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Julia Klöckner: "Nachhaltige Landwirtschaft gibt es nicht umsonst"

Rede zur Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Nachhaltige Landwirtschaft gibt es natürlich nicht umsonst. Ein menschenwürdiges Einkommen, faire Preise für die Bauernfamilien müssen selbstverständlich sein. Es geht nämlich um Fairplay im und am Markt. In der Verantwortung steht die gesamte Liefer- und Verarbeitungskette landwirtschaftlicher Produkte, wie auch wir auf Verbraucherseite. Selbst wenn Lebensmittelpreise steigen: Was kommt überhaupt bei den Landwirten an? Meist der nach unten zu ihnen weitergegebene Preisdruck.

Mit dem Gesetz gegen unlautere Handelspraktiken nimmt die Große Koalition eine klare politische Weichenstellung vor. Wir stärken die Landwirte gegenüber dem Einzelhandel für bessere Erlöse, für Fairplay für unsere Bäuerinnen und Bauern. Aus gutem Grund gehen wir über die Eins-zu-eins-Umsetzung der europäischen Richtlinie hinaus. Sie wissen: Ohne die aktive Mithilfe Deutschlands, unseres Ministeriums, hätte es die europäische UTP-Richtlinie gar nicht gegeben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Erhebliche Widerstände gab es beispielsweise vonseiten des Handels. Traurig genug, dass es notwendig wurde, aber wir müssen jetzt ordnungsrechtlich gegen unlautere Handelspraktiken vorgehen. Seien es kurzfristige Warenstornierungen zulasten der Lieferanten, ohne Bezahlung. Monatelang müssen Lieferanten heute auf ihr Geld warten, obwohl die Ware schon längst abverkauft worden ist. Einseitige Änderungen der Lieferbedingungen zulasten der Landwirte stehen auf der Tagesordnung. Schilderungen dieser Praxis erreichen uns in der Regel – das kennen Sie, verehrte Damen und Herren – anonym, aus Angst, vom Handel ausgelistet zu werden. David gegen Goliath. In Deutschland haben die vier größten Handelsketten einen Marktanteil von über 85 Prozent. Das ist ein Problem, und die Ministerentscheidung des ehemaligen SPD-Wirtschaftsministers für eine weitere Fusion war damals nicht richtig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Gero Clemens Hocker [FDP])

Unser Gesetz stärkt nun die Marktposition kleinerer Lieferanten und landwirtschaftlicher Betriebe. Wir stellen für die Zukunft sicher, dass Landwirte und Hersteller ihre Bezahlung binnen 30 Tagen erhalten. Vertragliche Vereinbarungen müssen eingehalten und dürfen nicht einseitig vonseiten des Käufers geändert werden. Bisher konnte der Händler kurzfristig zum Beispiel eine geänderte Verpackung fordern, und der Landwirt musste eine andere, neue Verpackung bereitstellen, und zwar auf seine Kosten. Damit ist jetzt Schluss.

Vizepräsidentin Dagmar Ziegler:

Frau Ministerin, erlauben Sie eine Zwischenfrage von der Abgeordneten Pahlmann?

 

Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:

Gerne.

(Stephan Protschka [AfD]: Das ist doch abgesprochen! Das ist ja lächerlich!)

 

Ingrid Pahlmann (CDU/CSU):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin Klöckner, ich weiß, dass Sie in Gesprächen mit der Landwirtschaft sind. Jetzt ist meine Frage: Haben Sie mit den Landwirten auch mal konkret über die UTP-Richtlinie gesprochen? Wie stehen denn die Landwirte dazu?

(Stephan Protschka [AfD]: Ach, das ist ja eine bestellte Frage!)

Was sagen die Landwirte zu den Inhalten, die jetzt auf dem Tisch liegen?

 

Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:

Danke, Frau Abgeordnete Pahlmann. – Es sind ja aktuell Landwirte in Berlin. Sie demonstrieren, was ihr gutes Recht ist. Sie stehen finanziell und auch gesellschaftlich unter enormem Druck; sie sollen immer mehr Auflagen erfüllen. Ja, wir begleiten sie dabei mit Programmen – das ist wichtig –; aber das Problem ist, dass der Handel stetig steigende Anforderungen an sie stellt, aber nicht dafür bezahlt.

