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Thorsten Frei: In Kamerun liegen drei Konflikte übereinander

Rede zur Situation in Kamerun

Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An der Situation in Kamerun ist in der Tat nichts zu beschönigen. Man kann im Grunde genommen sagen, dass dort drei Konflikte und Herausforderungen übereinanderliegen: zum einen der islamistische Terrorismus von Boko Haram im extremen Norden, zum anderen – darüber hatte Herr Kekeritz gesprochen – die Sezessionsbestrebungen im Westen, im anglofonen Teil des Landes. Und ich will eine dritte Ebene hinzufügen: Das ist etwas, was man vielleicht unter „schlechte Regierungsführung“ zusammenfassen kann.

Wir haben hier die Situation, dass sich ein greiser Präsident am vergangenen Sonntag zum siebten Mal um die Präsidentschaft beworben hat und diese nach den Erfahrungen der Vergangenheit wahrscheinlich auch gewinnen wird. Er hat seit 1982 das Land mit Nepotismus, Vetternwirtschaft, Korruption fest im Griff und letztlich dafür gesorgt, dass die Spaltung zwischen anglofoner Minderheit und frankofoner Mehrheit immer weiter vorangetrieben wurde.

Dieser Komplex aus drei sich überlagernden Schwierigkeiten und Herausforderungen macht die Situation in Kamerun so schwierig und so anspruchsvoll.

Die Folgen, die daraus entstehen, treffen uns natürlich unmittelbar. Denken Sie etwa an die Migrationsströme, die daraus folgen: allein in Kamerun etwa 300 000 Binnenflüchtlinge, etwa 30 000 Flüchtlinge im Nachbarland Nigeria. All das führt letztlich auch zur Destabilisierung im Land. Und eine Destabilisierung in Kamerun bedeutet immer gleich auch Destabilisierung in der Region.

Kamerun hat sechs Nachbarländer. Es ist sozusagen ein politisches Scharnier zwischen Süd- und Nordafrika. Deshalb sind die Auswirkungen, die wir dort erleben, so markant. Im Übrigen kann man in Kamerun auch sehen, dass sich ein solches Land sehr schnell von einem Stabilitätsanker – immerhin ist es gelungen, die Arbeitslosigkeit in zwölf Jahren von 30 auf 5 Prozent zu reduzieren und eine verhältnismäßig stabile Wirtschaft zu etablieren – hin zu einem Problemfall entwickeln kann. Deshalb ist es in der Tat richtig, mit Präventionsmaßnahmen darauf zu reagieren. Das würde ich auch sagen; das ist der richtige Ansatz. Prävention ist richtig, zivile Krisenprävention ist genauso wichtig.

Aber, lieber Herr Kekeritz, ich will Ihnen zwei Dinge sagen. Erstens sind Ihre Ausführungen über die Ausstattungshilfe für die Streitkräfte dort falsch, weil Sie zum einen ganz genau wissen, dass dort keine Hilfe mit Waffen und Munition geleistet wird. Zum Zweiten ist jede weitere Tranche dieser Sicherheitspartnerschaft bis zu einer Überprüfung der Situation ausgesetzt. Das bedeutet im Klartext: Derzeit gibt es keine Ausstattungshilfe für die kamerunischen Streitkräfte.

Ich will noch ein Weiteres ansprechen: Ja, es stimmt: 2004 ist der Aktionsplan „Zivile Krisenprävention“ aufs Gleis gesetzt worden; das ist richtig. Aber seit 2005 haben wir CDU-geführte Bundesregierungen, haben wir eine Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und dann gehört zur Wahrheit eben auch dazu, dass die Mittel für zivile Krisenprävention seit dem Jahr 2005 um das 25-Fache gestiegen sind. Also, in diesem Augenblick davon zu sprechen, dass nachfolgende Regierungen in diesem Bereich nichts mehr gemacht hätten, ist schlichtweg absurd.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, in den Ansätzen, die in den Anträgen von FDP und Grünen formuliert sind, ist sehr viel Kluges, beispielsweise dass man schaut: „Wohin gehen denn die Gelder der Entwicklungspolitik?“, dass man eine Konditionierung schafft, dass man versucht, inklusive Prozesse zu befördern, und auch, dass feindliche Parteien miteinander in den Dialog treten.

Aber Tatsache ist eben auch: Vieles in diesem Bereich passiert schon. Der Afrika-Beauftragte der Bundesregierung war Anfang des Jahres dort.

(Zuruf des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben versucht, im UN-Menschenrechtsrat mittels einer Rüge entsprechend tätig zu werden. Die Botschaft in Kamerun ist tätig. Wir versuchen vor allen Dingen, auch die afrikanischen Regionalorganisationen mit ins Boot zu holen, allen voran die Afrikanische Union. Das ist der richtige Ansprechpartner an dieser Stelle. Diese Bemühungen müssen weitergehen; das ist überhaupt keine Frage.

(Beifall des Abg. Matern von Marschall [CDU/CSU])

Ich gebe im Übrigen gerne zu: Zivile Krisenprävention ist wichtig, und der Fall Kamerun lehrt uns vielleicht auch etwas für die Zukunft: dass es nämlich nicht nur um Geld geht – darüber habe ich mit Blick auf die zivile Krisenprävention gesprochen –, sondern vor allen Dingen um den richtigen Zeitpunkt. Dass das alles in Kamerun vor einem Jahr einfacher gewesen wäre als heute, ist unbestritten.

Deswegen – ich komme zum Ende – müssen wir dafür sorgen, dass wir schneller von „early warning“ zu „early action“ kommen. Das ist in der Tat eine Aufgabe, die für die Zukunft bleibt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)