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Fritz Güntzler: Steuerpolitik muss wieder Standortpolitik werden

Fortsetzung der Aussprache zur Regierungserklärung Finanzen und Haushalt

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren, insbesondere auf der Zuschauertribüne! Ich will jetzt wegkommen von Europa, von den Ausgaben. Ich möchte mich einmal der Einnahmeseite zuwenden, nämlich der Steuerpolitik; denn ohne Steuereinnahmen kann all das, was hier besprochen wird, gar nicht gestaltet werden. Der Koalitionsvertrag vom 7. Februar 2018 enthält auf seinen 177 Seiten dazu eine ganze Menge. Mancher würde sich ein wenig mehr wünschen. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass wir zu dem, was nicht geregelt ist – so habe ich die Bundeskanzlerin in der Regierungserklärung verstanden –, noch einmal in die Diskussion eintreten, gerade wenn von außen Zwänge kommen und wir reagieren müssen.

Der Bundesfinanzminister hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir hohe Steuereinnahmen haben. Sie wachsen nach dem Arbeitskreis Steuerschätzung weiterhin. Grundlage sind ein solides Wachstum – inzwischen über elf Jahre – und eine hohe Beschäftigung in Deutschland. Aber das Ganze ist natürlich kein Selbstzweck. Wir müssen schauen, dass das so bleibt.

Wir haben – das finde ich wichtig als Kernaussage – im Koalitionsvertrag geregelt, dass es keine weitere bzw. höhere Steuerbelastung für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande geben soll. Das haben wir bereits vor vier Jahren im Koalitionsvertrag festgelegt und – man höre und staune – auch eingehalten. Wir haben sogar entlastet. Über 25 Milliarden Euro haben wir insbesondere Familien über ein erhöhtes Kindergeld und einen höheren Kinderfreibetrag zur Verfügung gestellt; aber auch den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, den man nicht gering schätzen sollte, haben wir erhöht.

(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Im Koalitionsvertrag sind prioritäre Maßnahmen enthalten; das ist heute mehrfach angesprochen worden. Wir haben uns eine Erhöhung des Kindergeldes um 300 Euro pro Jahr vorgenommen, was bis 2021 ungefähr 3,5 Milliarden Euro kosten wird. Wir haben die Einführung eines Baukindergeldes in Höhe von 1 200 Euro pro Kind und Jahr über zehn Jahre beschlossen für einen Neubau, aber auch einen Erwerb, weil wir wollen, dass die Wohneigentumsquote bei Familien weiter steigt. Daher ist es auch richtig, zu prüfen, ob wir den Ersterwerb grunderwerbsteuerfrei stellen können; die Grunderwerbsteuer ist mittlerweile zu einer hohen Belastung geworden, da die Steuersätze bis zu 6,5 Prozent betragen.

Wir haben auch die Abschaffung des Solidaritätszuschlages vereinbart. Darüber haben wir hier in der letzten Woche schon heftig diskutiert, auch heute ansatzweise. In der ersten Phase sollen 90 Prozent der Soli-Zahler entlastet werden. Das heißt logischerweise, dass 10 Prozent zunächst nicht entlastet werden. Darüber werden wir diskutieren müssen. Wir werden auch zügig darstellen müssen, wie die zweite Phase dieses Abbaupfades aussehen wird, insbesondere weil wir eine Lösung für unsere Kapitalgesellschaften brauchen; denn der Solidaritätszuschlag wird auch auf die Körperschaftsteuer erhoben, gilt also auch für kleine GmbHs. Wir brauchen hier ein Signal, wie wir sie entlasten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein weiterer Punkt, der meines Erachtens wichtig ist und über den wir schon oft diskutiert haben – er war auch schon im letzten Koalitionsvertrag enthalten; aber wir hatten nicht die Kraft, ihn umzusetzen –, ist die steuerliche Forschungsförderung. Ich glaube, es ist richtig, dass wir vereinbart haben, dass wir eine volumenorientierte steuerliche Forschungsförderung wollen, ausgerichtet an den Personalkosten für FuE oder an den Auftragskosten, etwa in Höhe von 10 Prozent. Wir sollten noch einmal in diese Diskussion einsteigen. Im Koalitionsvertrag steht, dass wir die Forschungsförderung insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen wollen. Ich glaube, es lohnt, zu schauen, ob wir uns das nicht für die ganze Wirtschaft leisten können und sollten, vielleicht auch mit einer Deckelung bei größeren Unternehmen mit Blick auf die Personalkosten. Ich glaube, für den Standort Deutschland wäre es insgesamt gut, eine steuerliche Forschungsförderung in voller Breite zu haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden auch beim Bürokratieabbau noch einiges leisten. Wir haben zum Beispiel vorgesehen, dass Gründungsunternehmen von Bürokratie entlastet werden, indem sie in den ersten zwei Jahren keine Umsatzsteuervor­anmeldung abgeben müssen. Für den Bürger wollen wir bis zum Jahr 2021 eine vorausgefüllte Steuererklärung schaffen. In der letzten Legislaturperiode haben wir mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens schon einiges erreicht. Die Steuerpflichtigen können jetzt ihre Steuererklärung ohne lästige Belege einreichen; nur auf Nachfrage muss der Beleg nachgereicht werden.

