
„Deutschland und Frankreich haben besondere Verantwortung“
Andreas Jung über den ersten deutsch-französischen Ministerrat seit Beginn der Corona-Krise
Der deutsch-französische Ministerrat kommt normalerweise halbjährlich zusammen. Wegen der Corona-Krise musste er 2020 pausieren. Am Montag haben beide Seiten erstmals seit Herbst 2019 wieder Gelegenheit, europapolitische und internationale Fragen zu besprechen sowie bilaterale Projekte voranzubringen. Dazu ein Gespräch mit dem Co-Vorsitzenden der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (DFPV), Andreas Jung.
Herr Jung, welche deutsch-französischen Projekte sind derzeit besonders dringlich oder zukunftsweisend?
Jung: Nach der coronabedingten Pause ist die Themenliste lang und vielfältig. Neben aktuellen internationalen Fragen sowie europapolitischen Themen stehen bilaterale, deutsch-französische Vorhaben im Vordergrund. Gut zwei Jahre nach Unterzeichnung des Vertrags von Aachen ist es an der Zeit, eine erste Bilanz der Umsetzung der vereinbarten Vorhaben zu ziehen und die deutsch-französische Agenda mit neuen konkreten Projekten weiterzuentwickeln. Als DFPV haben wir hier viele Vorschläge gemacht, z.B. den Ausbau grenzüberschreitender regionaler Bahnverbindungen und der Verbindung Berlin-Paris, die Einrichtung eines deutsch-französischen Zentrums für Künstliche Intelligenz und die Erarbeitung eines deutsch-französischen Wirtschaftsgesetzbuchs. Darüber hinaus muss es natürlich auch um die weitere Abstimmung in der Corona-Krise gehen.
Gemeinsame Projekte voranbringen
Deutschland und Frankreich waren die Initiatoren des Wiederaufbaufonds Next Generation EU, den inzwischen alle Mitgliedstaaten ratifiziert haben. Wozu dienen die Finanzmittel, die noch im Juni fließen sollen?
Jung: Mit dem europäischen Wiederaufbaufonds wollen wir für wirtschaftlichen Wiederaufschwung nach der Krise in Europa sorgen und dabei die Weichen für nachhaltiges Wachstum stellen. Es geht um Investitionen in unsere gemeinsame europäische Zukunft. Im vergangenen Sommer haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron vereinbart, mit den Deutschland und Frankreich zugewiesenen Mitteln auch gemeinsame Projekte in Zukunftstechnologien voranzubringen. Das muss jetzt zügig und ambitioniert umgesetzt werden.
Wie steht es um die deutsch-französische Zusammenarbeit beim „Green Deal“, dem großen Klimaschutzprojekt der EU?
Jung: Die Umsetzung des Green Deal als umfassende Strategie für nachhaltiges Wachstum ist eine Mammutaufgabe. Es geht darum, ambitionierten Klimaschutz mit wirtschaftlicher Stärke und sozialem Ausgleich zusammenzubringen. Deutschland und Frankreich kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. In der DFPV hat sich eine Arbeitsgruppe mit dem Thema beschäftigt und viele konkrete Vorschläge vorgelegt, die wir bei unserer nächsten Sitzung beschließen wollen. Dazu zählt z. B. eine Stärkung des Emissionshandels in Europa und der Ausbau der Zusammenarbeit bei der Umsetzung der europäischen Wasserstoffstrategie. Wir stehen klar hinter dem Ziel der Klimaneutralität und unterstützen die auf dem Weg dahin festgelegten Reduktionsschritte.