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Julia Klöckner: Dieser Haushalt ist gelungen, und zwar weil wir für soziale Fairness sorgen

Redebeitrag in der Haushaltswoche zum Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! „Wo ein Wille ist, ist an dieser Stelle auch ein rechtkonformer Weg“: Ich muss sagen, das ist eine sehr kreative Interpretation, Herr Kollege Lindner. Ich glaube kaum, dass Sie vor einem deutschen Gericht oder vor dem EuGH damit durchkämen.

(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen wir mal!)

Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Solche Debatten sind auch für Nicht-Agrarpolitiker wie Sie eine Chance, dazuzulernen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb bin ich ganz dankbar, dass Sie vor mir geredet haben, weil Sie jetzt wirklich die Chance haben, lieber Herr Lindner, sich ein bisschen auch ins EU-Recht zumindest hineinzufühlen, auch wenn Sie es nicht verstehen wollen.

(Heiterkeit des Abg. Frank Sitta [FDP])

EU-Recht hat nichts mit Kreativität zu tun, sondern mit rechtlicher Verlässlichkeit.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Konformität!)

Es ist hochinteressant, dass Sie uns jetzt anraten – das muss man sich erst mal vorstellen –, man solle doch das Tierwohlkennzeichen auf so niedriger Stufe ansetzen – also keinen Anspruch an das Tierwohl haben –, dass man irgendein Tierwohlkennzeichen hat, mit dem man in Europa durchkommt. Das hilft nur dann, wenn man formal Politik machen will, aber nicht, wenn man fürs Tierwohl etwas erreichen will.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das sind die Grünen: Sie sind immer wieder zu einer neuen Argumentation bereit, je nachdem, wie man es gerade braucht.

Herr Lindner, gerne erkläre ich Ihnen noch etwas zum Nutri-Score – man merkt, dass Europa nicht tagtäglich Ihre Ebene ist –: Es ist schon so, dass weder Frankreich noch Belgien noch andere Länder, die den Nutri-Score nutzen, ihn verpflichtend vorschreiben dürfen, weil der europarechtliche Rahmen nicht gegeben ist.

Wenn die Grünen jetzt glauben, dass in Europa das Mehrheitsprinzip nicht mehr gelten soll, sondern nur die Deutschen Rechte haben dürfen – ich warne vor solch einer Haltung –, dann kann man natürlich Ihre Argumentation bemühen und sagen: Weil Deutschland es will, muss ganz Europa das so tun, und abgestimmt wird nicht. – Also, das ist typisch Grün: Man ist so lange für Demokratie, bis die eigene Haltung zum Tragen kommt, und dann sind alle anderen hinfällig. – Davor warne ich, weil es auch mal in eine andere Richtung gehen könnte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dann will ich kurz – ich meine, Sie haben mir so eine schöne Vorlage gegeben, worüber ich mich wirklich sehr freue – noch etwas zur GAK sagen. Herr Lindner kommt aus dem wunderschönen Bundesland Rheinland-Pfalz. Jetzt muss ich sagen: Es gibt Bundesländer, die auch wunderschön sind: Bayern schöpft die GAK-Mittel aus; die wissen, was sie wollen. Ihr Bundesland, mein Bundesland aber, wo Ihre Grünen mit an der Regierung sind, lässt Gelder beim Bund liegen, nämlich von der GAK, und zwar mehrere Millionen Euro. – Also, das müssen Sie nicht mir zum Vorwurf machen. Reden Sie mal mit Ihren Grünen in Ihrem Land, lieber Herr Lindner.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn man sich diese Debatte anhört – Herr Lindner hat es angedeutet –, dann hört man darin schon zwei Richtungen. Es gibt die eine Richtung, die nach vorne geht, und es gibt die Richtung, wofür die Grünen stehen, die rückwärtsgerichtet ist, mit der simplen Gleichung: Kleine Ställe, kleine Höfe sind besser. Das ist eine ganz klare, simple Gleichung: je technikferner, desto ursprünglicher. Und was kleiner, besser und technikferner ist, das ist dann auch moralisch erhabener, und das soll dann auch nachhaltiger sein. – Ich muss Ihnen, Herr Lindner, und auch den Grünen sagen, dass Ihr Leitbild von romantischen Bauernhöfen weder nachhaltig noch ein Zukunftsversprechen für die junge Generation unter den Landwirten ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn eines ist auch klar: Wir können gerne mit Ihnen zurückschauen. Vor 500 Jahren gab es kleine Ställe, gab es viele kleine Höfe. Ja, da gab es wenige Tiere in den Ställen; aber die Ställe waren klein, in der Tat, dunkel, wenig durchlüftet, und mit Tierwohl hatte das kaum etwas zu tun. Das war auch eine Zeit, in der Hunger und Armut zum Alltag gehörten.

