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Thomas Jarzombek: Wir brauchen Lösungen, die schnell funktionieren

Rede zum Diesel-Fahrverbote in deutschen Großstädten

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich heute auch einmal zum Diesel reden kann. Ich sage Compliance-mäßig dazu: Ich habe in meinem Leben noch nie einen Diesel gekauft und kann insofern locker darüber reden. Ich bin nicht von Umtauschprämien betroffen, ich hätte keinen Vorteil; deshalb sage ich das. Trotzdem werde ich aus Überzeugung Partei für die Dieselfahrer ergreifen. Ich glaube nämlich, dass hier zwei Diskussionsstränge komplett miteinander verwoben werden, was mich seit Wochen aufregt.

Der erste Diskussionsstrang ist die Frage: Haben Automobilhersteller betrogen? Die Antwort ist klar: Ja, Automobilhersteller haben betrogen, insbesondere ein Automobilhersteller. Dann höre ich immer, es gebe ja keine Konsequenzen. Meine Damen und Herren, ich habe in der Zeitung gelesen, dass Herr Winterkorn Deutschland nicht mehr verlassen darf, und Audi-Chef Stadler sitzt im Gefängnis, und das auch schon eine veritable Zeit; auch andere Manager sitzen im Gefängnis. Und das ist richtig. Wenn diese Vorwürfe zutreffend sind, müssen sie mit voller Härte geahndet werden. Wovon wir hier reden, das sind keine Kavaliersdelikte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Bei den Fahrzeugen, um die es hier geht, wurde nicht an der Hardware geschummelt, sondern da wurde Schummelei in die Software eingebaut. Deshalb ist es auch richtig, dass wir durchgesetzt haben, dass bei diesen Fahrzeugen eine Software aufgespielt wird, die nicht manipuliert ist. Mein Kollege hat es schon gesagt: Bei 97 Prozent der Fahrzeuge ist dies mittlerweile korrigiert worden. Damit ist an diesem Strang, glaube ich, erst einmal das Notwendige getan.

Wir haben aber einen zweiten Strang – und das ist unser akutes Problem –, der darin besteht, dass wir oder der europäische Gesetzgeber bzw. beide in Kombination miteinander zwei Grenzwerte vorgegeben haben, die nicht zusammenpassen. Wir haben den Herstellern mit der Euro‑5-Norm Vorgaben gemacht, wie groß der Schadstoffausstoß eines Autos maximal sein darf. Gleichzeitig haben wir eine Richtlinie der Europäischen Union, dass maximal 40 Mikrogramm auf der Straße gemessen werden dürfen. Ganz offensichtlich ist es so, dass, wenn Fahrzeuge die Euro‑5-Norm einhalten, trotzdem die 40 Mikrogramm überschritten werden.

Wir haben hier jetzt einige Beiträge gehört. Bei aller Wertschätzung, Kollege Bartol, ich muss schon sagen: Drohgebärden gegenüber der Automobilindustrie? Wir leben in einem Rechtsstaat. Wenn Unternehmen Autos auf den Markt bringen, die nach Kriterien, die zu dem Zeitpunkt gültig waren und sie wirklich sauber erfüllen, ohne Schummeleien,

(Sören Bartol [SPD]: Ich habe über die manipulierten Autos geredet! Jetzt ist es doch gut!)

zugelassen wurden, dann kann man doch Jahre später nicht noch alles Mögliche von diesen Unternehmen verlangen. Wie soll das denn gehen?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sören Bartol [SPD]: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)

– Wir können uns die Rede noch einmal anhören. – Deshalb mache ich dem Bundesverkehrsminister an der Stelle ein Kompliment dafür, dass er es geschafft hat, in dieser schwierigen Situation, in der wir kaum Rechtsansprüche an die Unternehmen haben, ein Programm auf die Beine zu stellen, das den Menschen hilft.

Wir haben ein großes Problem. In Frankfurt gibt es 500 000 Einpendler, in meiner Heimatstadt Düsseldorf 300 000. Die Leute, die morgens von Mönchengladbach nach Düsseldorf fahren, können nicht gut mit dem Fahrrad fahren, auch nicht über den Fahrradschnellweg, der geplant ist. Sie werden auch nicht mit dem Regionalexpress fahren können; denn der ist bis auf den letzten Platz voll. Das heißt, diese Leute brauchen ihr Auto, und wir müssen ihnen helfen. Stellen Sie sich vor, am 1. April tritt eine Regelung in Kraft und 100 000 Menschen kommen nicht mehr zu ihren Betrieben in Düsseldorf! Das ist für die Firmen schlecht, und das ist auch für die Mitarbeiter ein Problem. Und nicht jeder kann sich ein neues Auto leisten. Deshalb finde ich es ausdrücklich gut, dass wir hier jetzt die Lösung haben, dass man nicht nur ein – egal wie die Prämie ist – teureres neues Auto kaufen kann, sondern sein Auto auch gegen ein gebrauchtes Auto tauschen kann.

Liebe Kollegen von den Grünen, was die Kritik an der Stelle soll, verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht. Was soll denn die Alternative sein? Wir brauchen Lösungen, die schnell funktionieren.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die überhaupt funktionieren!)

Wir können nicht sagen: Ihr müsst jetzt anderthalb Jahre in die Röhre gucken, wenn es ein Fahrverbot gibt; vielleicht gibt es irgendeinen anderen Lösungsweg. – Deshalb ist das, was jetzt vorliegt, gut.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen natürlich auch darüber nachdenken, was wir machen, wenn am Ende doch ein Rest übrig bleiben sollte, dessen Mobilitätsproblem wir mit all diesen Programmen nicht lösen können. Ich glaube, da sind wir gemeinsam in der Verantwortung. Wir tun gut daran, wenn wir jetzt gemeinsam überlegen, welche Grenzwerte wir beschließen wollen. Wer weiß schon, welche Folgen das vorgestern in Brüssel beschlossene Ziel – 35 Prozent weniger CO 2 -Ausstoß bis 2030 – für Menschen haben wird, die im Jahr 2030 mit Autos mit einem dann vielleicht unzeitgemäßen CO 2 -Ausstoß unterwegs sind? Wir reden hier über eine Regelung, die im Jahr 2008 der damalige Bundesumweltminister, Sigmar Gabriel, verhandelt hat und die das Europäische Parlament fast einstimmig beschlossen hat. Das muss man dazusagen. Dieses gegeneinander gerichtete Fingerpointing akzeptiere ich nicht.

Manchen Kollegen, zum Beispiel denen von den Grünen, die im letzten Jahr völlig entspannt im Düsseldorfer Stadtrat saßen und sich anschauten, wie sich alle Menschen neue Dieselautos kaufen mussten und nur die Rheinbahn noch mit alten Stinkerbussen durch die Stadt fuhr, kann ich nur sagen: Wir müssen gemeinsam arbeiten und eine Lösung für die Leute finden, damit wir alle Vertrauen zurückgewinnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)