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Dr. Katja Leikert: Die Bundeskanzlerin hat uns erst vorgestern im Europaausschuss ausführlich Rede und Antwort gestanden

Redebeitrag in der aktuellen Stunde zur Absage der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die deutsche Ratspräsidentschaft läuft auf vollen Touren. Alle Regierungsverantwortlichen sind im Dauereinsatz, und die FDP setzt eine Aktuelle Stunde an.

(Zuruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])

Das ist ja auch ihr gutes Recht als Oppositionspartei. Nur, ganz ehrlich, lieber Graf Lambsdorff, so ganz klar ist mir nicht, warum Sie diese Aktuelle Stunde heute aufgesetzt haben.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Weil die Regierung Mist baut!)

Erstens hat die Kanzlerin erst in der vergangenen Woche eine Regierungserklärung zur Europapolitik abgegeben, und zweitens – da waren Sie auch dabei – hat sie uns erst vorgestern im Europaausschuss

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: In nichtöffentlicher Sitzung!)

ausführlich Rede und Antwort gestanden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich begrüße aber trotzdem, dass Sie diese Aktuelle Stunde heute Nachmittag aufgesetzt haben, weil: Das muss echte paneuropäische Liebe sein an dieser Stelle. Es gibt uns auch die Gelegenheit, unsere Halbzeitbilanz zur Ratspräsidentschaft Ihnen hier noch mal zu erläutern; denn diese kann sich sehen lassen.

(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: So ist es!)

Eine Pandemielage ist eine besondere Situation, und sie erfordert tagtäglich von allen Europäerinnen und Europäern große Opfer. Es ist das Verdienst unserer Kanzlerin und der Regierungskoalition, einen klaren proeuropäischen Kurs zu halten. Wir sind eben nicht in kleinliche, nationalistische Reflexe zurückgefallen.

Es ist das Verdienst unserer Kanzlerin, auf europäischer Ebene Brücken zu bauen und die Haushaltsverhandlungen vor einer Zerreißprobe zu bewahren. Und nicht nur das: Es ist uns darüber hinaus gelungen, mit einem Wiederaufbaufonds für Stabilität auf den Märkten zu sorgen.

Die CDU/CSU-Fraktion begleitet darüber hinaus mit dem notwendigen wirtschaftlichen Sachverstand die Transformation der Europäischen Union hin zu einem klimaneutralen Kontinent. Da hört man sehr wenig von Ihnen, liebe FDP, wenn es um das Megathema Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit geht.

Es war unser Bundesinnenminister Horst Seehofer, zusammen mit vielen Kollegen hier, der tragbare Vorschläge für das Migrationspaket beigesteuert hat.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Sehr tragbar!)

Da gibt es noch viel zu tun; das ist richtig. Auch hier bringen wir uns als Fraktion weiterhin konstruktiv ein. Aber der Weg bis dahin, ein 450 Seiten starkes Paket auf den Tisch zu legen, das erstmalig bei allen EU-Mitgliedstaaten eine Grundakzeptanz findet, zeigt auch die Stärke dieser Ratspräsidentschaft. Das könnten Sie auch anerkennen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

All das ist harte exekutive Arbeit – einer Verantwortung, der Sie sich – das kann man nicht oft genug sagen – vor drei Jahren entzogen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. René Röspel [SPD] – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Langweilig!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe die Aktuelle Stunde auch einmal zum Anlass genommen, um mir genau anzusehen, welche Vorschläge Sie bisher hier vorgelegt haben. Da ist zum Beispiel eine Kleine Anfrage zum Wiederaufbaufonds, und Sie beharren dabei strikt auf reiner Kreditvergabe. Das kann man natürlich in der Opposition fröhlich fordern. Das hätte aber nie den Rat überstanden. Auch hier kann ich Ihnen nur sagen: Ich bin sehr froh, dass wir einen guten Kompromiss gefunden haben. Deutschland geht es eben nur gut, wenn es Europa gut geht.

(Zuruf des Abg. Alexander Graf Lambsdorff [FDP])

Auch hier kann es daran liegen, dass Sie ja traditionell eine große Distanz zu der Basis haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD])

Ich kann Ihnen nur sagen: In meinem Wahlkreis Hanau ist es so, dass die Unternehmen fast 60 Prozent ihrer Waren in die Europäische Union exportieren. Es ist schlichtweg in unserem Interesse, dass wir Europäer in diesen Zeiten zusammenhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. René Röspel [SPD] – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Wollen Sie mich von den Vorteilen der EU überzeugen? Frau Leikert, bitte!)

Ich kann ja auch Ihre grundsätzliche Forderung, lieber Herr Graf Lambsdorff, in der Außen- und Sicherheitspolitik der EU – darüber diskutieren wir ja auch ernsthaft – weiter voranzukommen, nur voll unterstreichen. Wir haben es ja bei dem Thema Belarus gesehen. Es wäre natürlich wünschenswert, wenn wir das kleine Land Zypern an der Stelle einfach überstimmen könnten, aber so einfach ist das eben nicht.

Ich könnte die Liste der Vorschläge der FDP weiter durchgehen. Meistens scheitern sie an der Realität. Dabei – ich möchte Sie ja auch gerne ermutigen – würden wir uns sehr freuen, wenn sich die Partei der großen Europäer Scheel und Genscher grundsätzlich mehr einbringen würde. Gut fand ich Ihre Idee für eine europäische Grundwerteinitiative. Es wäre auch schön, wenn Sie uns bei dem Thema Freihandelsabkommen stärker unterstützen würden.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Was? Wir warten auf die Ratifizierung von CETA, Frau Leikert!)

Aber auch hier vermissen wir Ihre liberale Dynamik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lassen Sie mich an diesem Nachmittag zum Schluss kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie diese Aktuelle Stunde heute hier aufgesetzt haben und wir noch mal unsere zentralen Ergebnisse darlegen können.

(Zuruf von der LINKEN: Keine falschen Lorbeeren!)

Ich sehe die deutsche Ratspräsidentschaft als eine Aufforderung an alle proeuropäischen Kräfte, sich konstruktiv einzubringen. Sie sind herzlich eingeladen, hier mitzuwirken.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)