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Volkmar Klein: Gut gemachte Entwicklungszusammenarbeit bedeutet, neben ethischen Gründen, auch die Fluchtursachen zu bekämpfen

Rede zu Entwicklungshilfe bei unkooperativen Staaten

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Denn selbstverständlich ist das BMZ hier auch vertreten. – Alle Länder haben die Pflicht, ihre eigenen Staatsbürger wieder in ihr eigenes Staatsgebiet zurückzunehmen, um die Rückreise zu erlauben. Das stimmt zweifelsohne.

Es gibt Staaten, die Personen, die aus Deutschland oder aus anderen EU-Staaten abgeschoben werden sollen, nicht in ihr Heimatland zurückreisen lassen wollen. Sie verweigern die dafür erforderlichen Ausweise. Auch das stimmt. Es gibt Staaten, die offenkundig sogar ein Interesse daran haben, dass Leute im Ausland bleiben. Es wird ja auch – das ist kurzfristig betrachtet auch durchaus ein Vorteil für diese Länder – Geld zurücküberwiesen.

Das alles stimmt. Es stimmt auch, dass diese Staaten damit ihrer Aufgabe nicht gerecht werden und man eigentlich von Staatsversagen in diesen Ländern sprechen könnte, zumindest von ziemlich schlechter Regierungsführung.

Schlechte Regierungsführung oder, wie es auf Neudeutsch heißt, das Fehlen von Good Governance ist natürlich allgemein in der Entwicklungszusammenarbeit ein ziemlich großes Problem, weil es sicherlich sehr viel entscheidender ist als jedes Geld der Welt, in den jeweiligen Ländern dafür zu sorgen, dass die Menschen mehr Chancen, mehr Jobs und damit auch mehr Perspektiven haben. Ownership wird in vielen Ländern viel zu wenig gelebt.

Ich hatte im Sommer die Gelegenheit, in den Tschad zu reisen, wo bis hin zur Lebensmittelsicherheit die Grundlagen fehlen und erst recht alles, was mit dem Schaffen von Chancen und Jobs in diesem Land zu tun hat. Insofern ist es an so einer Stelle und auch insgesamt sicherlich richtig, zu überlegen: Was hilft eventuell, eine bessere Regierungsführung einzufordern? Die Frage ist nur, wie. Was hilft denn?

Ich habe persönlich an mehreren Stellen Diskussionen erlebt, bei denen mir teilweise von denselben Leuten im selben Satz zwei Fragen gestellt wurden. Die erste Frage – damals bezogen auf Ägypten in der Zeit der Muslimbrüder – war: Wie könnt ihr einem Land, in dem Christen verfolgt und die Menschenrechte missachtet werden, Entwicklungszusammenarbeit gewähren? Die zweite Frage in diesem Satz war: Wie könnt ihr zuschauen, wie im Mittelmeer Menschen ertrinken?

Beide Fragen sind berechtigt. Aber die Antwort kann nicht sein, einfach Geld zu streichen. Denn dann gibt es noch weniger Perspektiven. Dann gibt es noch weniger Chancen für die Menschen in diesem Land. Genau das, meine Damen und Herren, ist eben nicht in unserem Interesse. In unserem Interesse ist, dass die Menschen in den Ländern, in denen sie leben, mehr Chancen haben, nicht weniger Perspektiven.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Insofern müssen wir völlig unabhängig vom Versagen eines Staates, von Bad Governance, sehr wohl Hilfe leisten, nicht in dem Sinne, dass dem Staat geholfen wird, wohl aber, dass den Menschen geholfen wird. Es geht um beides, einerseits um humanitäre Hilfe, andererseits aber auch darum, dafür zu sorgen, dass die Voraussetzungen für Perspektiven in diesen Ländern besser werden.

Genau das ist die Philosophie von Entwicklungszusammenarbeit insgesamt. Auch wenn sie für uns schon aus ethischen Gründen wichtig ist, bedeutet gut gemachte Entwicklungszusammenarbeit automatisch, gleichzeitig Fluchtursachen zu bekämpfen. Insofern ist das BMZ insgesamt eigentlich dasjenige Ministerium, das Fluchtursachen bekämpft, und dies nicht nur mit den Mitteln aus dem Titel im Haushaltsplan, der als Sonderinitiative tatsächlich so heißt. Mit 465 Millionen Euro ausgestattet steht er gemeinsam mit den deckungsfähigen anderen Sonderinitiativen, mit rund 1 Milliarde Euro, dafür, dass Fluchtursachen bekämpft werden, damit eben genau das, was hier angeprangert wird, weniger passiert. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist.

(Zuruf von der AfD: Welcher Staat?)

Unabhängig davon ist die Frage, wie wir es denn schaffen, vernünftig und effektiv besser Druck auszuüben, natürlich berechtigt. Da sind sicherlich auch noch Verbesserungen erforderlich. Ich würde mir manches Mal gerade von unserem Außenministerium ein noch etwas stringenteres Vorgehen wünschen.

Aber wir haben schon sehr viele Erfolge zu verzeichnen. Allein wenn ich mir das immer wieder genannte Beispielland Marokko anschaue, dann muss ich feststellen, dass wir da sehr geschickt verhandelt haben. 2015 gab es 61 Rückführungen nach Marokko, 2016 gab es 112 solcher Rückführungen, im vergangenen Jahr, 2017, waren es 634 und in diesem Jahr ausweislich der mir vorliegenden Statistik zum Stichtag 31. Juli bereits 413 Rückführungen, das heißt mindestens zehnmal so viele Abschiebungen nach Marokko wie im Jahr 2015; das gegenwärtige Jahr ist ja noch lange nicht zu Ende.

Ich sage: Das ist eine positive Entwicklung, und das sind die Wege, entsprechend Druck auszuüben, auf denen wir auch Erfolg haben, diese Rückführungen zu erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unter dem Strich bleibt aus meiner Sicht, dass wir sehr geschickt bessere Regierungsführung einfordern und dafür auch Druck ausüben müssen, einerseits darauf, dass die verschiedenen Länder ihre eigenen Staatsbürger anerkennen, andererseits aber auch darauf, dass diese Länder Freiheit als solche und Perspektiven für die Menschen anerkennen.

Heute ist der Internationale Freiheitstag der International Justice Mission gegen Sklaverei und Menschenhandel. Einige von Ihnen tragen wie ich diese Bändchen mit „#frei“. Das ist etwas, was im Sinne von guter Regierungsführung ganz wichtig ist. Wir müssen alles tun, um das entsprechend einzufordern.

Wir müssen unter dem Strich am Ende des Tages erreichen, dass die Menschen in ihren Heimatländern mehr Chancen haben, mehr Jobs und damit mehr Perspektiven haben. Das ist uns wichtig, einerseits aus ethischen Gründen, andererseits aber auch aus unserem ganz eigenen praktischen deutschen Interesse. Daran lasst uns gemeinsam arbeiten und nicht irgendwelchen simplen Anträgen folgen.

Danke sehr.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)