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Matthias Hauer: "Volle Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher"

Rede zu Dispozinsen

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute einen Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema „Deckelung von Dispozinsen“. So oft, wie Die Linke hier ähnliche Anträge gestellt hat – stets mit derselben staatsgläubigen Forderung, dass die Dispozinsen durch einen staatlichen Eingriff gedeckelt werden sollen –, ist der Antrag ja schon ein Klassiker. Zuletzt haben wir im Februar 2019 hierüber diskutiert, und natürlich wollen Sie auch im Wahljahr nicht auf diesen Klassiker verzichten.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie können Ihr Mandat auch niederlegen! Sie müssen nicht im Bundestag sein, Herr Hauer, wenn Sie nichts regulieren wollen und keine Gesetze machen wollen!)

– Wir stellen zumindest ab und zu mal unterschiedliche Anträge; Sie beschränken sich ja darauf, immer dasselbe zu beantragen. Dazu aber gleich im Detail mehr.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Einige politische Mitbewerber scharren jetzt mit den Hufen, zum Beispiel gehen das Positionspapier der SPD von Mitte Dezember und auch die Forderung der Grünen in der „Bild“-Zeitung vom 29. Dezember ja in ähnliche Richtungen. Neu daran ist ausschließlich, dass Sie das diesmal mit der Coronapandemie begründen.

Viele Menschen bangen in der Pandemie um ihre wirtschaftliche Existenz. Wir haben im Bundestag beispielsweise mit der Unterstützung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch mit Hilfen für mittelständische Betriebe tatkräftige Hilfen beschlossen. Wir alle hier schauen sehr genau hin, welche Hilfen ankommen und wie existenzielle Nöte verhindert werden können.

Gerade in einer solchen schweren Zeit klingen „Bild“-Schlagzeilen wie „Grünen-Chef will Dispo-Abzocke stoppen“ auf den ersten Blick natürlich erst mal recht sympathisch.

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind auch richtig!)

Schauen wir uns das aber mal im Detail an.

Das Volumen dieser Überziehungskredite ist in den zurückliegenden Monaten keinesfalls gestiegen, wie man nach der Lektüre des Antrags der Linken vermuten könnte. Im Gegenteil erleben wir seit Langem einen kontinuierlichen Rückgang. Aktuell haben wir in diesem Bereich sogar das niedrigste Kreditvolumen seit fast 20 Jahren. Ein Coronaeffekt ist jedenfalls derzeit nicht erkennbar und sollte daher auch nicht zur Aufwärmung Ihrer altbekannten Forderung angeführt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber auch unabhängig von der Pandemie gibt es vieles zu Ihrem Antrag zu sagen:

Wozu dient ein Dispokredit? Er muss nicht gesondert beantragt werden und ist meist bereits im Girovertrag enthalten. Er ist erst mal eine bequeme und flexible Möglichkeit, einen kurzfristigen finanziellen Engpass aufzufangen. Niemand fragt nach der Verwendung des Geldes, nach den zusätzlichen Sicherheiten oder nach einer aktuellen Bonitätsprüfung. Dass diese Flexibilität und das höhere Ausfallrisiko über den Zins vergütet werden müssen, dürfte Konsens sein.

Der Wettbewerb bringt auch Ausreißer nach oben mit sich. Eine Grenze dafür wird schon durch § 138 BGB gezogen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir sind in einer Minuszinsphase, Herr Kollege!)

Auch Dispozinsen dürfen nicht gegen das Wucherverbot verstoßen. Das wissen auch Sie. Eine darüber hinausgehende Deckelung der Dispozinsen durch staatlichen Eingriff lehnen wir deshalb auch ab.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unverständlich!)

Vizepräsident in Claudia Roth:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Herrn Liebich?

 

Matthias Hauer (CDU/CSU):

Sehr gerne.

Vizepräsident in Claudia Roth:

Gut. – Herr Liebich, bitte.

 

Stefan Liebich (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Hauer, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Der Leitzins der Europäischen Zentralbank liegt ja im Moment bei minus 0,5 Prozent, und ich habe vorhin gesagt, der Durchschnittssatz der Dispozinsen – der Durchschnitt; es geht nicht um Exzesse – liegt im Moment bei 10 Prozent.

(Stefan Keuter [AfD]: 9,72!)

Mich interessiert ganz konkret: Finden Sie das angemessen?

