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Alexander Dobrindt: Der Élysée-Vertrag ist die Herzkammer unserer Freundschaft

Rede zu "55 Jahre Élysée-Vertrag"

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble! Sehr geehrter Herr Präsident der französischen Nationalversammlung, François de Rugy! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland und Frankreich sind das pulsierende Herz Europas, und der Élysée-Vertrag ist die Herzkammer unserer Freundschaft. Nach verheerenden Kriegen markierte der erste deutsch-französische Freundschaftsvertrag eine echte Epochenwende. Aus Erbfeinden wurden Partner, Freunde und Wegbereiter für eine der größten Errungenschaften der Neuzeit, die Europäischen Union.

Der Élysée-Vertrag hat unsere Völker zusammengeführt, unsere Kräfte in den Bereichen Wirtschaft, Verteidigung, Verwaltung gebündelt und zu einem regen Austausch zwischen unseren Gesellschaften geführt. Dass wir diesen Vertrag heute bekräftigen und erneuern, ist ein starkes Signal. Es zeigt: Die deutsch-französische Freundschaft lebt. Ihr Herz schlägt im Deutschen Bundestag, ihr Herz schlägt in der französischen Nationalversammlung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann nur sagen: Wer dies bezweifelt, sehr geehrter Herr Gauland, der beweist nur, dass ihm die notwendige Ernsthaftigkeit für diese Debatte fehlt, ja, dass ihm der Anstand fehlt, dieser großen Stunde der Parlamente gerecht zu werden.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie sich gesagt sein: Der Élysée-Vertrag war und ist kein Wegbegleiter zu einem europäischen Nationalstaat. Er ist ein stolzes Bekenntnis zur Freundschaft zweier Nationalstaaten, zur Souveränität unserer Länder in Frieden und Freiheit – damals wie heute.

Ich kann Ihnen versichern: Wir brauchen beim besten Willen von Ihnen keine Nachhilfe zum Erbe von Adenauer und de Gaulle. Wir brauchen diese Nachhilfe nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der AfD)

Wir kämpfen für ein friedliches Europa der Vaterländer und der Regionen. Sie wollen zurück zu einem stumpfen Nationalismus und zur Abschottung. Das ist das Gegenteil von dem, was de Gaulle und Adenauer wollten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der AfD – Lachen des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD])

Charles de Gaulle hat Adenauer einmal ein gemeinsames Foto geschenkt und darauf die Widmung geschrieben: Es lebe die deutsch-französische Union. – Konrad Adenauer hat das Foto daraufhin Franz Josef Strauß gezeigt und gesagt: Herr Strauß, das ist Ihre Aufgabe. Ich werde es nicht mehr erleben und nicht mehr schaffen, die deutsch-französische Union zu verwirklichen. Das vermache ich Ihnen.

Franz Josef Strauß hat gemeinsam mit vielen anderen dieses Erbe angenommen und Zeit seines Lebens dafür gekämpft, Deutschland und Frankreich zusammenzuführen, weil er genau wusste: Deutschland und Frankreich haben nur gemeinsam eine starke Zukunft. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Wir können in der Tat nur erfolgreich sein, wenn Deutsche und Franzosen einander kennen und einander verstehen, zusammenstehen und zusammen arbeiten, politisch gemeinsam handeln und wirtschaftlich miteinander handeln.

(Beifall des Abg. Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU])

Wie das konkret aussehen kann, haben wir an vielen Stellen gezeigt, auch mit dem großen Projekt des Airbus. Alleine hätten weder deutsche noch französische Flugzeughersteller eine Chance auf dem Weltmarkt gehabt. Zusammen haben wir einen europäischen Champion geschaffen. Damals waren übrigens viele skeptisch; man hat von einem Milliardengrab und einem Prestigeprojekt ohne Zukunft gesprochen. Heute ist Airbus neben Boeing der größte Flugzeugbauer der Welt, Technologieführer in vielen Bereichen und Wirtschaftsmotor für Deutschland und Frankreich.