Wenn wir einen Blick auf die Steuerpolitik der letzten Legislaturperiode werfen, fällt auf, dass sie sehr geprägt war von Maßnahmen gegen Steuermissbrauch und aggressive Steuergestaltung, und das völlig zu Recht. Wir haben viel geleistet, insbesondere Minister Schäuble, der den OECD-Prozess hinsichtlich des BEPS-Verfahrens eingeleitet hat, welches wir in Deutschland, wenn ich an die Lizenzschranke denke, schon teilweise umgesetzt haben. Wir müssen nur aufpassen, dass wir nicht der beste OECD-Partner sind, der den BEPS-Prozess mit den 15 Aktionsplänen umsetzt, und andere Länder sich langsam in die Post-BEPS-Zeit bewegen und nichts umsetzen. Von daher brauchen wir auch Fairness. Alle, die sich dort beteiligt haben, müssen sich auch im Ergebnis weiter beteiligen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir haben in diesem Zusammenhang die Anzeigepflichten für ausländische Investitionen verschärft. Wir haben das berühmte Kassengesetz eingeführt, weil wir erlebt haben, dass es erhebliche Manipulationen von Registrierkassen gegeben hat.

(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Genau! Das müssen wir noch besser machen!)

Wir haben schon eine ganze Menge auf den Weg gebracht. Auch im Koalitionsvertrag sind die Punkte wieder adressiert: Steuerhinterziehung, Steuerbetrug, Steuervermeidung. Mir ist wichtig, zu sagen: Steuergestaltung ist erlaubt. Ich bin von Hause aus Steuerberater. Von daher ist es in gewisser Weise, damit ich mich keinen Haftungsansprüchen ausgesetzt sehe, mein Auftrag, Steuergestaltung zu machen, aber selbstverständlich im Rahmen, den wir als Gesetzgeber vorgeben.

Was Europa anbelangt, werden wir die ATAD-Richtlinie in deutsches Recht umsetzen müssen. Da müssen wir übrigens gar nicht so viel tun, weil wir in den entsprechenden Bereichen schon viel gemacht haben. Wir müssen bei der Umsetzung der ATAD-Richtlinie aber auch schauen, inwiefern wir Dinge zurückschrauben können; denn wir zielen in Deutschland manchmal über das Ziel hinaus. Wir sollten bei der Umsetzung europäischer Richtlinien nicht immer nur an Verschärfungen denken, sondern auch an Erleichterungen, die wir für unsere Unternehmen durchsetzen können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, bei allem ist weiterhin Augenmaß angesagt, damit wir keine Kollateralschäden in der Wirtschaft erzeugen. Wir sollten, weil einer sich falsch verhalten hat, nicht auch alle anderen bestrafen, wie es früher in der Schule passiert ist, sondern schauen, wie wir die Dinge zielgenau und effizient umsetzen können.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: In welcher Schule waren Sie denn? In meiner Schule war es nicht so, dass alle bestraft wurden!)

– Ja? Gut, dann haben Sie Glück gehabt. Bei mir war es anders. Ich war aber nicht der eine.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber das ist ein anderes Thema.

Wir werden uns auch, lieber Kollege Binding – das ist ein Punkt, der nicht im Koalitionsvertrag angesprochen ist –, über den internationalen Steuerwettbewerb unterhalten und darüber diskutieren müssen. Herr Minister, ich nehme an, da habe ich Sie an meiner Seite; denn wir können nicht einfach ausblenden, was da passiert. Man mag den „Race to the bottom“ – wie es so schön heißt – kritisieren und sagen: Wir wollen keinen Wettbewerb. – Aber wenn der Wettbewerb da ist, müssen wir uns ihm stellen, damit wir keine Arbeitsplätze und Investitionen in Deutschland verlieren. Wenn ich mich umschaue und sehe, dass der Steuersatz in den USA bei 21 Prozent plus lokale Steuern – in Texas übrigens 0 Prozent – liegt, in Frankreich bei 25 Prozent, in Belgien bei 25 Prozent, im Vereinigten Königreich bei 17 Prozent, dann ist klar, dass wir in Zukunft den höchsten Steuersatz aller führenden Industrieländer haben werden. Das ist ein Nachteil für den Standort Deutschland. Von daher werden wir hier handeln müssen, wie wir es übrigens 2008 schon einmal in einer Großen Koalition gemacht haben. Herr Steinbrück hatte es damals zu verantworten – das meine ich im positiven Sinne –, dass wir die Unternehmenssteuern um fast 10 Prozent gesenkt haben. Von daher könnte die Unternehmenssteuerreform 2008 ein gutes Beispiel dafür sein, wie wir den Standort Deutschland weiterentwickeln können.

Steuerpolitik – das ist mein Schlusswort, meine Damen und Herren – muss auch wieder Standortpolitik werden. Wir haben einen guten Standort. Damit es ein guter Standort bleibt, brauchen wir gute Voraussetzungen, um im Steuerwettbewerb bestehen zu können.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)