Deshalb sage ich: Wir machen ein anderes Angebot an die junge Generation. Wir schauen nicht nostalgisch zurück, wir schauen nach vorne. Wir machen klar: Ökologie, Ökonomie und die soziale Frage gehören zusammen, sind nicht gegeneinander zu denken, weil in Landwirtschaft auch der Begriff „Wirtschaft“ steckt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn von diesem Beruf müssen Menschen leben, sowohl diejenigen, die ihn ausüben, aber auch die anderen, die von den Produkten leben, und das sind wir alle, wir Verbraucherinnen und Verbraucher.

Deshalb übernimmt moderne Agrar- und Ernährungspolitik Verantwortung für die 80 Millionen Menschen, über die Sie hier überhaupt nicht gesprochen haben.

(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)

Sie haben über eines hier überhaupt nicht gesprochen: über das Thema Ernährungssicherung. Es ist auch ein Ausdruck von Hochmut, als Selbstverständlichkeit zu betrachten, dass Regale einfach immer nur voll sind. Deshalb betone ich: Das ist nicht selbstverständlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Erst wenn die Ernährung gesichert ist, können wir gemeinsam die Ziele verfolgen: die Biodiversität erhalten, die Klimawirkung weiter reduzieren – nicht gegeneinander, sondern zusammen. Denn unsere Bauern haben Fairness verdient, Fairness im Umgang, darin, wie sie angesprochen werden, dass sie nicht in Gute und Schlechte unterteilt werden.

Sie haben aber auch Fairness vom Handel verdient. Deshalb war es gut und richtig, dass wir gemeinsam auf gesetzlicher Ebene eine Regelung gegen unlautere Handelspraktiken getroffen haben. Ich bin zuversichtlich, dass wir unter der Moderation unseres Ministeriums einen Verhaltenskodex zwischen Handel und den Bauern hinbekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Denn am Ende wäre es vielleicht gar nicht schlecht für die Verbraucher, wenn sie auf den Verpackungen erkennen könnten, welcher Anteil des Verkaufspreises, des Erlöses, wirklich den Bäuerinnen und Bauern zugutekommt.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen wir schon lange!)

Deshalb sage ich auch sehr klar Danke schön an den Haushaltsausschuss, an die Große Koalition. Ich will an Frau Mittag als Vorrednerin auch Danke sagen – Sie haben es in Details dargestellt; deshalb will ich gar nicht exakt hineingehen – und vor allen Dingen an Christian Haase, der sich intensiv in die Themen nicht nur einarbeitet, sondern sie lebt und kennt und sie mit den ländlichen Räumen verbindet; denn wir bringen ländliche Räume voran. Uns geht es um die Lebensqualität in den ländlichen Räumen. Sie sind nicht die Kompensationsorte für die Wünsche der städtischen Bevölkerung. Das ist uns wichtig, deutlich zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb, sehr geehrte Damen und Herren, Folgendes: Dieser Haushalt der Großen Koalition gibt Antworten. Er polarisiert nicht weiter, wie das andere für ihr Weltbild tun, sondern er zeigt Lösungen auf. Um diese Lösungen umzusetzen, treibe ich Digitalisierung im Stall und Hightech auf dem Acker voran. Das ist kein Selbstzweck, sondern hilft, wichtige Ziele zu erreichen: Umwelt- und Klimaschutz sowie Tierschutz, aber gleichzeitig auch Einkommens- und Ernährungssicherung. Das ist nicht nachgeordnet, sondern das muss gleichzeitig gedacht, gleichzeitig geplant und auch gleichzeitig erzielt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Digitalisierung hilft, unsere natürlichen Ressourcen zu schonen, aber ist auch im Verbraucherinteresse. Digitalisierung erleichtert die harte Arbeit bäuerlicher Familien. Digitalisierung ist eine Investition ins Weitermachen, in eine zukunftsfähige Landwirtschaft, in die nächste Generation. Deshalb sage ich: Bauern machen Klimaschutz. Dazu versetzen wir sie in die Lage, und deshalb gestalten wir mit ihnen zusammen einen Umbauprozess. Sie bauen ihre Ställe um. Das geht aber nicht per Knopfdruck und nicht so, als wenn man sich etwas zu Weihnachten wünscht. Das sind Menschen, die ihre Ställe umbauen, die ein Interesse an ihren Tieren haben.

