlich behandelt. Die Debatte hat uns im Gegenteil auch gezeigt, dass von einigen Teilen dieses Hauses sogar noch unberechtigte Ängste geschürt werden, zumindest von den beiden Vorrednern, die ich hatte. Ich glaube, das ist genau der falsche Ansatz, wenn wir wirklich zum Erfolg kommen wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Erst wenn wir die gemeinsame Grundlage geschaffen haben, können wir über Chancen sprechen. Denn bei vielen Technologien, die wir jetzt besprochen haben, geht es eben genau um diese Chancen, die die Qualität des Lebens erhöhen können, ohne dass sie den Wert des Lebens infrage stellen, also zum Beispiel darum, genetische Krankheiten zu behandeln, indem wir die Krankheitsursache und nicht nur die Symptome behandeln. Und das alles sogar, ohne – das bieten nämlich viele dieser Technologien auch – dass wir in die menschliche Keimbahn eingreifen.
Krebs, Mukoviszidose, Duchenne-Muskeldystrophie – ich könnte die Aufzählung munter weiterführen –:
(Zuruf der Abg. Dr. Bettina Hoffmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die neuen Methoden, die wir haben – CRISPR, mRNA –, bieten die Möglichkeit, dass wir genau solche Krankheiten künftig heilen können. Verstehen Sie mich nicht falsch: Die Hoffnungsträger sind alles andere als zu 100 Prozent komplett frei von Risiken. Natürlich gibt es die. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir diese Risiken durch Voranschreiten bei den Technologien, durch mehr Forschung, durch mehr Entwicklung durchaus überwinden können. Der Erfolg von BioNTech hat uns da, wie ich finde, ein ganz großes Stück weitergebracht. BioNTech und die Mitstreiter auf dem Gebiet haben es in kürzester Zeit geschafft – im Übrigen, das möchte ich an der Stelle auch hinzufügen, von Anfang mit Förderung des Bundes; weil das immer mal wieder infrage gestellt worden ist –, dass unsere eigenen Körperzellen zu Produzenten einer spezifischen Immunantwort werden. Das ist ein Riesenerfolg, den wir hier sehen. Das ist in meiner Wahrnehmung auch in der Debatte wieder von vielen vergessen worden.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Was?)
Auch wenn ich mich wiederhole: Der Erfolg, den wir hier haben, zeigt, dass wir vor einer Revolution in vielen Bereichen der Medizin stehen. In der Krebsforschung ist die mRNA-Technologie schon länger eine Hoffnung für die Therapien. Dass die Impfstoffe gegen das Coronavirus so schnell haben entwickelt werden können und dass es sie jetzt gibt, liegt ja genau an dieser jahrelangen Grundlagenforschung im Bereich der Krebstherapie. Damit wir die mRNA-Technologie auch zur Bekämpfung von Tumorzellen nutzen können, müssen wir jetzt den Schwung aus dieser Entwicklung mitnehmen. Ich habe das in der letzten Debatte und auch im Ausschuss schon mal gesagt: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, lieber Mario Brandenburg, da ist was vorgelegt worden, was in der Sache durchaus in die richtige Richtung geht.
Ich bin dankbar, dass wir dem Thema im Ausschuss Raum gegeben haben und wir hier im Plenum bereits zweimal darüber haben diskutieren können. Ich bin dankbar dafür, dass wir dem Thema die nötige Aufmerksamkeit geben. Was mir aber fehlt, ist ein einheitliches Konzept, ein Konzept, das von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung reicht, das auch eine gute Strategie im Bereich der Wissenschaftskommunikation – ich habe eingangs erwähnt, dass wir das brauchen – enthält. Genau so was brauchen wir.
(Zurufe von der AfD und der FDP)
Wir brauchen Vorschläge, die die ganze Kette in den Blick nehmen.
Deswegen würde ich sagen: Wir streichen in Zukunft das von Ihnen so geliebte Wort „Aktion“ und konzentrieren uns lieber auf den Plan, der dahintersteckt. Dann bin ich gespannt, was die nächsten Jahre bringen. Ich glaube, die Entwicklung des mRNA-Impfstoffs hat auf jeden Fall gezeigt, dass vieles im Bereich der Biotechnologie möglich ist. Wir müssen es nur wollen und entsprechend fördern, dann wird das auch klappen.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)