Skip to main content

Alexander Hoffmann: Handwerker können nicht mehr ohne Bürokratie und Dokumentation arbeiten

Prüfung und Überarbeitung des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie bezüglich des Handwerkerwiderrufs

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Allzu oft bemüht die Politik den Satz: Handwerk hat goldenen Boden. – Ich bringe den Satz heute deshalb, weil ich glaube, dass der Satz durchaus Verpflichtung für die Politik ist. Wir, die wir hier sitzen, haben die Aufgabe, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Unternehmer, Handwerker in unserem Land gut existieren und arbeiten können. Wir haben die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Handwerker rechtssicher agieren können. Wir haben selbstverständlich auch die Verpflichtung, Sorge dafür zu tragen, dass wir vor allem die Handwerksbetriebe nicht mit überbordender Bürokratie erdrücken. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir das als Daueraufgabe begreifen. Deswegen ist es zunächst einmal gut, wenn wir heute im Rahmen dieses Antrags darüber reden, Rückschau halten und bewerten, ob wir vielleicht an der einen oder anderen Stelle über das Ziel hinausgeschossen sind, was die Bürokratie angeht.

(Beifall des Abg. Hansjörg Müller [AfD])

Bei Ihrem Antrag haben Sie den Bereich des Widerrufsrechts, der Widerrufsbelehrung im Blick. Beim Lesen des Antrags war ich positiv gestimmt, weil ich dachte: Na ja, im Antrag bekennt man sich zunächst einmal ganz klar zur Erforderlichkeit des Widerrufsrechts auch im Handwerkerbereich. – Nach der Kurzintervention des Kollegen war ich dann nicht mehr ganz so sicher; denn da hat das ganz anders geklungen.

Ich glaube schon, dass wir uns einig sind, dass wir das Widerrufsrecht auch in diesem Bereich brauchen. Wie so oft hat dies die Politik auch auf europäischer Ebene nicht ohne Not geregelt. Es waren schwarze Schafe, die dazu geführt haben, dass wir handeln mussten, um Sorge dafür zu tragen, dass nicht der Verbraucher der Leidtragende ist. Beispiele gibt es auch heute noch – ich habe ein paar dabei –: „Wenn der Dachhai zweimal klingelt“, „16 500 Euro für falsche Handwerker“, „Die Teer-Betrüger finden immer mehr Opfer“. Aber zunächst einmal ist es wichtig, dass wir differenzieren und nicht alle Handwerker über einen Kamm scheren.

Ich glaube, dass es auch im allgemeinen Verbraucherschutz wichtig ist, zu sagen: Wir wollen die Verbraucher vor Überrumpelung schützen. Wenn wir dann in die unterschiedlichen Bereiche gehen, müssen wir eben feststellen, dass gerade im Baubereich oder auch im Bereich der Finanzberatungen oftmals weitreichende Entscheidungen getroffen werden. Deswegen ist es gut, wenn die Menschen 14 Tage Zeit haben, sich zu überlegen, ob sie diesen Vertrag wirklich aufrechterhalten wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Sarah Ryglewski [SPD])

Dennoch muss das oberste Gebot die Ausgewogenheit sein. Wir müssen zwischen dem Verbraucherschutz auf einen Seite und der Frage, wie hoch die bürokratischen Anforderungen an Handwerker, an Unternehmer maximal sein dürfen, auf der anderen Seite abwägen. Sie schreiben in Ihrem Antrag von „uferlosen Informationspflichten“. Der Kollege Hoppenstedt hat es schon dargestellt: Es ist mit Sicherheit komplex; ich will das gar nicht kleinreden. Aber von „uferlos“ kann man nicht reden. Wenn Sie im Internet nachsehen – das waren nur ein paar Klicks –, dann finden Sie schnell verschiedene Musterbeispiele für Widerrufsbelehrungen. Ich habe hier ein ganz tolles Beispiel von der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main. Da ist die Widerrufsbelehrung auf einer Seite zu finden. „Uferlos“ ist das mit Sicherheit nicht, sondern durchaus in fassbarem Umfang.

Natürlich ist die Missbrauchsgefahr da. Wenn Sie einen Kunden haben, der nicht zahlungswillig ist, dann fängt er unter Umständen an, mit fadenscheinigen Argumenten Gründe dafür zu suchen, nicht zu zahlen. Zur Ehrlichkeit gehört zunächst einmal aber auch, zu sagen, dass der Kunde dafür auch andere Gründe heranziehen kann. Natürlich ist das Widerrufsrecht durchaus fehler­anfällig. Wir haben im Bankenbereich erlebt, dass das kompliziert sein kann. Je komplizierter etwas ist, desto eher schleicht sich ein Fehler ein. Die fadenscheinigen Argumente, die ich von Handwerkern höre, warum Kunden nicht zahlen wollen, sind: Das habe ich nicht beauftragt. – Das waren keine fünf Steckdosen, sondern nur eine. – Die Steckdose funktioniert nicht. – Wir hatten einen anderen Preis vereinbart.

Ein sehr guter Freund von mir hat vor vier Jahren als Handwerker ein Unternehmen gegründet. Anfangs hat er Verträge noch per Handschlag schließen können. Das ging so lange, bis er den ersten Kunden hatte, der behauptet hatte: Wir haben einen anderen Preis vereinbart. – Seitdem wird alles dokumentiert, von der Farbe über die Höhe und Breite und das Material bis hin zum Produkt. Die traurige Wahrheit ist, dass Handwerker heute gar nicht mehr ohne Bürokratie, ohne Dokumentation arbeiten können.

Es ist richtig: §§ 312, 356 ff. BGB sind durchaus komplex. Deswegen ist es auch gut, wenn wir uns die Zeit nehmen, in einem solchen Verfahren darüber zu reden. Aber wir sollten nicht Probleme konstruieren, wo es keine gibt.

Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung. Ich bin etwas verwundert, weil ich mir von Ihrem Antrag in dem Bereich Lösungen erhofft hatte. Tatsächlich haben Sie aber keine Idee, wie man das Problem löst. Sie umschreiben es vage – wir haben schon gehört, dass es gar nicht existiert –, und dann soll ausgerechnet die Bundesregierung eine Lösung für Ihr Problem anbieten. Ich erinnere Sie daran, dass das doch die Bundesregierung ist, die Sie eigentlich nicht haben wollen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)