Wir sehen: Es hat noch nie eine so verdichtete, eine so klare Politik gegeben, wie wir in dieser Legislatur machen, um eindeutig einen nachhaltigen Umbau beim Ackerbau – Stichwort: Ackerbaustrategie – und bei der Tierhaltung – Stichwort: Borchert-Kommission – hinzubekommen, um am Ende das Ganze mit finanzieller Unterstützung und Innovation zu hinterlegen. Deshalb: Dieser Haushalt ist gelungen, und zwar weil wir für soziale Fairness sorgen.

Frau Ihnen, Sie haben es zwar hier nicht erwähnt, aber im Ausschuss haben Sie einen Antrag gestellt. 4,2 Milliarden Euro geben wir für die soziale Sicherung der Bauern aus; die FDP will das abschaffen. Das ist eine Entsolidarisierung mit dem bäuerlichen Berufsstand.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Das ist ja unglaublich!)

Auch das will ich sehr klar und deutlich machen. Mir ist wichtig, dass Landwirte auch abgesichert sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Wald ist erwähnt worden. Wir haben das größte Umbauprogramm mit Zertifizierung für nachhaltige Wälder in der Geschichte unserer Bundesrepublik gestartet, und wir sorgen dafür, dass wir mit der sogenannten Zukunfts- und Investitionsmilliarde das fördern, was am Ende eine Win-win-Situation ist. Das heißt: nur Maschinen, die weniger Pflanzenschutzmittel und weniger Düngemittel brauchen, aber dem Landwirt den Ertrag sichern.

Das sind Lösungen, nicht entweder/oder, nicht gegeneinander, nicht gut oder schlecht, sondern für die Zukunft, für die junge Generation. Dazu brauchen wir die Förderung der ländlichen Räume. Es gibt über 40 Modellprojekte hin zu einer modernen Mobilität in den ländlichen Räumen. Sie kommt den Menschen dort zugute, sie kommt den Landwirten dort zugute und zeigt Bleibeperspektiven auf. Darum geht es uns.

Darum geht es uns auch bei der Frage der Ernährung. Deshalb haben wir einen besonderen Blick auf Kinder, auf Senioren.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Kollegin, erlauben Sie eine – –

 

Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:

Wir verstetigen die Investitionen, und deshalb sage ich allen, die uns unterstützt haben, herzlichen Dank.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Erlauben Sie noch eine Zwischenfrage von Frau Ihnen?

 

Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:

Ja.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Ihnen.

 

Ulla Ihnen (FDP):

Frau Ministerin, Sie haben eben behauptet, die FDP habe in den Haushaltsberatungen einen Antrag gestellt, die gesamte landwirtschaftliche Sozialversicherung abzuschaffen. Da ich diesen Antrag nicht kenne, wäre ich sehr dankbar, wenn Sie ihn mir zuschickten, und dann können wir uns ja darüber unterhalten, wo Sie sich vielleicht in angemessener Form entschuldigen. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

 

Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:

Darf ich antworten?

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Ja, klar.

 

Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:

Liebe Frau Ihnen, wir beide wissen, dass Sie von der Eigenständigkeit der landwirtschaftlichen Sozialversicherung nicht viel halten, und wir zwei kennen uns auch von der Arbeit in den Ausschüssen. Regelmäßig, so auch dieses Mal, haben Sie wieder dafür plädiert, dass die Eigenständigkeit der landwirtschaftlichen Sozialversicherung keine Zukunft hat.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Unsinn!)

Deshalb will ich Ihnen sagen, dass wir als Christdemokraten uns dafür einsetzen, dass Bauern bei Krankheit, bei Unfällen und auch im Alter abgesichert werden.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Der Unterschied zwischen Altersversorgung und Unfallversorgung müsste Ihnen bekannt sein!)

Deshalb haben wir nicht gekürzt, so wie es die FDP will, sondern wir haben in die landwirtschaftlichen Krankenkassen sogar noch 30 Millionen Euro hineingegeben. Da gibt es eben auch Unterschiede: Sie legen Ihren Schwerpunkt auf etwas anderes; wir legen ihn darauf, Familien in sozial schwierigen Fällen oder Situationen zu unterstützen.

So kann man Politik unterschiedlich machen. Ich habe betont: Wir geben ein klares Bekenntnis für die Bauernfamilien ab.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Das ist unredlich!)