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Thomas Erndl: "Die deutsch-griechische Freundschaft ist ein großes Geschenk"

80 Jahre Überfall der Wehrmacht auf Griechenland

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Botschafterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 6. April 1941, vor fast genau 80 Jahren, begann der Überfall der Wehrmacht auf Griechenland. Es folgte eine grausame Besatzung mit Tausenden Opfern und schwersten Verbrechen. So drangen zum Beispiel am 13. Dezember 1943 Soldaten der Wehrmacht in das griechische Bergdorf Kalavrita ein. Was dann passierte, war eines der schlimmsten Kriegsverbrechen in Südeuropa. Die Wehrmacht erschoss in wenigen Stunden fast alle Männer und Jungen des Dorfes, zwischen 600 und 800 Menschen. Der Ort wird seither „Stadt der Witwen“ genannt. Kalavrita, dieses Dorf, steht stellvertretend für so viele andere Orte, an denen die Wehrmacht schwere Verbrechen begangen hat. Dazu zählt auch die Ermordung von 60 000 griechischen Juden, circa 80 Prozent der damaligen jüdischen Bevölkerung Griechenlands.

Meine Damen und Herren, wir müssen erinnern, wir müssen gedenken, und wir müssen weiter aufarbeiten. Das schulden wir den vielen Tausenden Opfern und ihren Nachfahren. Das ist wichtig für unsere enge Freundschaft mit Griechenland.

Ja, diese Gräueltaten müssen in Deutschland bekannter werden. Und ja, es hat zu lange gedauert, bis die deutsche Politik das verstanden hat und ein deutsches Staatsoberhaupt einen dieser Märtyrerorte besuchte. Erst seit dem Jahr 2000 haben sich die Bundespräsidenten Rau, Gauck und Steinmeier bei Besuchen für die deutschen Verbrechen in Griechenland entschuldigt. Das alles sind wichtige politische Signale und Symbole. Aber es ist genauso wichtig, dass wir einerseits die konkrete Erinnerungsarbeit weiter intensivieren. Es liegt in unserer Verantwortung, dafür zu sorgen, dass diese Verbrechen nicht vergessen werden. Andererseits muss auch vor dem Hintergrund einer deutschlandkritischen Haltung in Griechenland der Austausch unserer Zivilgesellschaft weiter ausgebaut werden.

Da ist in beiden Bereichen einiges geschehen: Seit 2014 gibt es den Deutsch-Griechischen Zukunftsfonds. 2017 wurde in Thessaloniki mit großer Unterstützung aus Deutschland das Holocaust-Museum errichtet. Seit 2019 gibt es den Förderwettbewerb „Erinnern für die Gegenwart“; die Deutsche Schule in Athen wurde in diesem Jahr für diese Aufarbeitung der Schulgeschichte prämiert. Und jetzt, im April 2021, nimmt das Deutsch-Griechische Jugendwerk seine Arbeit auf. – Diese Initiativen sind für Begegnungen und eine erfolgreiche Erinnerungspolitik wichtig. Sie schlagen die Brücke von einer grausamen Vergangenheit in eine positive Zukunft.

Was wir aber nicht brauchen, meine Damen und Herren, ist das Aufwärmen alter Debatten,

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Alte Debatten? Wo haben Sie das denn debattiert?)

die unsere Freundschaft mit Griechenland mehr belasten, als sie zu festigen. Ja, offener Dialog, Reden, Austausch, Erinnerung, Aufarbeitung, das alles ist wichtig. Aber es gibt keinen Anlass, dieses konfliktreiche Thema der Reparationen jetzt auf den Tisch zu legen.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt die deutsche Seite!)

Damit arbeitet man nur den Nationalisten in beiden Ländern zu.

Sie wissen, dass die Reparationsforderungen juristisch abgeschlossen sind.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Nein! Eben nicht! – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Selbst die griechische Regierung hat deutlich gemacht, dass sie mit diesem Thema die deutsch-griechische Freundschaft nicht belasten will.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Es gab doch eine Verbalnote der griechischen Regierung!)

Meine Damen und Herren, wir werden unserer Verantwortung gerecht

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Nö!)

mit der verstärkten Erinnerungsarbeit, mit dem Zukunftsfonds und mit all den Dingen, die wir auf den Weg gebracht haben und die wir noch auf den Weg bringen sollten. Aber ich frage mich: Werden Sie mit solchen Forderungen eigentlich Ihrer Verantwortung für unser Land gerecht? Ich meine, das ist der falsche Weg. Vor dem Hintergrund der Geschichte ist die deutsch-griechische Freundschaft ein großes Geschenk. Das sollte auch von der deutschen Opposition nicht mit solchen Fragen belastet werden.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, Herr Erndl!)

Zum Abschluss möchte ich unseren griechischen Freunden zum heutigen Unabhängigkeitstag gratulieren, einem Tag der Freude.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)