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Monika Grütters: Die Kultur hat eine elementare Bedeutung für unsere Demokratie

Generaldebatte Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt (Epl. 04)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Kultur. Diese hat ja oft befriedende Qualitäten und spielt – zumindest glauben wir daran – auch auf der politischen Bühne eine Vermittlerrolle.

Wie viele von Ihnen habe ich in den vergangenen Wochen Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes über die Zukunft nicht nur dieses Landes, sondern auch Europas geführt. Wie viele – vielleicht auch viele von Ihnen – habe ich dabei lebhafte Diskussionen, aber auch leidenschaftliche Plädoyers für Europa erlebt und von visionären Ideen und beispielhaften Projekten erfahren, die mich echt berührt und begeistert haben.

Sehr bewegt hat mich eine Erzählung einer Gymnasiallehrerin aus Brandenburg, die im Rahmen eines Projekts zum Ersten Weltkrieg mit ihren Schülerinnen und Schülern an der traditionellen jährlichen Gedenkveranstaltung in einer französischen Kleinstadt teilgenommen hat. Dort sangen die deutschen Jugendlichen gemeinsam mit einer französischen Schulklasse ein französisches Lied. Sie hatten das vorher extra auch auf Französisch geübt. Im Anschluss daran haben sie die Namen der französischen Gefallenen vorgelesen. Für die Lehrkräfte, für die Schülerinnen und Schüler und für die anwesenden Nachfahren gefallener Soldaten aus den Weltkriegen war das sicher nicht nur ein bewegender, ein sehr emotionaler Moment. Er ist vor allen Dingen auch ein Beweis dafür, wie wertvoll nicht nur das Reden übereinander, sondern der Austausch sein kann, der eben auch das Bewusstsein für unsere gemeinsame europäische Kultur und Geschichte, für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und für die Zukunft Europas beschreibt.

Genau diesem Geist und dieser Überzeugung geschuldet haben wir das Kulturkapitel im Koalitionsvertrag dieser Legislaturperiode überschrieben mit „Kulturelle Vielfalt und gesellschaftlicher Zusammenhalt“. Dazu, meine Damen und Herren, gehört eben auch eine Erinnerungskultur, die verbindet und die uns allen vor Augen führt, dass wir, wenn wir uns unseren Nachbarn öffnen und wenn wir dem anderen nicht mit Abwehr, sondern mit Neugier und mit Offenheit begegnen, Grenzen überwinden können und zusammenwachsen zu dem, was Europa ausmacht: zu einer Einheit in Vielfalt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es muss, glaube ich, unsere Aufgabe sein, eben genau eine solche Erinnerungskultur systematisch zu unterstützen. Wir alle – insbesondere natürlich die junge Generation; aber ich glaube, das richtet sich auch immer wieder und regelmäßig an uns selbst – können durch die Auseinandersetzungen mit dieser gemeinsamen Geschichte lernen. Deshalb sollen im Sinne einer Stärkung der Erinnerung an die Folgen von Diktatur und Gewaltherrschaft, so wie es im Koalitionsvertrag steht, Jugendliche mit einem neuen BKM-Programm „Jugend erinnert“ künftig noch besser und mit nachhaltigen Projekten an Gedenkeinrichtungen und unsere Geschichte herangeführt werden.

Gemeinsam mit den Leitern dieser Gedenkstätten entwickeln wir gerade ein Konzept für nachhaltige Verbindungen zwischen den Erinnerungsorten und Schülern, Studierenden, angehenden Lehrern, aber auch Institutionen in der Nachbarschaft. Dafür stehen in der Anlaufphase zunächst einmal 2 Millionen Euro zur Verfügung. Das Programm geht übrigens Hand in Hand mit einer Stärkung der pädagogischen Arbeit, die an den Gedenkstätten ohnehin schon geleistet wird. Dafür haben wir noch einmal 1,6 Millionen Euro vorgesehen und mehr als 20 neue Stellen geschaffen.

Auch über den Etat zur Erinnerungskultur hinaus freue ich mich über den Regierungsentwurf zum Kultur- und Medienhaushalt 2019, der noch eine Steigerung unseres Etats vorsieht. Lassen Sie mich kurz zwei, drei Veränderungen benennen:

