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(Quelle: Bundesregierung)

Glasnost und Perestroika braucht Russland heute nötiger denn je

  • Gorbatschow war für Deutschland ein Glücksfall
  • Persönlichkeiten wie US-Präsident Reagan drängten den damaligen Kreml-Chef zur Kurskorrektur
  • Die Unionsfraktion wird sein Andenken immer in Ehren halten 
     

Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zum Tode von Michael Gorbatschow: 

Michael Gorbatschow war ein großer Staatsmann des 20. Jahrhunderts. Wie kaum ein anderer seiner Zeitgenossen hat er die Welt verändert - sowohl durch bewusstes Agieren als auch durch Folgewirkungen, die sein Handeln, ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt, ausgelöst hat.

Für Deutschland war Gorbatschow ein Glücksfall. Seine Worte an die Adresse der Funktionäre in der SED-Führung ,Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren‘ waren prophetisch und eine starke Ermutigung für die Deutschen in der damaligen DDR. Ohne ihn wäre die deutsche Einheit nicht so rasch und gewaltlos möglich gewesen. Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag wird sein Andenken immer in Ehren halten.

Die Deutsche Einheit stand im Zentrum einer globalen Entwicklung, die von Gorbatschow, aber auch von Politikerpersönlichkeiten des Westens entscheidend vorangetrieben worden war. Die Politik des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan, der Sowjetunion und dem Ostblock durch Aufrüstung und Projekte wie „SDI“ die Grenzen des Machtgebarens aufzuzeigen, war eine wichtige Vorrausetzung für den radikalen Kurswechsel der UdSSR unter Gorbatschow. Ebenso die Bereitschaft des Westens, mit dem neuen Mann im Kreml zusammenzuarbeiten. 

Der damalige Generalsekretär der KPdSU erkannte die Sackgasse, in die das Wirtschafts-, Gesellschafts- und Sicherheitsmodell der Sowjetunion geraten war. Die ineffiziente, nicht wettbewerbsfähige und obendrein korrupte Staatswirtschaft machte dem Land nicht nur das Schritthalten mit dem Westen in der Rüstung unmöglich, sondern verhinderte auch Wohlstand für alle in der Sowjetunion. Die ökologischen Folgen des Raubbaus an der Natur waren auch für die Bürgerinnen und Bürger des Vielvölkerstaates offensichtlich. Die Unterdrückung der Freiheit lähmte den gesamten Ostblock unter Führung der UdSSR. 

Gorbatschow sah die Risiken der Zukunft und erkannte die Chance auf Wandel wie kein anderer Staatschef im damaligen Ostblock. Mit ‚Glasnost‘ und ‚Perestroika‘ zog er den Korken aus der Flasche und ermöglichte eine bisher ungekannte Dynamik zu mehr Freiheit und Eigeninitiative. Michael Gorbatschow ließ den Eisernen Vorhang fallen, erreichte mit dem amerikanischen Präsidenten enorme Fortschritte bei der Abrüstung und machte die deutsche Einheit möglich. 

Es ist eine Tragödie, dass ‚Gorbi‘ auf den Straßen Europas die Herzen zuflogen, sein Wirken im eigenen Land aber zu gering eingeschätzt wird. Dies ist nur zum Teil auf unbestreitbare Mängel im Transformationsprozess von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft zurückzuführen. Mit ihm wird das Auseinanderfallen der UdSSR verbunden, die von der heutigen Kreml-Propaganda immer noch verherrlicht wird. Dabei hat Gorbatschow die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Völker Europas in Frieden miteinander leben könnten, wenn sich in Moskau nicht Revanchismus à la Putin durchgesetzt hätte.

Wie sehr bräuchte Russland heute einen freiheitsliebenden Politiker wie ihn! Doch Glasnost und Perestroika sind für Putin Schimpfwörter. Dabei hätte Russland beides nötiger denn je.