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Axel Müller: Das Grundgesetz ist kein Warenhauskatalog

Rede zur Stärkung des Klimaschutzes (Änd. GG, Artikel 20a, 74, 143h)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir nehmen alle natürlich zur Kenntnis, dass gerade eine Einladung zu einem Wandertag in den Hambacher Forst ausgesprochen wurde. Ich weiß aber nicht, ob wir da alle Zeit haben; das ist meines Wissens am Ende einer Sitzungswoche.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind herzlich willkommen!)

Meine Damen und Herren, mit dem Gesetzentwurf der Grünen zur Stärkung des Klimaschutzes soll eine Grundgesetzänderung vorgenommen werden, genau genommen an vier Stellen. Zentraler Bestandteil ist dabei die Änderung des Artikels 20a Grundgesetz in zwei Punkten: erstens die unmittelbare Bindung aller staatlichen Gewalt hinsichtlich völkerrechtlich verbindlicher Ziele – Pariser Klimaschutzabkommen – und Verpflichtungen des Klimaschutzes und zweitens die Untersagung der Stromerzeugung aus Kernenergie.

Garniert wird das Ganze dann mit zwei weiteren Punkten. Zum einen soll Artikel 74 Grundgesetz geändert werden, nämlich um die Gesetzgebungskompetenz für den Klimaschutz erweitert werden. Zum anderen soll es eine Neufassung bei den Verbrauchsteuern geben. Der Kollege Amthor hat dazu schon gesagt: Möglicherweise soll nun auch noch der Verbrauch der Luft besteuert werden. – Wie das Ganze vonstattengehen soll, weiß ich allerdings nicht, und Sie bleiben eine Erklärung dazu auch schuldig.

Zu guter Letzt wollen Sie als Übergangsbestimmung einen neuen Artikel 143h ins Grundgesetz einfügen und möchten damit die Laufzeitbegrenzung der Kernkraftwerke bis 31. Dezember 2022 in Verfassungsrang erheben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es liegt mir fern, hier eine Nachhilfestunde geben zu wollen,

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann lassen Sie es!)

aber ich möchte doch ein paar grundsätzliche Dinge zum Grundgesetz sagen. Das bekennt sich zum einen in den Grundrechten zu den Menschenrechten; zum anderen legt es die Kompetenzen der Verfassungsorgane fest. Es regelt das Verhältnis von Bund und Ländern und zu überstaatlichen Einrichtungen und nicht zuletzt die Finanzverfassung dieses Staates. Das sind die Grundzüge des demokratischen Rechtsstaats.

Es gibt darüber hinaus fünf Staatszielbestimmungen – und nicht mehr –: zum Ersten die Verwirklichung des geeinten Europas, zum Zweiten das Streben nach einem wirtschaftlichen Gleichgewicht in der Bundesrepublik Deutschland, zum Dritten die Durchsetzung der Gleichberechtigung, zum Vierten den Tierschutz und zum Fünften den Umweltschutz in Artikel 20a Grundgesetz.

In Artikel 20a Grundgesetz, dessen aktuelle Fassung Sie ändern wollen bzw. ergänzen wollen, bekennt sich der Staat genau zu dem, was Sie wollen, nämlich zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen für Mensch und Tier durch entsprechende Gesetze, die entstehen sollen, durch Verwaltungshandeln und durch eine entsprechende Rechtsprechung. Ihr Anliegen, das Staatsziel des Klimaschutzes, ist davon bereits mit erfasst.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Die Bundesrepublik Deutschland erkennt den Klimawandel selbstverständlich an, wenngleich auch nicht alle Mitglieder dieses Hauses.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal das Garzweiler-Urteil des Bundesverfassungsgerichts!)

Die Debatte erinnert manchmal schon etwas an die um die Evolutionslehre; da gab es auch Leute, die das nie geglaubt haben. – Die Bundesrepublik Deutschland bekennt sich zu den Zielen des Klimaschutzes im Pariser Klimaschutzabkommen und will dazu beitragen, dass die Erderwärmung um 2 Grad zurückgeht.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Erderwärmung um 2 Grad zurückgeht? – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um die Beschränkung des Anstiegs der Erwärmung!)