Gerade die Bundeskulturfonds – lieber Herr Grundl, Sie haben das eben angesprochen – fördern ganz gezielt Projekte der kulturellen Verständigung, aber natürlich auch der Integration und kulturellen Bildung, außerdem viele großartige Vorhaben, Werke und Kreative aus den Bereichen bildende und darstellende Kunst, Literatur, Musik und Soziokultur. Dass die Bundeskulturfonds für ihre Arbeit zusätzliche 5 Millionen Euro bekommen – eine Fortschreibung der Initiative aus dem Parlament vom vergangenen Jahr –, ist ein wichtiges Signal für die Kulturszene – nicht nur für die Institutionen, sondern gerade auch für junge, aufstrebende, zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler und für das, was wir freie Szene nennen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie bereits in der Haushaltsdebatte im vergangenen Mai hier angekündigt, wird auch das Humboldt Forum weiter gestärkt. Es ist klar: Wenn wir über Verständigung, Weltoffenheit, Begegnung und Miteinander und nicht über Abschottung reden, geht es auch um das Humboldt Forum – ein Ort der Verständigung in Europa, über Europa und über die Welt, ein Ort der Begegnung und des interkulturellen Dialogs. Wir sind auf der Zielgeraden, wir können es im kommenden Jahr eröffnen – Sie sehen, dass die Gerüste gefallen sind und dass das mehr ist als nur ein Versprechen.

Ich glaube, dass wir dann endlich unsere Einladung an jeden, der dieses Haus besucht, wahrmachen können, Weltbürger zu sein. Das Humboldt Forum löst übrigens ein zweites Versprechen schon vor seiner Eröffnung ein: Es wirkt wie ein Katalysator öffentlicher Debatten, in diesem Fall – Sie alle wissen das – vor allen Dingen über die Aufarbeitung der Zeit des Kolonialismus und über den Umgang mit Beständen aus kolonialen Kontexten in Sammlungen und Museen. Ich finde es gut, dass die Zeit des Kolonialismus, die ja noch länger her ist als die Zeit der Weltkriege, so jetzt endlich ins breite öffentliche Bewusstsein gelangt ist. Ihre Aufarbeitung ist ein wichtiges Ziel der Regierung in dieser Legislaturperiode. Allein für die Provenienzforschung, also nur für den Bereich, der die Museen und Sammlungen betrifft, habe ich 3 Millionen Euro vorgesehen. Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt – Frau Müntefering ist da – entwickeln wir Formen des Umgangs mit den Herkunftsgesellschaften. Sie haben gerade wichtige Human Remains nach Namibia zurückgegeben – in Anerkennung vielfachen Unrechts der Kolonialzeit und im Interesse einer guten gemeinsamen Zukunft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Auch das eröffnet uns einen weiten Blick auf die Welt.

Zum Schluss, meine Damen und Herren, ein Hinweis auf eine der größten einzelnen Veränderungen in meinem Haushalt, bei der Deutschen Welle, die in diesem Jahr ihr 65. Jubiläum feiert – manche erinnern sich noch an die Festveranstaltung im Paul-Löbe-Haus. Die Deutsche Welle soll gegenüber den bisherigen Planungen 33 Millionen Euro mehr bekommen. Dann wächst der Haushalt auf 350 Millionen Euro an, und wir nähern uns damit langsam vergleichbaren europäischen Auslandssendern. Die Deutsche Welle ist deshalb so wichtig, weil sie eine unverzichtbare weltweite Vermittlerin der Meinungs- und Pressefreiheit ist, eine wichtige Botschafterin universeller Werte, die auf dem Niveau vergleichbarer anderer Sender weltweit eine Rolle spielt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Martin Rabanus [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gucke immer hier auf diese Uhr mit meiner Redezeit. – Ich freue mich, dass wir erneut meinen Kulturetat um ungefähr 6 Prozent steigern konnten. Warum? Weil es natürlich eine schöne Bestätigung und Ausdruck der Wertschätzung der auf Bundesebene verantworteten Kulturpolitik ist, und das im 20. Jahr des Bestehens des Amtes der BKM.

Kunst und Kultur sind frei. Sie sind Grundlage unserer offenen, demokratischen Gesellschaft und damit wichtiger Teil unseres Landes, das sich seit seiner Gründung im Herzen Europas nicht nur als Wirtschaftsmacht und Sozialstaat, sondern gerade auch als starker Kulturstaat versteht.

So heißt es im aktuellen Koalitionsvertrag. Noch in keinem vorherigen Koalitionsvertrag hat es ein so vehement und ausführlich formuliertes Bekenntnis zur elementaren Bedeutung der Kultur für unsere Demokratie und zu einer vielfältigen, in der Auseinandersetzung mit anderen gereiften, einzigartigen Kulturlandschaft Deutschlands gegeben wie in der zehnseitigen Passage zu Kunst, Kultur und Medien im aktuellen Koalitionsvertrag. In diesem Sinne bitte ich Sie um Unterstützung für den Haushaltsentwurf für Kultur und Medien.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)