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Smartphone mit Apps
(Quelle: Rami Al-zayat | Unsplash)

Europas Digitalwirtschaft stärken

Fachgespräch der Unionsfraktion zu DSA und DMA

Digitale Plattformen wie Suchmaschinen und soziale Netzwerke sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Jetzt hat die EU neue Regulierungen vorgeschlagen – mit ihnen befasste sich ein virtuelles Fachgespräch der Unionsfraktion mit zahlreichen Teilnehmern.

Ohne Plattformen geht (beinahe) nichts mehr. Große Teile der öffentlichen Debatten haben sich in den digitalen Raum verlagert. Außerdem ist die öffentliche Debatte anfälliger geworden für Hassrede oder das Ausblenden anderer Meinungen. In Deutschland hat man bereits mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz eine regulatorische Antwort gegeben. Der von der EU-Kommission nun angekündigte Digital Services Act (DSA) – der erste der beiden Rechtsakte, die Brüssel vorgeschlagen hat – bietet die Gelegenheit zu einer einheitlichen europäischen Antwort.

Innovationskraft in Gefahr

Außerdem haben digitale Plattformen eine immer größere Bedeutung im Wirtschaftsgeschehen. Der dadurch geschaffene Datenreichtum dieser Konzerne sorgt gegenüber anderen Unternehmen für einen großen Wettbewerbsvorteil. Diese Entwicklung hin zu einer geballten Konzentration von Marktmacht gefährdet die Innovationskraft. In Deutschland wird dieser Entwicklung mit der zehnten GWB-Novelle (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) begegnet. Aber auch diese Herausforderung bedarf einer gemeinsamen und einheitlichen Antwort auf europäischer Ebene, die durch den Digital Markets Act (DMA), den zweiten Brüsseler Rechtsakt, erfolgen soll.

„Ein großer Wurf“

Tankred Schipanski, der digitalpolitische Sprecher der Unionsfraktion, begrüßte die Teilnehmer und betonte, dass es auf eine „Regulierung mit Augenmaß“ ankomme. Er erklärte, dass Digitalpolitiker aus dem Deutschen Bundestag mit ihren Kollegen aus dem Europäischen Parlament zusammenarbeiten werden, um den weiteren Prozess zu DSA und DMA zu begleiten.

Werner Stengg, Mitglied im Kabinett der EU-Kommissarin und Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager, sprach bei den beiden Rechtsakten von einem „ambitionierten Ansatz“. Er stellte jedoch klar: „DSA und DMA sind ein großer Wurf.“ Es handele sich um die größte weltweite Regulierungsmaßnahme in diesem Bereich. Beide Rechtsakte, die der Experte ausführlich erläuterte, böten Lösungsvorschläge für die „reale Welt“. Strengg stellte klar: „Wir brauchen rechtliche Klarheit!“

Der Fall Nancy Pelosi

Clark Parsons, Geschäftsführer Internet Economy Foundation, nannte den DSA „überfällig“ und bezeichnete ihn ebenfalls als „großen und guten Wurf“. Der DSA sei notwendig wegen der Hate-Speech, die im Netz immer wieder um sich greife, aber auch wegen der Gefahr der Intransparenz. Parsons brachte ein Praxisbeispiel: Ein manipuliertes Video, in dem die US-Politikerin Nancy Pelosi anscheinend betrunken zu sehen gewesen sei, war von drei großen Plattformen komplett unterschiedlich gehandhabt worden: Eine hatte das Video entfernt, eine hatte es gedrosselt, die dritte war überhaupt nicht eingeschritten. Parsons: „Das zeigt, dass wir endlich klare Regeln brauchen.“ Der Experte bezeichnete den DSA als wichtiges Instrument, nicht nur, „um die Meinungs- und Pressefreiheit, sondern auch um die Demokratie an sich zu schützen“.

Axel Voss, Koordinator der EVP-Fraktion im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments, stellte klar, dass man „eine Vollharmonisierung“ anstrebe. Das sei notwendig für einen gemeinsamen digitalen europäischen Binnenmarkt – und den brauche Europa, sonst könne man „mit dem Rest der Welt nicht mithalten“. 

Damoklesschwert für jedes Start-up

Und warum ist der DMA notwendig? Beispiele aus der Praxis offerierte Lisa Gradow, Mitglied im Vorstand Bundesverband Deutsche Startups e.V. Viele Start-ups hätten eine App als Produkt. Doch die App-Stores von Apple und Google nähmen sich grundsätzlich 30 Prozent der Umsätze – und das belaste quasi alle Start-ups. Die Marktmacht der App-Stores sei ein absolutes Monopol, ein „Damoklesschwert“ für jedes junge Tech-Unternehmen. Aus Gründersicht sei für sie klar: Kleine Unternehmen werden von DMA profitieren.

Dr. Andreas Schwab, Koordinator der EVP-Fraktion im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments, betonte: „Als Christdemokraten kann uns nicht egal sein, was in der Wirtschaft passiert.“ Hier sei ganz klar ein „Eingreifen nötig“. Überregulierung müsse natürlich vermieden werden, deshalb erfasse der DMA-Vorschlag nur wirklich große Plattformen. 

Europäische Digitalwirtschaft stärken

Hansjörg Durz, der zuständige Berichterstatter der Unionsfraktion, konkretisierte einige Punkte aus dem DMA. Einer davon war die Harmonisierung: Ja, es handele sich um einen Binnenmarkt-Akt, aber, so fragte der Experte: Wieviel Regulierungsoptionen bleiben noch auf nationaler Ebene?

Die Stellvertretende Unionsfraktionschefin Nadine Schön schloss die angeregte Diskussion mit dem Hinweis, dass DSA und DMA bewiesen, dass „Brüssel sich viele Gedanken gemacht“ habe. Sie dankte den federführenden Kommissaren und erklärte, dass deutsche Unionspolitiker das Vorhaben von Anfang an begleitet hätten – und zwar „mit den eigenen Positionen und den Erfahrungen, die wir auf nationale Ebene gemacht haben“. Am Ende, so gab sich die Fraktionsvize optimistisch, werde man die europäische Digitalwirtschaft gestärkt haben.