Bettina Margarethe Wiesmann: "Der Jugendschutz darf nie auslernen"
Rede zur Änderung des Jugendschutzgesetzes
Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch der Jugendschutz selbst darf nie auslernen; er muss sich ständig anpassen an die Jugend, die lebt – und auch anders lebt, als sie früher gelebt hat –, und an die Welt, die sich dreht.
Das Internet lädt zu nahezu unbegrenzter Kommunikation ein, die wir nutzbringend einsetzen können und wollen, zum Beispiel gerade jetzt, wo wir keine Geschäfte mehr betreten dürfen. Junge Menschen – Kinder gar – sind aber nicht immer und nicht sofort in der Lage, diesen Einladungen zu widerstehen oder Gefahren zu erkennen und zu meiden. Sie sind offen, vertrauend, experimentierfreudig, dazu leichter zu beeindrucken und auch nicht immer von vornherein selbstsicher. Sie brauchen deshalb Schutz und Unterstützung, damit sie sich dieser neuen Medien und dieser neuen Welt zu ihrem eigenen Vorteil und auch zum Vorteil aller bedienen können.
Mit der nahezu hundertprozentigen Verbreitung der Smartphones unter Jugendlichen und älteren Kindern haben sich diese Herausforderungen für ihren Schutz vervielfacht; denn sie sind nun jederzeit erreichbar, jederzeit online, für jeden ansprechbar. Filme, Serien, Blocks, Clips, Games – das wurde schon angesprochen –: Alles ist jederzeit und überall verfügbar und dazu ständig neu. Die neuen Spiele beispielsweise werden nicht mehr am Tisch mit Freunden und der Familie gespielt, sondern oft in weltweiten Teams, in denen nicht jeder jeden kennt. Auch getarnte erwachsene oder sogar jugendliche Straftäter können darunter sein.
Die Kinderkommission hat unter meinem Vorsitz im vergangenen Jahr die Risiken der digitalen Medien für das Kindeswohl erörtert und einstimmig Handlungsempfehlungen verabschiedet. Im Bereich des Strafrechts hat die Koalition mit dem Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität und auch mit dem Gesetz zur Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings die staatlichen Schutzinstrumente bereits verbessert.
Das Jugendschutzgesetz zielt nun vor allem auf die Prävention. Es erweitert die Liste der Inhaltsrisiken, die wir schon kannten – Gewaltszenen, Sex, Hass und Erniedrigung –, um die neuen Interaktionsrisiken: ungeschützte Kontakte und Anmache, Cybermobbing, versteckte Kaufanreize, suchtauslösende Spielelemente, Preisgabe persönlicher Daten. Endlich, kann man sagen, werden diese neuen Risiken für Kinder und Jugendliche adressiert; denn Bund und Länder hatten sich eigentlich schon vor vier Jahren darüber verständigt, und der Bund ist damals auch vorangegangen. Meine Damen und Herren, es ist überfällig, dass wir hier handeln, und wir von der Union – und auch die SPD, wie ich weiß – teilen diesen Ansatz.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])
Der Gesetzentwurf hält Anbieter von Medien und Mediendiensten zu verstärkten Vorsorgemaßnahmen an. Neben Beschwerde- und Abhilfeverfahren sollen sie unter anderem Alterseinstufungssysteme und Verifikationen sowie standardmäßige Sicherheitseinstellungen vorhalten; das hat die Ministerin erläutert. All dies – auch das wurde gesagt – muss sichtbar, leicht verständlich und wirkungsvoll sein. Dabei sind Dreh- und Angelpunkte aus unserer Sicht die Alterseinstufungen. Weil die Interaktionsrisiken meist außerhalb des Mediums liegen, haben wir hier von der Unionsfraktion noch fachlichen Gesprächsbedarf zur Einstufung und zur Kennzeichnung der Angebote.
Für die Aufsicht über diese speziellen Vorsorgemaßnahmen weitet der Gesetzentwurf die Kompetenzen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien aus. Sie wird zur Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz und soll tatsächlich – wir haben es ja letzte Woche auch haushalterisch schon diskutiert – personell aufgestockt werden. Ich halte das für wichtig, insbesondere um die neuen Vorsorgemaßnahmen effektiv umzusetzen. Damit wird ein einheitliches Vorgehen innerhalb und sogar auch außerhalb des Bundesgebiets erreicht, und auch das ist wichtig.
Allerdings sollte die Verzahnung mit den Aufsichtsstellen der Länder noch verbessert werden, damit Entscheidungen abgestimmt und auch schnell gefällt werden können und die bei den Ländern heute vorhandene Fachkompetenz auch genutzt wird.
Und schließlich: Ein gutes Zusammenwirken wünsche ich mir auch mit den Eltern. Aufklärung und Erziehung hin zu Medienkompetenz und Mündigkeit kann ihnen auch der beste Jugendschutz nicht vollständig abnehmen. Jugendliche ihrerseits sollten auch kontinuierlich in die Entwicklung geeigneter Schutzverfahren einbezogen werden.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, letzter Punkt – auch an die Adresse der Bundesländer –: Diese Novelle ist kein Angriff auf die Medienhoheit der Länder, sondern ein überfälliger Schritt für effektiven Kinder- und Jugendschutz, aber im 21. Jahrhundert. Gemeinsam können wir den guten Entwurf sicher noch besser machen und dann zügig umsetzen. Kinder und Eltern haben das genauso verdient wie Entwickler und Anbieter.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Bevor wir das weiter diskutieren, worauf ich mich freue, feiern wir hoffentlich alle ein schönes Weihnachtsfest. Das wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)