
"Wir wollen Leben retten"
Bundestag debattiert Gesetzentwürfe zur Organspende – Spendenbereitschaft erhöhen
Für viele schwerkranke Menschen ist eine Organtransplantation oft die einzige Möglichkeit auf Lebensrettung oder Linderung ihres Leidens. Der Bundestag debattierte zwei Gesetzentwürfe, die zum Ziel haben, die Zahl der verfügbaren Spenderorgane zu erhöhen.
Die Debatte im Bundestag verlief kontrovers: Während der eine darauf setzt, den Menschen die Entscheidung für eine Organspende zu erleichtern, erklärt der andere alle Menschen zu potenziellen Organspendern, die dem nicht von sich aus widersprechen. Die Fraktionszugehörigkeit spielte in der Diskussion keine Rolle.
Die Unionsabgeordnete Gitta Connemann brachte die Diskussion auf den Punkt: „Uns eint ein Ziel: Wir wollen Leben retten.“ In Deutschland stehen aktuell 9.400 Patienten auf der Warteliste für eine Organtransplantation. Auch wenn die Zahl der Spender 2018 erstmals seit acht Jahren wieder gestiegen ist, haben 2018 unter dem Strich nur 955 Menschen ihre Organe nach dem Tod gespendet. Dabei stehen laut Umfragen 84 Prozent der Befragten einer Organspende positiv gegenüber. Einen Organspendeausweis besitzen trotzdem nur 36 Prozent.
Mehr Aufklärung – Bessere Dokumentation
Das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende hält an der bestehenden Zustimmungslösung fest, setzt aber auf mehr Aufklärung und bessere Dokumentation. Die Menschen sollen möglichst leicht ihre Entscheidung registrieren lassen können. Dazu soll ein bundesweites Online-Register geschaffen werden. Hausärzte sollen in die Beratung eingebunden werden. Auch bei den Ausweisstellen sollen Menschen eine Erklärung abgeben können. Karin Maag betonte, die Entscheidung zur Organspende müsse eine bewusste und freiwillige bleiben. Sie dürfe weder vom Staat erzwungen noch von der Gesellschaft erwartet werden. „Sie darf auch nicht auf ein nachträgliches Veto reduziert werden.“
Für das Recht auf Selbstbestimmung
Der Staat dürfe auch keine Entscheidungspflichten schaffen. Das entspreche weder dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen noch dem Recht auf körperliche Unversehrtheit. Dem widersprach Katja Leikert. „Im Sinne der Solidarität kann man den Mitbürgern eine solche Entscheidung abverlangen.“ Die Entscheidung bleibe auch bei der Widerspruchslösung eine freiwillige: „Ich kann 24 Stunden sieben Tage die Woche widersprechen.“
Auch Gitta Connemann sagte: „Jeder bleibt in seiner Entscheidung frei: Jeder kann ja sagen, jeder kann nein sagen.“ Ein Nein müsse übrigens nicht begründet werden. Mit der Widerspruchslösung werde aber jeder angehalten, sich mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen.
Angehörige entlasten
Die sogenannte doppelte Widerspruchslösung sieht vor, dass jede Person als Organ- oder Gewebespender gilt, die dieser Annahme nicht zu Lebzeiten widerspricht. Auf diese Weise sollen die Bürger dazu angehalten werden, sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen und eine bewusste Entscheidung zu treffen. Auch die nächsten Angehörigen sollen dadurch entlastet werden. Sie müssen nicht mehr selbst die schwere Entscheidung über eine Organentnahme beim Verstorbenen treffen, sondern nur noch Auskunft geben, ob ihnen ein entgegenstehender Wille des Spenders bekannt ist.
Organspende aus Nächstenliebe
Georg Nüßlein warb für die Widerspruchslösung mit den Worten: „Lasst uns einen großen Schritt tun.“ Damit würde vielen leidgeprüften Patienten geholfen. „Es gibt nichts Christlicheres, nichts, was mehr mit Nächstenliebe zu tun hat, als einem anderem im Tode das Leben zu retten.“ Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sprach von einem qualitativen Unterschied zur existierenden Zustimmungslösung. „Die Verpflichtung, sich entscheiden zu müssen, ist auch in einer freien Gesellschaft zumutbar“, betonte er.
Auch die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke, forderte einen „Systemwechsel“. Wer weitermachen wolle wie bisher, habe den Ernst der Lage nicht verstanden. Denn täglich stürben drei Menschen in Deutschland, die vergeblich auf ein Spenderorgan gewartet hätten. Sie wies auch daraufhin, dass Deutschland Organe aus anderen EU-Ländern importiere, in denen die Widerspruchslösung gelte.
Transplantationswesen braucht Vertrauen
Karin Maag und der Stephan Pilsinger äußerten die Befürchtung, dass die Widerspruchslösung Ängste bei den Menschen weckt und das Vertrauen in die Organspende senkt. Vertrauen sei aber das A und O im Transplantationswesen, sagte Maag. Dieses sei durch die Unregelmäßigkeiten bei der Organvergabe in den vergangenen Jahren beschädigt worden und müsse erst langsam wiederaufgebaut werden.
"Ihre Maßnahme geht ins Leere"
Pilsinger betonte, eine „Abgabepflicht“ dürfe es nicht geben, darauf weise bereits das Wort „Spende“ hin. Außerdem gebe es keinen einzigen wissenschaftlichen Nachweis dafür, dass bei einer Widerspruchslösung die Zahl der Organspende steige: „Ihre Maßnahme geht einfach ins Leere“, sagte er.
Maag und Pilsinger erinnerten daran, dass der Gesetzgeber bereits vor Kurzem einiges getan habe, um die Zahl der Transplantationen zu steigern. So seien organisatorische Hindernisse in Kliniken abgebaut worden. Potenzielle Spender könnten leichter identifiziert werden.