Florian Hahn: "Frieden, Versöhnung, Freundschaft mit Griechenland"
80 Jahre Überfall der Wehrmacht auf Griechenland
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es richtig und gut, dass wir heute diese Debatte führen. Auch wenn wir inhaltlich nicht völlig mit den Anträgen übereinstimmen und sie deswegen auch ablehnen, so gibt es doch viel, was wir teilen. Das möchte ich ausdrücklich sagen.
Was jetzt für die Zukunft wichtig ist, ist, das Erinnern an ein furchtbares Kapitel deutsch-griechischer Geschichte wachzuhalten. Dazu gehört auch eine der blutigsten Schlachten auf dem griechischen Schauplatz: Kreta. Am 20. Mai 1941 begann das Unternehmen Merkur, die deutsche Landung auf Kreta. 10 000 Fallschirmjäger sprangen über Kreta ab, darunter auch der ehemalige Boxweltmeister Max Schmeling, der sich bei seinem Sprung so schwer verletzte, dass er für den Rest des Krieges untauglich geschrieben wurde. Dazu kamen rund 12 000 Gebirgsjäger, die unter hohen Verlusten per Flugzeug und Schiff auf die Insel gebracht wurden. Unternehmen Merkur war ein Himmelfahrtskommando, das einen hohen Preis hatte. Allein auf deutscher Seite fielen 3 700 Soldaten, 2 500 wurden verwundet. Auf der Seite der Verteidiger starben bis zu 6 000 Griechen und Briten.
Auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Maleme, der vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge 1974 errichtet wurde, liegen der junge Obergefreite Willi Hahn und der junge Oberleutnant Kurt Freiherr von Stetten, der Großvater von unserem Kollegen Christian von Stetten, nebeneinander. Beide sind im Frühjahr 1941 gefallen.
Nach 13 Tagen endete das Unternehmen Merkur. Die Schlacht um Kreta war vorbei; aber die NS-Terrorherrschaft begann erst. Die Brutalität der Besatzung war und ist unbeschreiblich. Ganze Dörfer wurden ausgelöscht, Frauen und Kinder ermordet. Insgesamt starben während der Besatzung bis 1945 8 575 Kreter.
Einer davon wäre um ein Haar Professor Alexandros Papaderos geworden. Im September 1943 wurden sein Geburtsdorf Livadas und zwei benachbarte Dörfer von den Deutschen völlig zerstört, weil sie Zentren des Widerstands waren. Die Männer, Frauen und Kinder, die nicht an Ort und Stelle erschossen wurden, kamen ins Gefängnis von Agia nahe Chania, darunter auch der zehnjährige Papaderos, der als Partisan galt – mit zehn Jahren! Das Gefängnis von Agia, das als KZ genutzt wurde, war ein Ort des Schreckens, der während der Besatzungszeit für die ganze Insel als die Hölle schlechthin galt und so zum Symbol des menschenverachtenden NS-Terrors auf Kreta wurde.
Doch Papaderos hatte unfassbares Glück: Vom Kommandanten des KZs persönlich wurde er völlig überraschend und unerklärlich mit drei weiteren Kindern an ein örtliches Waisenhaus überstellt. Damit entging er einem eigentlich geplanten Transport nach Auschwitz und dem sicheren Tod. Seine schmerzhaften und traumatischen Erfahrungen während der deutschen Besatzung Kretas haben ihn motiviert, sein restliches Leben dem Frieden, der Vergebung, der Versöhnung zu widmen. Nach dem Krieg studierte er unter anderem in Deutschland und wurde Mitbegründer der Orthodoxen Akademie auf Kreta.
Dank meines Freundes Manolis Kugiumutzis, dem Präsidenten des Weltverbandes der Exil-Kreter, hatte ich das Privileg, Professor Papaderos persönlich kennenzulernen. Zusammen mit Dr. Ludwig Spaenle, dem Beauftragten für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe der Bayerischen Staatsregierung, haben wir mit dem Professor das ehemalige Schlachtfeld und die Stätten der deutschen Verbrechen, unter anderem das Gefängnis in Agia, besucht.
Der heute 88-jährige Papaderos verfolgt aktuell einen neuen Ansatz der Erinnerungsarbeit und des Dialogs der Versöhnung durch gemeinsames Erinnern. Dazu möchte er entsprechende Stätten unter Denkmalschutz stellen lassen, ein Museum errichten und eine Begegnungsstätte gerade für die junge Generation schaffen, um für Frieden, Versöhnung und Solidarität zu werben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz besonders auch sehr geehrter Herr Staatsminister: Frieden, Versöhnung, Freundschaft mit Griechenland – dafür sollten wir uns noch intensiver als bisher engagieren. Ich möchte heute, 80 Jahre nach dem Überfall Deutschlands auf Griechenland, dafür werben, dass wir das Ansinnen von Professor Papaderos unterstützen und gemeinsam ein Konzept einer deutsch-griechischen Erinnerungsarbeit auf Kreta erarbeiten und umsetzen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)