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Erwin Rüddel: "Die Grundrechte unserer Bürgerinnen und Bürger sind nicht in Gefahr"

Rede zur Stärkung des Parlaments in epidemischen Lagen

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDP möchte, dass wir vorab etwas beschließen, was nachher als Ergebnis, als Kompromiss festgelegt wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, die Sorge um unser Grundgesetz und um die Grundrechte unserer Bürger in allen Ehren. Sie erinnern sich vielleicht daran, dass ich mit dem Kollegen Professor Hirte vom Rechtsausschuss Anfang November letzten Jahres öffentlich dafür plädiert habe, die rechtlichen Möglichkeiten im Infektionsschutzgesetz zu präzisieren, damit die rechtlichen Grundlagen nachgeschärft werden können, wie es dann einige Tage später vom Bundestag in ähnlicher Form beschlossen wurde.

Niemand von uns hat ein Interesse daran, Rechte des Parlaments einzuschränken oder auszuhebeln. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass der Gesundheitsausschuss auf seine 140. Sitzung zusteuert und dass wir in diesem Monat bereits fünf Sitzungen hatten, an denen fast immer auch der Minister teilgenommen hat: viermal von fünfmal. Ich glaube, dass nächste Woche, also in der sitzungsfreien Woche, die nächste Sitzung stattfinden wird. Hier findet ein ausgesprochen sachkundiger, offener, transparenter Austausch statt. So viel zur praktischen Umsetzung und zur Parlamentsbeteiligung.

Aber werfen wir einen Blick auf die praktischen Konsequenzen, wenn der Entwurf der FDP Gesetz würde. Die Forderung nach einer Entscheidung „auf Vorrat“ seitens des Parlaments leuchtet mir schon deshalb nicht ein, weil die konkreten Beschlüsse von Bund und Ländern überhaupt erst aufgrund der Beratung in der Kanzlerinrunde zustande kommen.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Seit wann das denn?)

Zudem haben wir es aufgrund der Pandemie mit einer Situation zu tun, in der es jederzeit erforderlich sein kann, gezielt und unverzüglich zu handeln, um die Bevölkerung wirksam vor einem hochinfektiösen Virus zu schützen. Es liegt nun einmal in der Verantwortung der Politik, die vitalen und notwendigen Funktionen in der Gesellschaft aufrechtzuerhalten, und das erst recht angesichts möglicher Steigerungen bei Neuinfektionen und Todesfällen, dem Ausbruch lokaler Hotspots oder der drohenden Überlastung von Krankenhäusern.

Niemand bestreitet, dass die von der Kanzlerin und den Länderchefs praktizierte Bund-Länder-Koordination in der Verfassung nicht erwähnt wird. Sie wird vom Grundgesetz aber auch in keiner Weise ausgeschlossen. Überdies werden die Beschlüsse dieser Runde in der Regel gar nicht bundesweit einheitlich angewandt, sondern die einzelnen Länder setzen das eigenverantwortlich – häufig durchaus unterschiedlich – um, auch mit Beteiligung der FDP. Jemand, der als Erstes einen Sonderweg fordert, ist der stellvertretende Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, der in Berlin als Generalsekretär Ihrer Partei tätig ist. Der Appell der FDP sollte sich folglich an die Länder richten. Sie sind es, in deren originäre Kompetenz die Umsetzung der allermeisten Beschlüsse fällt. Die Länder können durch ihre Parlamente in Gesetzesform gießen, was die Runde mit der Kanzlerin beschlossen hat, wie es inzwischen ja teilweise geschieht.

Meine Damen und Herren, etwas anders verhält es sich mit der ergänzenden Forderung der FDP-Fraktion, für Beschlüsse der Bund-Länder-Koordinierung die nachträgliche Genehmigung durch den Deutschen Bundestag einzuholen. Darüber werden wir im Ausschuss sorgfältig beraten. Ich gebe allerdings zu bedenken, was ich soeben mit Blick auf die Kompetenzen gesagt habe: Die konkrete Umsetzung der Beschlüsse fällt zumeist in die Zuständigkeit der Bundesländer.

Lassen Sie mich abschließend aber nochmals mit Nachdruck unterstreichen, dass die Grundrechte unserer Bürgerinnen und Bürger nicht in Gefahr sind. Außergewöhnliche Notlagen sind stets Stunden der Exekutive.

(Stephan Brandner [AfD]: Stunden? Monate, fast ein Jahr!)

Aber unser Parlament, der Deutsche Bundestag, steht keineswegs außen vor. Basis des staatlichen Handelns ist hier das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, über das wir im November diskutiert und entschieden haben. Dieses Gesetz läuft Ende März aus. Dann wird es eine neue Debatte geben. Darauf bin ich gespannt.

(Stephan Brandner [AfD]: Ich weiß schon, was rauskommt!)

Fest steht: Das Parlament hat das letzte Wort.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)