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Roderich Kiesewetter: "Wir brauchen einen neuen Schwung für konventionelle Abrüstung"

UN-Verbot von Atomwaffen beitreten

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Grunde sollten wir alle sehr dankbar sein, dass wir heute die Positionen zur Frage der nuklearen Abrüstung hier austauschen können. Wir sind auch Zeuge einer sehr einseitigen Auslegung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland geworden, sehr geehrter Herr Kollege Dr. Gysi. Ich will das an einigen Beispielen erläutern.

Erstens. Die nukleare Teilhabe, die die NATO-Staaten vereinbart haben, bedeutet, dass fünf europäische NATO-Staaten für die anderen in Europa Verantwortung übernehmen, um zu verhindern, dass Nuklearwaffen auch in anderen europäischen Staaten stationiert werden.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: So viel Altruismus!)

Zweitens. Die Bundesrepublik Deutschland hat im Rahmen des Zwei-plus-Vier-Vertrages und des deutschen Einigungsvertrages darauf gedrängt, dass die Stationierung von Nuklearwaffen nicht östlich des Einigungsgebietes erfolgen darf.

Drittens. Wir haben bewusst auch in der NATO-Russland-Grundakte klargemacht, dass eine Stationierung von Nuklearwaffen in den Ländern, die früher dem Warschauer Pakt angehört haben, unmöglich gemacht wird.

Der Zweck der nuklearen Teilhabe ist es, die Verbreitung von Nuklearwaffen auf europäischem NATO-Boden zu beschränken. Der Vorteil, den die Bundesrepublik mit Belgien, den Niederlanden, Italien und auch der Türkei hat, ist, dass wir Verantwortung übernehmen und in der nuklearen Planungsgruppe Einfluss darauf nehmen, dass die Rolle der Nuklearwaffen in der Nukleardoktrin der NATO zurückgedrängt wird.

Der zweite Bereich, Herr Kollege Gysi, der von Ihnen zwar angesprochen wurde, aber faktisch falsch ist: Der Antrag vom März 2010, den wir mit breiter Mehrheit verabschiedet haben, sah nicht den Abzug der Nuklearwaffen aus Deutschland vor, sondern bestätigte die Unterstützung durch den Bundestag, dass die Bundesregierung an einem Abzug mitwirkt, wenn es sich sicherheitspolitisch vertreten lässt. Ursache war die Rede von Obama im Jahr 2009 in Prag, wo er von der Vision einer nuklearfreien Welt gesprochen hat, was er dann später als Nobelpreisträger deutlich relativiert hat, indem er sehr klarmachte, dass wir, solange es Nuklearwaffen gibt, mit der Realität leben müssen. Das führt zu einer der Lebenslügen der Linken: Sie glauben, dass, wenn wir auf nukleare Teilhabe verzichten oder wenn die NATO-Staaten auf Nuklearstrategien verzichten, die Welt sicherer wird.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist die Feststellung der UNO!)

Es ist auch ein Fehler, dass beim Atomwaffenverbotsvertrag nicht Nuklearstaaten mitwirken. Es ist unsere Aufgabe, einen anderen Vertrag zu fördern. Das ist der Atomwaffensperrvertrag, bei dem wenigstens fünf der neun bekannten Nuklearmächte Mitglied sind.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Seit 20 Jahren keine Abrüstung!)

Wir sollten in der alle fünf Jahre tagenden Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag – ich habe selbst an zweien teilgenommen; die nächste findet im Sommer dieses Jahres statt – das Thema „nukleare Abrüstung“ auf die Tagesordnung setzen.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zwei sind schon gescheitert!)

Es geht doch nicht darum, dass wir durch eine Delegitimierung oder gar Ächtung der Nuklearwaffen die Welt besser machen, sondern dass wir sensibilisieren und als Bundesrepublik Deutschland die nukleare Teilhabe nutzen, damit die NATO erstens eine Zone ungeteilter gemeinsamer transatlantischer Sicherheit zwischen USA, Kanada und uns Europäern ist und zweitens so lange erhalten bleibt, bis etwas Besseres folgt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Auf nordamerikanischem Boden leisten die USA das. Die Kanadier brauchen es nicht mehr. Und auf europäischem Boden sind es eben nur diese fünf Staaten. Deshalb ist das, was wir mitnehmen müssen: Es hilft nicht, emotional auf Nuklearwaffen verzichten zu wollen. Es hilft, deutlich zu machen, dass nukleare Abrüstung vorne stehen muss.

Und diese Abrüstungsbemühungen bekommen einen neuen Schwung.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wie denn?)

Die Regierung Biden hat im Einvernehmen mit Russland New START um fünf Jahre verlängert. Die US-Regierung prüft die weitere Mitwirkung am Vertrag über den Offenen Himmel. Die US-Regierung wird die Verhandlungen bei der Nichtverbreitungskonferenz in New York fortsetzen und aktiv mitgestalten.

Was aus meiner Sicht sehr wichtig ist: Wir brauchen mit Blick auf neue Rüstungsentwicklungen einen neuen Schwung auch für konventionelle Abrüstung. Die Welt wird doch nicht sicherer, wenn wir auf dem Auge blind sind. Cyberwaffen, Überschallwaffen, Hochpräzisionswaffen, automatisierte Kampfführung – das alles muss kontrolliert werden. So haben wir dann eine Abrüstungsverhandlung, vertrauensbildende Maßnahmen, Abrüstungsbemühungen, Verifikation aus einem Guss. Das ist verantwortungsbewusste deutsche Sicherheitspolitik.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Dafür sind wir seit 20 Jahren!)

Dafür steht diese Regierungskoalition und im besonderen Maße unsere Union.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Bijan Djir-Sarai [FDP])