Es gibt dazu – das wurde auch von der Kollegin Weisgerber ausgeführt – zahlreiche Initiativen auf nationaler wie internationaler Ebene.

(Beifall der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU])

Insofern trifft es doch gerade nicht zu, Herr Kollege Hofreiter, dass die Bundesregierung hier nichts tut. Es trifft auch nicht zu, Frau Kollegin Scheer, dass der Kollege Amthor das außer Acht gelassen hat. Er hat nämlich ausdrücklich gesagt, dass die nationalen Anstrengungen in diesem Bereich nicht ausreichend sind, dass es vielmehr internationaler Anstrengungen bedarf.

(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch mal was!)

Es besteht also gar kein Regelungsbedarf und schon gar nicht die Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung. Das bringen Sie sogar in Ihrer eigenen Entwurfsbegründung zum Ausdruck. Sie haben darin festgeschrieben – ich zitiere aus der Begründung –, dass Artikel 20a Grundgesetz selbstverständlich auch den Klimaschutz umfasse. Ja, was machen Sie dann mit dem Entwurf? Was soll er dann noch?

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bestimmtheit! Sie haben es nicht verstanden!)

Mit immer detaillierteren Staatszielbestimmungen – das ist das Ziel, das Sie haben: eine Staatszielbestimmung, der Verfassungsrang zukommen soll – schränken Sie die Gestaltungsmöglichkeiten dieses Parlaments im Endeffekt immer weiter ein; denn Sie verschieben die Entscheidungsgewalt vom Parlament in den Gerichtssaal. Gestaltet wird im Plenarsaal und nicht im Gerichtssaal. Das sage ich Ihnen als ehemaliger Richter.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Unter Staatsrechtlern besteht daher auch weitestgehend Einigkeit darüber, dass eine wachsende Anzahl von Staatszielbestimmungen im Grundgesetz mehr zu Unsicherheit und zu Unübersichtlichkeit, zu Konkurrenzen vieler Staatszielbestimmungen führt – und das gerade dann, wenn man, wie Sie das tun, die Staatszielbestimmungen immer weiter differenziert.

Diesen von Ihnen, meine Damen und Herren von den Grünen, eingeschlagenen falschen verfassungsrechtlichen Weg setzen Sie am Ende fort. Sie gehen ihn ja noch bis zum Schluss; denn in Artikel 143h Grundgesetz, den Sie auch noch aufnehmen wollen, wollen Sie festlegen, dass das Enddatum für die Stromerzeugung aus Kernenergie in den Verfassungsrang erhoben werden soll, und zwar soll das der 31. Dezember 2022 sein.

Doch auch das ist bereits im Atomausstiegsgesetz geregelt. Der frühere Bundesminister und ehemalige Generalsekretär der CDU, der Kollege Hermann Gröhe, hat einmal ganz klar gesagt: Wir befinden uns auf einem unumkehrbaren Weg ohne Hintertür, was den Ausstieg aus der Atomenergie anbelangt. – Indem Sie dieses Ausstiegsdatum in den Verfassungsrang erheben, bringen Sie dieses Land und seine Menschen unter Umständen in die größten Schwierigkeiten. Sie verursachen möglicherweise den energiepolitischen Super-GAU. Was ist denn, wenn wir es nicht schaffen, trotz aller Anstrengungen, innerhalb der vorgegebenen Zeit diese Ziele, den Ausstieg aus der Kernenergie, zu erreichen? Was ist dann?

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, was ist denn das? – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte immer, das wäre unumkehrbar festgeschrieben!)

Dann brauchen wir Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat, um den Ausstieg noch verlängern zu können.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Das ist ja wohl der Beweis dafür, wie notwendig das ist! Das ist ja unglaublich! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bringe es abschließend in Anlehnung an den früheren Bundesminister Franz Josef Jung auf einen Punkt: Das Grundgesetz ist doch kein Warenhauskatalog. – Und ich füge hinzu: … den man je nach Saison gerade mit dem bestückt, was angesagt zu sein scheint.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist ja unfassbar!)

Daher unterstützen wir Ihren Antrag nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)