Von der Pflicht, die Freiheit zu verteidigen
- Bundestag erinnert an das Ende des Zweiten Weltkrieges
- Steinmeier und Klöckner halten Gedenkreden zum Tag der Befreiung
- Frieden in Europa nicht mehr selbstverständlich
In einer feierlichen Gedenkstunde hat der Bundestag an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren erinnert. Mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 ist auch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft in Europa beendet worden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundestagspräsidentin Julia Klöckner riefen die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, gerade vor dem Hintergrund aktueller Bedrohungen und Anfechtungen für die Bewahrung von Demokratie und Freiheit einzutreten.
Die militärische Niederlage sei gleichzeitig eine Befreiung gewesen, betonte Klöckner – in Anlehnung an die prägende Gedenkrede des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum Jahrestag der Kapitulation vor 40 Jahren. Der 8. Mai habe „unsere Neuorientierung hin zur Demokratie möglich gemacht – einer Demokratie, in die sich heute alle Deutschen einbringen können“, sagte Klöckner. Aus dem Erinnern erwächst nach ihren Worten eine Verantwortung: „Wer befreit wurde ist verpflichtet, die Freiheit auch zu verteidigen. Das ist der Auftrag des 8. Mai.“
Über Jahrzehnte hätten die Bürger den Eindruck gehabt, der Frieden in Europa sei unantastbar. „Jetzt müssen wir wieder umdenken. Um Frieden und Freiheit zu bewahren, müssen wir in der Lage sein, uns auch militärisch zu verteidigen“, mahnte die CDU-Politikerin.
Klöckner wirft dem Kreml Geschichtsfälschung vor
Sie schlug damit den Bogen zum Angriff Russlands auf die Ukraine und kritisierte mit scharfen Worten, dass der Kreml diesen völkerrechtswidrigen Eroberungskrieg als Kampf gegen den Faschismus umdeutet. „Wir werden morgen in Moskau Siegesparaden erleben, die im Namen der Befreier von damals den Krieg gegen die Ukraine heute rechtfertigen sollen. Was für ein Missbrauch der Geschichte!“, sagte Klöckner. Auch Steinmeier forderte, den Geschichtslügen des Kreml entgegenzutreten.
Beide beschrieben das Grauen des Zweiten Weltkrieges, des „brutalsten Krieges der Menschheitsgeschichte“, wie Klöckner formulierte, eines rassistischen Vernichtungskrieges, der auf die Auslöschung ganzer Völker zielte. Sie wies darauf hin, dass das ungeheuerliche Ausmaß der deutschen Verbrechen bis heute nicht allen bewusst sei und viele sich damit gar nicht mehr beschäftigen wollten. „Dieser Tendenz entgegenzuwirken – auch dazu dient das Gedenken am 8. Mai“, sagte sie. Während Politik und Gesellschaft noch das „Nie wieder“ beschwören, greife der Antisemitismus indes schon wieder um sich – auf den Straßen, im Netz, sogar an den Universitäten. Dem müsse man entschieden entgegentreten, forderte sie.
Gedenken an das Leid der Frauen in Kriegen
In ihrer Rede gedachte die Bundestagspräsidentin besonders des Leides der Frauen und Mädchen, die in fast allen kriegerischen Auseinandersetzungen, aber eben auch im Zweiten Weltkrieg Opfer von Vergewaltigungen und sexueller Nötigung werden und aus Scham darüber schweigen. Auch wenn Frauen im Nationalsozialismus nicht frei von Schuld gewesen seien, so sei es doch an der Zeit, „diesen Frauen in unserem Gedenken Raum zu geben, ihr Leid anzuerkennen - auch die unglaubliche Kraft, mit der diese Frauen ums Überleben kämpften und entscheidend zum Wiederaufbau beitrugen“.
Um die Erinnerung zu schärfen, trugen drei Jugendliche, die sich ehrenamtlich beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge engagieren, Passagen aus zeitgenössischen Dokumenten vor. Ihre Zitate entstammten Werken der Schriftsteller Thomas Mann, Walter Kempowski und Ruth Klüger, die selbst den Holocaust überlebt hatte.