(Beifall bei der LINKEN)

 

Matthias Hauer (CDU/CSU):

Das war schon die Frage? – Da hätte ich jetzt mehr von Ihnen erwartet; denn das geht ja nicht über das hinaus, was Sie schon in Ihrer Rede gesagt haben. Ich werde jetzt einfach das, was ich gleich sagen wollte, in meine Antwort einbauen; so spare ich Redezeit.

Ich kann Ihnen sagen, dass niedrige Dispozinsen nur eine Seite der Medaille sind, was Verbraucherinnen und Verbraucher interessiert. Verbraucherinnen und Verbraucher interessieren sich dafür, aber sie interessieren sich zum Beispiel auch für niedrige Kontoführungsgebühren, für kostenloses Geldabheben oder das Vorhandensein vieler Geldautomaten. Wir wollen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher selbst entscheiden sollen, welche Kriterien bei ihrer Kontoauswahl maßgeblich sind; da sollte man sich nicht auf nur ein Kriterium konzentrieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Anstatt in die Vertragsfreiheit einzugreifen, wollen wir volle Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher, damit sie die für sie günstigsten und passendsten Angebote herausfinden können. Sie hatten es schon erwähnt, Herr Kollege Liebich: Für diese Transparenz gibt es bekanntlich seit August letzten Jahres ein Angebot, nämlich eine TÜV-zertifizierte Vergleichswebsite nach dem Zahlungskontengesetz, das wir hier beschlossen hatten, über Check24; Sie haben das gerade angesprochen. Ich habe das für die Zuschauerinnen und Zuschauer auf meiner Homepage und meinen Seiten der sozialen Netzwerke entsprechend verlinkt, sodass sie direkt zu dieser Seite kommen können.

Natürlich muss man genau hinschauen. Sie haben es gerade schon angesprochen: Es gibt auch Vergleichswebsites, wo entsprechende Vergütungen gezahlt werden und wo auch nicht immer das beste Angebot oben steht. Es gibt aber auch eine TÜV-zertifizierte Seite,

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das ist doch keine private Aufgabe! Das ist staatliche Aufgabe!)

und anstatt Unklarheit zu säen, sollten Sie lieber darauf hinweisen und zur Transparenz beitragen. Das haben Sie mit Ihrem Beitrag gerade jedenfalls nicht getan.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie können diese Vergleichswebsite im Übrigen auch gut per Suchmaschine finden, und Sie werden feststellen, dass es auch zahlreiche Institute gibt, die moderate Dispozinsen anbieten. Warum es allerdings zwei Jahre dauern musste, bis wir eine solche Vergleichswebsite – 2018 trat dieser Teil des Zahlungskontengesetzes in Kraft – endlich auf den Weg gebracht haben, müssen Sie den Bundesfinanzminister fragen.

Die Verschuldung und die Überschuldung von Menschen ist ein ernsthaftes Problem, das leider zu viele Menschen in Deutschland betrifft. Die staatliche Deckelung der Dispozinshöhe ist jedoch kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung dieses Problems. Wenn Sie durch Deckelung der Dispozinsen dafür sorgen, dass Banken die Kontoführungsgebühren erhöhen oder Bargeldabhebungen verteuern, erweisen Sie den meisten Kunden, auch denen mit kleinem Geldbeutel, einen Bärendienst.

Überziehungskredite dienen ausschließlich dazu, einen kurzfristigen Liquiditätsengpass auszugleichen, und so nutzen die allermeisten Bankkunden den Dispo entweder gar nicht oder nur ganz wenige Male im Jahr, jedenfalls nur für eine kurze Zeitspanne, und für Beträge von wenigen 100 Euro. Meist wird die Überziehung noch im selben Monat ausgeglichen, und die Zinsen, die dafür anfallen, liegen bei wenigen Euro.

Wir haben bereits in der letzten Legislaturperiode den Banken Informations- und Beratungspflichten auferlegt, falls Kundinnen und Kunden mehrere Monate den Überziehungskredit beanspruchen. Damit können die kostengünstigeren Alternativen zum Überziehungskredit aufgezeigt werden. Es kann auch auf entsprechende Beratungseinrichtungen hingewiesen werden.

Diese Transparenz, die freie Kundenentscheidung und die Beratungspflichten der Bank sind der richtige Weg.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)