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Roderich Kiesewetter: Wir müssen uns für die deutsch-israelische Freundschaft einsetzen

70 Jahre Gründung des Staates Israel

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben heute eine sehr beherzte und auch mutige Debatte. Zum Abschluss dieser Stunde der historischen Ermunterung und des Aufbruchs möchte ich zwei Gedanken in den Mittelpunkt stellen, die uns die nächsten Jahre bewegen sollen.

Wenn wir gemeinsam an der Seite Israels die Zukunft gestalten wollen, so müssen wir bei uns im eigenen Lande anfangen, uns sammeln und gemeinsam mit unseren Partnern für die Sicherheit um Israel herum sorgen.

Eines hat die heutige Debatte gezeigt: Wir dürfen niemals müde werden, uns für die deutsch-israelische Freundschaft einzusetzen. Wir dürfen niemals müde werden, uns gegen den Antisemitismus einzusetzen, und wir dürfen niemals die deutsch-israelische Freundschaft als selbstverständlich ansehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt eine Organisation, die sich seit Jahrzehnten für die deutsch-israelische Aussöhnung einsetzt: die Deutsch-Israelische Gesellschaft. Ihr Präsident, Hellmut Königshaus, ist heute hier. Ich finde es gut, dass er hier ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Gesellschaft, in der viele von uns Mitglied sind, ist aber nicht das Alibi für die deutsch-israelische Aussöhnung. Sie ist der Katalysator. So, wie wir uns gemeinsam für die deutsch-israelische Freundschaft einsetzen, müssen wir bei uns anfangen und Zivilcourage pflegen. Wir müssen junge Schülerinnen und Schüler ermutigen, einzuschreiten, wenn sie auf dem Schulhof Unrecht sehen. Wir müssen Lehrerinnen und Lehrer unterstützen, wenn sie sich alleine gelassen fühlen, sodass sie mutig Mängel benennen und Fehler ansprechen. Wir dürfen nicht in eine Lethargie verfallen und sagen: Das werden schon irgendwelche Medien richten, oder irgendjemand wird es tun. – Wir alle sind gefordert, es nicht hinzunehmen, wenn Antisemitismus um sich greift, wenn Israel zerstört und wenn die deutsch-israelische Freundschaft ausgehöhlt werden soll. Hier gehört es zur Zivilcourage, uns dagegen zu stemmen und nicht müde zu werden, die Dinge beim Namen zu nennen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zur Zivilcourage gehört es aber auch, mitzuhelfen, dass Israel nicht immer isoliert betrachtet wird, indem wir zeigen, was Israel in der Region leistet: bei der Unterstützung Jordaniens, bei der versuchten Aussöhnung mit Saudi-Arabien, um gemeinsam auf die Palästinenser einzuwirken. Es ist auch Aufgabe der arabischen Staaten, die Palästinenser aus ihrer Geiselhaft zu lösen und mitzuhelfen, dass die Palästinenser sich einigen können. Wir stehen auf der Seite der Zweistaatenlösung. Dazu gehört aber auch, dass die arabischen Staaten die Palästinenser dazu befähigen und sie nicht weiterhin spalten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Dazu gehört aber auch, dass wir, wenn wir – wie im Titel unseres Antrags – von „zukunftsgerichteter Freundschaft“ sprechen, alles tun, um die Sicherheit in der Region zu verbessern. Ich will es anders ausdrücken: Zur Staatsräson Deutschlands gehört es, dass wir die Sicherheitsrisiken für Israel in der Region eindämmen, dass wir unser Engagement einer breiteren Öffentlichkeit verdeutlichen. Wir müssen zeigen, was die Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit Partnern in Jordanien, im Libanon und im Irak leistet, übrigens nicht nur militärisch, aber auch, übrigens nicht nur mit Nichtregierungsorganisationen und starker Entwicklungshilfe, sondern auch in der Zusammenarbeit mit Schulen, in der Zusammenarbeit mit Aussöhnungsprojekten und bei der Wiederherstellung stabiler Regierungsformen, letztlich auch bei der Unterstützung des Genfer Friedensprozesses für Syrien.

Ich möchte abschließend einen ganz persönlichen Punkt nennen. Es ist die Frage, wie wir unseren Kindern beibringen, was die deutsch-israelische Verantwortung bedeutet. Ich habe es selbst als Zwölfjähriger erlebt, als wir im Gemeinschaftskundeunterricht die Konzentrationslager auf dem Boden der damaligen Bundesrepublik Deutschland herausfinden sollten. Ich tat mich ungeheuer schwer, zu akzeptieren, dass Dachau vor den Toren der blühenden Stadt München liegt. Für mich war es als Zwölfjähriger nicht nachvollziehbar, dass es das Dachau war, wo Hunderttausende Menschen nicht nur ihre Würde, sondern auch ihr Leben und ihre Zukunft verloren haben. Für mich war das nicht nur das Schlüsselerlebnis, das mich dazu bewegte, nach Dachau zu fahren und später, als junger Leutnant an der Universität der Bundeswehr, mit Überlebenden in Dachau zu diskutieren, sondern es war für mich auch das Schlüsselerlebnis, das mir zeigte, dass das Grauen vor der eigenen Haustür, vor den blühenden Städten, in unserer unmittelbaren Nachbarschaft geschehen ist. Wir müssen alles tun, damit dieses Grauen nicht vergessen wird!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN)

Das Erinnern muss die Herzen der Menschen bewegen, und wir müssen mit kluger Ausbildung, mit Betroffenmachen, mit der Art und Weise, wie wir auf junge Menschen zugehen, deutlich machen: Hier ist etwas in unserer Geschichte, was wir anderen Ländern ersparen wollen, was wir unseren Kindern, unseren Enkeln, unserem eigenen Land in Zukunft ersparen wollen, was wir, um eine Wiederholung oder Verharmlosung zu verhindern, niemals vergessen dürfen.

Wenn uns das gelingt, dann ist die Freundschaft mit Israel, wie es vorhin sehr klar und schön gesagt wurde, der Ankerpunkt unserer eigenen Existenz. So wie Israel der Anker für Demokratie und Stabilität im Nahen Osten ist, brauchen wir aus unserer eigenen Geschichte heraus einen Ankerpunkt für Zivilcourage, damit wir unseren jungen Menschen Mut machen können, für Minderheiten, für die Freiheit, für das Recht und für die Selbstbestimmung auch unseres Landes einzustehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN)