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Fritz Güntzler: Insgesamt ist Augenmaß angebracht

Redebeitrag zum Neustart für eine aktive Finanzaufsicht

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zum Abschluss der Woche beschäftigen wir uns mal wieder mit dem Thema „Finanzaufsicht und Anlegerschutz“, alles ausgelöst durch den größten Finanzskandal der Nachkriegszeit, den Wirecard-Skandal. Bilanzfälschung, Betrug, dunkle Geschäfte, Geheimdienstkontakte usw. usf. sind mit diesem Skandal verbunden. Der Untersuchungsausschuss, den dieser Bundestag eingesetzt hat, hat bereits sechs Sitzungen durchgeführt und die Arbeit aufgenommen. Er hat nicht nur den Auftrag, die Dinge zu erörtern, herauszufinden, woran es gelegen hat, sondern auch, Empfehlungen zu erarbeiten, die der Gesetzgeber umsetzen kann.

Von daher will ich deutlich sagen: Ich meine, wir sind am Anfang eines umfassenden Aufklärungsprozesses und noch lange nicht am Ende. Von daher würde ich auch davor warnen, weil noch viele Fragen offen sind, dass wir hier überall mit Schnellschüssen reagieren, nur weil es politisch opportun ist. Ich glaube, auch hier ist Sorgfalt vor Eile angesagt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Wie Sie wissen, gibt es einen Referentenentwurf zum Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz, in dem einige Punkte enthalten sind. Dieser ist derzeit Gegenstand in einer Verbandsanhörung und befindet sich in der Ressortabstimmung. Wir werden sehen, was die Bundesregierung hier noch vorlegen kann. Von daher ist sie auch nicht untätig – falls die Anträge der Opposition suggerieren sollten, dass die Bundesregierung in diesem Bereich nicht tätig ist.

Es geht aber nicht nur um die BaFin, über die wir hier heute gesprochen haben, es geht meines Erachtens, gerade nach der Zeugeneinvernahme im Untersuchungsausschuss gestern, auch um die Frage der Governance, die Frage: Was hat ein Aufsichtsrat zu tun? Wie hat ein Aufsichtsrat seine Tätigkeit wahrzunehmen? Wie funktioniert das mit dem Vorstand zusammen?

Und es geht auch um die Frage der Abschlussprüfer; das ist doch völlig klar. Auch ich als Wirtschaftsprüfer bin schon teilweise etwas verwundert, was da geschehen ist, dass 1,9 Milliarden Euro an liquiden Mitteln verschwunden sind. Ich kann Ihnen als Prüfer sagen: Es ist eigentlich das einfachste Geschäft für einen Prüfer, liquide Mittel nachzuweisen. Das ist ein Prüfungspunkt, den man eigentlich recht schnell abarbeiten kann. Die Kolleginnen und Kollegen, die Kenntnis haben, nicken eifrig; das ist wirklich so. Von daher wundert man sich schon, dass so ein Bilanzposten als Luftnummer in der Bilanz erscheinen kann und ein vollständiges Testat erteilt wurde.

Aber ich warne schon davor – da möchte ich auch viele Kolleginnen und Kollegen der Wirtschaftsprüferzunft in Schutz nehmen –, dass man angesichts dessen, dass es hier vielleicht Einzelfallprobleme bei einer großen deutschen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gibt, verallgemeinert und sagt: Wir haben ein Systemproblem in der Abschlussprüfung. – Wir sollten schon aufpassen, dass wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und nur nach Aktionismus schreien, um einfach zu zeigen: Wir tun hier was.

Wenn ich die drei Punkte betrachte, die auch im AfD-Antrag enthalten sind und die wahrscheinlich nächste Woche Freitag hier debattiert werden, stelle ich fest: Es geht um die alten Fragen, die wir schon 2016 diskutiert haben, nämlich um Rotation, um Haftung und die Trennung von Prüfung und Beratung. Die Zeit erlaubt es nicht, all das einzeln auszuführen. Aber ich frage mich, ob all die Maßnahmen, die in diesem Zusammenhang vorgetragen werden, tatsächlich den Wirecard-Skandal verhindert hätten. Das glaube ich eben nicht. Von daher: Wir müssen die Abschlussprüfer kritisch betrachten. Wir sollten aber mit Augenmaß vorgehen; denn eine Abschlussprüfung, die teurer wird, die zu höheren Marktkonzentrationen beiträgt, wird letztendlich auch für die Unternehmen teurer, sodass diese ihre Tätigkeit nicht vernünftig wahrnehmen können.

Von daher: Insgesamt ist Augenmaß angebracht. Wir als Union sind dabei, gute Lösungen zu finden, aber, wie gesagt, sorgfältig und in Ruhe.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)