Das zeigt ganz klar: Wir dürfen das Feld nicht den Angstmachern und den Fortschrittsverweigerern überlassen. Wir brauchen den Geist der Innovation, den Willen zum Fortschritt und den Mut zur Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Genau dafür steht der Élysée-Vertrag, und genau das ist das Signal des heutigen Tages.

Wir haben in der vergangenen Zeit viel über die Krisensituationen in Europa gesprochen, und wir haben weniger über die Zukunftsvisionen für Europa gesprochen. Wir setzen heute ein klares Zeichen dafür, die Zukunftsvisionen in den Mittelpunkt zu stellen und das nächste Kapitel der deutsch-französischen Erfolgsgeschichte zu schreiben.

Wir stehen vor der größten Herausforderung aller Zeiten, auch technologisch. Mit der Digitalisierung erleben wir eine der größten Innovationsphasen in der Geschichte der Menschheit und eine echte Substanzrevolution für Wirtschaft und Gesellschaft. Damit verbunden ist ein neuer Wettbewerb auf der Welt, nicht nur von Unternehmen, sondern auch von Regionen in der Welt mit neuen Machtzentren in den USA und in Asien. Dabei ist allerdings noch nicht entschieden, wer zukünftig erfolgreich sein wird. Klar ist aber: Wer nicht komplett digitalisiert, der verliert. Deswegen ist die Digitalisierung die Nagelprobe für das Wohlstandsprojekt Europa. Diese Nagelprobe kann nur von den beiden größten Volkswirtschaften Europas, von Deutschland und von Frankreich, gemeinsam bestanden werden.

Wir haben uns ja schon auf den Weg gemacht. Ich nenne das Beispiel des automatisierten und vernetzten Fahrens. Die mit Abstand meisten Patente für diese Zukunftstechnologie kommen aus Europa, genauer aus Frankreich und aus Deutschland. Als ehemaliger Bundesverkehrsminister habe ich gemeinsam mit meinem französischen Kollegen zwischen Merzig und Metz die erste grenzüberschreitende digitale Testfeldsituation für das automatisierte Fahren gestartet. Auf dieser Strecke bringen wir die Technologie aus den Laboren in den realen Verkehr. Das ist als grenzüberschreitendes Projekt einmalig. Wir sichern uns damit die Innovationsführerschaft, auch bei so einer Schlüsseltechnologie.

Der nächste Innovationssprung ist die künstliche Intelligenz. Die künstliche Intelligenz wird unsere Industrie und die Art, zu wirtschaften und zu produzieren, grundlegend revolutionieren. Ich will erreichen, dass wir in Europa, dass Deutschland und Frankreich auch in diesem Feld führend sind. Deswegen haben wir eine Vereinbarung getroffen, dass wir gemeinsam – Deutschland und Frankreich – ein Forschungszentrum für künstliche Intelligenz einrichten wollen.

(Beifall des Abg. Michael Theurer [FDP])

Das sind grenzüberschreitende Einrichtungen, die notwendig sind, um als Europäer technologisch und wirtschaftlich auf der Welt führend zu bleiben und den Wettbewerb mit der Welt aufzunehmen. Wir wollen, dass nicht nur im Silicon Valley oder in China die Arbeitsplätze und die Wertschöpfung der Zukunft entstehen, sondern auch bei uns – in Bordeaux, in München, in Straßburg, in Saarbrücken. Wir schaffen den digitalen Airbus, wir schaffen das Forschungszentrum für künstliche Intelligenz.

In Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen, entscheidet sich unsere wirtschaftliche, aber auch unsere gesellschaftliche Zukunft. Das ist der Geist der Erneuerung des Élysée-Vertrags zwischen Frankreich und Deutschland. Insofern richte ich ein Dankeschön an alle Kollegen aus der Nationalversammlung, an die Kollegen aus dem Bundestag und vor allem an die Menschen in Frankreich und in Deutschland, die jeden Tag diese Freundschaft pflegen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)