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Uwe Schummer: "Die Mindestlohnkommission ist zur Erreichung der Tarifautonomie"

Evaluierung des Mindestlohngesetzes zur Stärkung der Beschäftigtenrechte nutzen

Ich hatte mich da oben aufgerufen gesehen; aber Sie sind der Chef im Hause.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Aber Sie wissen, dass der sitzungsleitende Präsident oder die sitzungsleitende Präsidentin aufruft und nicht die Tafel.

 

Uwe Schummer (CDU/CSU):

Verehrter Herr Präsident! Verehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Bernd Rützel! Zunächst einmal: Ja, es war in der Tat Papst Leo XIII., der 1891 in „Rerum novarum“, dem ersten sozialen Weltrundschreiben, sinngemäß forderte, dass ein Teil der Familie so viel verdienen müsse, dass davon die gesamte Familie, unabhängig von der Zahl der Köpfe, ernährt werden kann und ein Sparpfennig überbleibt – allerdings nicht nur als ein Auftrag an die tarifliche Politik, sondern auch als ein gesellschaftlicher Auftrag, dass mit diesem familiengerechten Lohn die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand geleistet werden kann. Von daher ist der Grundsatz „Faire Arbeit und gute Löhne“ auch in der DNA der Christdemokraten und der Christlich-Sozialen enthalten.

Wir haben aber auch die Tarifautonomie. „Autonomie“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „nach eigenen Gesetzen leben“. Aus guten Gründen haben wir die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften beauftragt, diese eigenen Gesetze der Arbeitskonditionen miteinander zu verhandeln; der Staat hält sich hier weitgehend raus.

Jetzt fordern Sie vonseiten der Grünen und der Linken, dass wir zum zweiten Mal, aber nur einmalig den Mindestlohn gesetzlich festlegen. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn wir das zum zweiten Mal einmalig machen, dann kommt auch das dritte, das vierte und das fünfte Mal.

(Zurufe von der LINKEN)

Dann gibt es eben keine Tarifautonomie. Die Frage ist ja auch: Warum eine politisch festgelegte Grenze von 12 Euro oder auch von 15 oder 20 Euro? Es ist so, dass beispielsweise der tarifliche Mindestlohn in der Bauwirtschaft 15 Euro beträgt. Selbst in Dänemark, wo es die Tarifautonomie gibt, zahlt man für die Schlachtung bei Tönnies 19 bis 20 Euro.

Das heißt, unser Ziel ist doch, dass wir über das subsidiäre Instrument der Mindestlohnkommission mit Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, begleitet von der Wissenschaft und mit einem neutralen Vorsitzenden Tarifautonomie nachbilden, dass wir sie im Grunde beauftragen, sich wieder abzuschaffen, indem wir eine Tarifbindung von weit über 90 Prozent erreichen, so wie das in Österreich und in Dänemark der Fall ist. Lassen Sie uns gerne miteinander darüber diskutieren, den Auftrag der Mindestlohnkommission dahin gehend zu erweitern, dass wir sagen: Neben der Lohnhöhe – der Deckel ist in der Geschäftsordnung ja schon weg –, die in der Mindestlohnkommission miteinander vereinbart werden kann, macht die Mindestlohnkommission auch Vorschläge, wie die Tarifbindung in den Branchen, beispielsweise im Pflegebereich, gestärkt werden kann. – Das ist die Zielsetzung; denn letztendlich ist die Mindestlohnkommission Hilfe zur Selbsthilfe zur Erreichung der Tarifautonomie.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Die Linke?

 

Uwe Schummer (CDU/CSU):

Lassen Sie uns das gerne im Anschluss machen. Ich denke, wir werden das Thema noch öfter miteinander diskutieren.

Uns ist wichtig, dass die Tarifautonomie gestärkt wird. Da ist ein Ansatz die Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung. Da, wo es Betriebsräte gibt, beträgt die Tarifbindung 78 Prozent. Da, wo es keine Betriebsräte gibt, liegt die tarifliche Bindung nur noch bei 25 Prozent. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt ein Betriebsrätemodernisierungsgesetz entwickeln;

(Zuruf der Abg. Katja Mast [SPD])

denn damit können wir in der Nahrungskette betriebliche Mitbestimmung, Tarifautonomie und tarifliche Löhne insgesamt stärken.

Ich denke, die Antwort auf die soziale Frage und die Frage der besten Löhne sollte sein – wie in Österreich oder in Dänemark –, nicht einen gesetzlichen Mindestlohn immer wieder neu politisch anzupassen, sondern die Tarifbindung massiv zu stärken, sie wieder über 90 Prozent zu bringen. Das könnte gut eine Aufgabe der Mindestlohnkommission sein. Es ist auch eine Aufgabe, die wir gemeinsam haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)