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Bettina Wiesmann: "Das vertraute Sozialleben wird für Geimpfte wieder so harmlos, wie wir es kannten"

Öffnungsperspektiven durch Teststrategie

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tests, insbesondere die seit wenigen Tagen zugelassenen Selbsttests, können in der Pandemie ein zweiter Gamechanger sein. Der erste war der Impfstoff. Er zieht dem Virus den Zahn. Das vertraute Sozialleben wird für Geimpfte wieder so harmlos, wie wir es kannten. Sind genügend von uns gegen das Virus immun, ist die Pandemie besiegt. Bis dahin heißt es: Kontakte vermeiden.

Tests folgen einer anderen Logik. Sie setzen nicht beim Gefährdeten, sondern beim potenziellen Gefährder, beim potenziellen Spreader an. Sie erlauben Mobilität aus der momentanen Gewissheit, nicht ansteckend zu sein, aber eben nur für kurze Zeit. Systematische Tests sind ein Mittel, mit dem Virus zu leben, und zwar so lange, bis alle Menschen geimpft sind. Sie sind auch eine Antwort auf weitere Mutationen oder gar neue Viren, auf die wir noch keine Impfantwort haben. Sie sind besonders in der erschwinglichen Eigentestvariante ein weiterer Gamechanger. Deshalb ist die Teststrategie der Regierungen, und zwar von Bund und Ländern, von eminenter Bedeutung und spielt auch heute in den Beratungen der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin eine herausragende Rolle. Das konnte man den Papieren sehr wohl entnehmen.

In der jetzigen Lage, nach Monaten des Lockdowns, der uns mürbe macht – das ist zur Sprache gekommen – und übrigens eigene Gefährdungen mit sich bringt, muss die Teststrategie dreierlei erfüllen: Sie muss klar sein, sie muss wirksam sein, und sie muss schnell sein.

Erstens: klare Prioritäten. Aus dem ersten Lockdown hatten wir den Schluss gezogen, dass Kinder und Jugendliche – das soll hier mein Schwerpunkt sein – bei der weiteren Pandemiebekämpfung Vorrang haben müssen. Dieses Versprechen haben wir bis kurz vor Weihnachten weitgehend gehalten, und jetzt müssen wir es wieder einlösen. Bald drei Monate Lockdown weiter sehen wir mit Sorge nicht nur die anwachsenden Lerndefizite der Schüler. Wir verzeichnen außerdem Verhaltensauffälligkeiten, Niedergeschlagenheit, Apathie, teilweise auch körperliche Beeinträchtigungen bei älteren Kindern und Jugendlichen. Und dass sie schon so lange – nicht nur drei Monate, sondern viel länger – auf Sport, Musik, Ehrenamt, spontane Geselligkeit verzichten müssen, hinterlässt Spuren beim Selbstwertgefühl und in der Persönlichkeitsbildung.

Hieß es Anfang des Jahres noch – ich habe es hier schon mal gesagt –: „Ich möchte Teil meiner Gruppe sein“, ist jetzt die Aussage: „Ich habe Angst, in die Schule zurückzukehren“. Die psychosozialen Folgen stark reduzierten Sozialkontakts betreffen im Übrigen bei Weitem nicht nur Familien, die für ihre Kinder schon vor Corona nicht gut genug sorgen konnten. Deshalb muss die anstehende Eigentestoffensive zuerst Jugendlichen und Kindern gelten. Sie haben ein Recht auf Entwicklung und Bildung. Sie haben bislang keine Aussicht auf Schutz durch die Impfung. Sie haben in bewundernswerter Weise Solidarität geübt, und sie werden es sein, die einen Großteil der unausweichlichen Pandemiefolgen bewältigen müssen. Deshalb haben sie – das ist klar und nachvollziehbar – Priorität.

Zweitens: Wirksamkeit. Schulen und Kitas sind ein Subset, das sich für den Einstieg in systematische Testungen besonders eignet. Sie bilden einen abgegrenzten und gut kontrollierbaren Kontaktbereich – jeder dort ist bekannt –, der zugleich einen signifikanten Teil unseres Soziallebens ausmacht. Die testbasierte Rückkehr aller Jahrgänge in den Präsenzunterricht wird das Leben für Millionen Schüler, Eltern und Pädagogen ein großes Stück weit normalisieren, und es wird die Durchhaltebereitschaft in der Bevölkerung für Beschränkungen in anderen Bereichen stärken und sogar erhöhen. Es wird der Pandemiebekämpfung insgesamt dienen.

Und so kann es gehen – es wurde nach konkreten Dingen gefragt –: Schüler und Kitakinder sowie noch nicht geimpfte Pädagogen machen morgens einen Selbsttest und zeigen beim Betreten der Schule bzw. Kita den Nachweis ihres Ergebnisses. Für positiv Getestete stehen die Gesundheitsämter bereit. Mit Stichproben oder jahrgangsweise durchgeführten Kontrolltests kann festgestellt werden, ob fälschlicherweise negativ getestete Schüler in der Schule sind. Wer schummelt, wird bestraft. Der Druck der Peergroup ist ihm sowieso gewiss. Die Tests sind, weil Voraussetzung für den Schulbesuch, kostenlos und werden durch die Schulen selbst verteilt. Die Schulen verteilen schon so viele andere Dinge; das können sie auch noch schaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein solcher Ablauf wäre plausibel, einfach und leicht kommuniziert. Und sehr rasch können dann auch die wichtigen ergänzenden Komponenten des Schullebens wiederbelebt werden: Sport, Musik, Theater – in der Schule. Da sind sie ja sowieso schon. Organisatorisch wäre das eine Kleinigkeit – Rückkehr zum Normalbetrieb nämlich –; zugleich wäre es eine Riesenentlastung für die Pandemiebekämpfung außerhalb der Schulen und eine große Chance, funktionierende Prozesse, die natürlich ihre Zeit brauchen, dann auf andere Bereiche wie den Vereinssport, die Kultur und alles andere, was angesprochen wurde, zu übertragen.

Drittens: Schnelligkeit. Im Bereich der Bildungseinrichtungen kann sehr rasch gehandelt werden. Die neuen Tests sind jetzt zugelassen – inzwischen sind es vier Produkte –; sie dürfen an Privatpersonen abgegeben werden. Dank an den Gesundheitsminister; er hat es nämlich schon erlaubt. In sehr kurzer Zeit werden ausreichend Tests am Markt sein; man schätzt, zu 3 Euro pro Stück.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Letzter Satz.

 

Bettina Margarethe Wiesmann (CDU/CSU):

15 Euro für den wöchentlichen Schul- oder Kitabesuch. Das ist zu stemmen. Das macht in etwa 3 Milliarden Euro bis zum Sommer. Das sind keine Peanuts, ist aber absolut vertretbar.

Ich wünsche mir von der Ministerpräsidentenrunde heute: Gehen wir mit den Kindern und Jugendlichen voran! Lassen wir auch die Jahrgänge 7 bis 11 so schnell wie möglich zurück ins Schulleben, jahrgangsweise und gern auch mit Maskenpflicht kombiniert! Eine digitale Lösung muss hier nicht abgewartet werden.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

So, jetzt fertig.

 

Bettina Margarethe Wiesmann (CDU/CSU):

Dann kann ein großer Teil der Gesellschaft wieder aufatmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)