Ich habe heute bei mir vorm Ministerium mit vielen Landwirten genau darüber gesprochen. Auch wenn nicht alle Landwirte direkt Verhandlungen mit dem Handel führen, weil es Zwischenhändler gibt, haben die Landwirte dennoch etwas von dieser UTP-Richtlinie; denn der Preisdruck kommt von oben nach unten und landet am Ende beim Urerzeuger. Deshalb ist das neue Gesetz ein wichtiger Schritt, der auch von den Landwirten begrüßt wird. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass wir das europaweit mit Mindeststandards regeln. Ohne uns, ohne Deutschland, wären wir nie so weit. Deshalb sage ich: Hier wird David im Kampf gegen Goliath stärker gemacht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte ein Weiteres sagen: Wir verbieten im Übrigen auch nachträgliche Zahlungsforderungen des Käufers an den Lieferanten, wenn die Ware bereits in den Besitz des Käufers übergegangen ist und er danach vielleicht meint, mögliche Qualitätsminderungen feststellen zu können.

Was regeln wir noch? Zukünftig darf sich der Käufer nicht mehr weigern, eine geschlossene Liefervereinbarung schriftlich zu bestätigen. Man wundert sich, was heute alles möglich ist. Und stellen Sie sich vor: Heute ist es möglich, dass der Käufer von einem Lieferanten Entschädigung für die Bearbeitung von Kundenbeschwerden verlangt, ohne dass ein Verschulden des Lieferanten vorliegt. Wir gehen mit diesem Entwurf weiter als die europäische Richtlinie; denn wir sagen auch: Wenn der Händler zukünftig in der Saison zum Beispiel großzügig Erdbeeren bestellt, diese aber nicht verkauft bekommt, muss er trotzdem den vereinbarten Preis bezahlen. Heute ist es so, dass storniert wird und für die Entsorgung auch noch der Landwirt oder der Lieferant zahlen muss. Das schmälert natürlich den Preis, das schmälert natürlich den Gewinn, und das geht zulasten derer, die Sorge und Angst haben, dass sie ausgelistet werden. Damit ist jetzt Schluss, damit machen wir gesetzlich Schluss.

(Beifall bei der CDU/CSU – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Sehr gut! Es wird Zeit! – Stephan Protschka [AfD]: Das geht nach hinten los!)

Was es auch nicht mehr geben wird – auch das muss man sich vorstellen –: Wenn ein Händler jederzeit auf alles Mögliche zurückgreifen will und deshalb viel einlagert, nimmt er heute von dem Lieferanten Kosten für die Lagerung, stellt ihm das also in Rechnung. Auch das werden wir verbieten.

(Beifall des Abg. Artur Auernhammer [CDU/CSU])

Insofern sage ich, sehr geehrte Damen und Herren: Wer bestellt, der muss bezahlen. Und wer sich nicht daran hält, der wird mit einem Bußgeld von bis zu 500 000 Euro sanktioniert. Wir werden nicht das Wettbewerbsprinzip außer Kraft setzen; aber wir wollen, dass die soziale Marktwirtschaft hier endlich zum Tragen kommt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist ein wichtiger Schritt zum Erhalt einer zukunftsfähigen Landwirtschaft.

Wir sind für eine gerechte Verteilung der Erlöse, mehr Wertschätzung für Lebensmittel, stärkere regionale Lieferketten, Würdigung nationaler Herkunft. Deshalb haben wir es auf europäischer Ebene unter unserer Ratspräsidentschaft erreicht, dass die Herkunftskennzeichnung klarer, eindeutiger und nachvollziehbarer wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist gut für Verbraucher, das ist gut für den Landwirt, und das ist gut für eine nachhaltige Landwirtschaft.

Zum Schluss, auch als Appell an die Lebensmittelhändler: Es kann nicht sein, dass Lebensmittel, Mittel zum Leben, wie Billigware verramscht werden.

(Beifall der Abg. Kerstin Vieregge [CDU/CSU])

Das ist keine Wertschätzung, das ist keine Wertschöpfung. Hier ist der Handel in der Verantwortung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Albert Stegemann [CDU/CSU]: So ist das!)

Außerhalb des Protokolls möchte ich sehr herzlich Herrn Spiering, dem agrarpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, zum Geburtstag gratulieren.

(Beifall)