Thorsten Frei: In Zeiten der Globalisierung wird die Sicherheit natürlich auch am Hindukusch verteidigt
Rede zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es gut, dass wir in diesen Adventstagen über die Mandatsverlängerungen entscheiden, nicht nur aus politischen und rechtlichen Gründen, sondern auch, weil unsere Soldatinnen und Soldaten, die fernab von Familie und Heimat ihren wichtigen Dienst für unser Land tun, diese Rückenstärkung verdienen.
Ich habe in der bisherigen Debatte viel über die Probleme gehört. Es gibt diese Probleme hinsichtlich der Sicherheitslage in Afghanistan. Die Zahl der Binnenvertriebenen ist erneut gestiegen. Die Zahl der Anschlagsopfer ist seit Jahresanfang erneut um 6 Prozent gestiegen. Wir haben tatsächlich große Herausforderungen zu bewältigen. Wenn man sich die 401 Distrikte in Afghanistan anschaut, stellt man fest, dass nur 57 Prozent von der Regierung kontrolliert werden, während 30 Prozent umkämpft sind und 13 Prozent gar in den Händen der Aufständischen sind. Die Frage ist aber, welche Schlussfolgerungen man daraus zieht.
Wir haben in Afghanistan große Probleme. Afghanistan ist das Herz des internationalen Drogenanbaus und der Drogenproduktion. 9 000 Tonnen Opium werden allein in diesem Jahr produziert – eine Steigerung um 87 Prozent. Das macht insgesamt 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Afghanistans aus. Das Schlimme ist im Übrigen, dass mit diesem Geld internationaler Terrorismus finanziert wird. Etwa die Hälfte davon fließt in die Taschen der Taliban, die damit ihren Terrorismus auch bei uns in Europa und der westlichen Welt finanzieren und ermöglichen.
Vor diesem Hintergrund ist mir schon schleierhaft, wie man allen Ernstes behaupten kann, dass die Sicherheit Deutschlands nicht auch am Hindukusch verteidigt wird, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der AfD: Oh! – Ach ja?)
Wer so denkt, der denkt in den Kategorien des vorletzten Jahrhunderts. Denn in Zeiten der Globalisierung wird die Sicherheit und werden die Interessen Deutschlands und Europas natürlich auch am Hindukusch verteidigt. Wir haben ein Interesse daran, wie die Zukunft Afghanistans aussieht. Aber zu diesen Themen habe ich von Ihnen nichts gehört. Was wollen Sie eigentlich? Wir wollen nicht, dass Afghanistan wieder ein Hort und Rückzugsort für islamistischen Terrorismus wird.
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Herr Kollege Frei, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung eines Kollegen von der AfD? – Entschuldigung, ich kenne Ihre Namen noch nicht alle. Nach Weihnachten ist das vielleicht anders.
Thorsten Frei (CDU/CSU):
Bitte.
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Bitte schön.
Dr. Anton Friesen (AfD):
Vielen Dank. – Sie haben das Thema Drogen angesprochen. Welche Drogenbekämpfungsstrategie verfolgt denn die Bundesregierung,
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das müssen Sie die Bundesregierung fragen!)
oder welche Drogenbekämpfungsstrategie würden Sie uns vorschlagen?
Thorsten Frei (CDU/CSU):
Wir wissen ganz genau, lieber Herr Kollege, dass wir für Afghanistan eine Gesamtstrategie brauchen.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich bin mir nicht sicher, dass er das auch weiß!)
Das bedeutet zunächst einmal mehr Sicherheit in Afghanistan und aufbauend auf mehr Sicherheit auch Nation-Building. Genau das tun wir. Wenn Sie sich einmal die Erfolge anschauen – über sie ist wenig gesprochen worden –, stellen Sie fest: Es gibt sie nicht nur im Bereich der Gesundheitsversorgung und nicht nur bei den Bildungsmöglichkeiten, sondern beispielsweise auch beim Staatsaufbau. So ist es der afghanischen Verwaltung gelungen, das Zoll- und Steueraufkommen in den letzten drei Jahren um 13 bzw. 15 Prozent zu erhöhen. All das sind Entwicklungen, die für Stabilität in Afghanistan sorgen und dabei helfen, den Menschen Lebensperspektiven zu eröffnen. Das ist eine effektive Strategie für Sicherheit und gegen Drogenanbau und -produktion in Afghanistan.
(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt ist er hoffentlich besser informiert!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben über die Probleme gesprochen, aber es gibt auch unbestreitbare Erfolge. Nach der Beendigung der ISAF-Mission im Jahr 2015 hat sich die Sicherheitssituation zunächst deutlich verschlechtert. Das hatte auch Folgen für das zivile Leben und die ökonomische Entwicklung in Afghanistan. Es gab dort ein Wirtschaftswachstum im zweistelligen Bereich, danach ein Nullwachstum, und heute haben wir ein Wachstum von 2,9 Prozent, über das wir uns freuen.
Ich glaube, es ist wichtig, zu sagen: Wir brauchen heute die Verlängerung dieses Mandats bis März nächsten Jahres. Aber wir müssen uns auch Gedanken darüber machen, wie man das militärische Patt zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung auflösen kann.
Vorhin ist über die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten gesprochen worden, 4 000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan zu senden. Ich halte diese Entscheidung für richtig. Ich halte es auch für richtig, situationsangepasst vorzugehen und Maßnahmen nicht vom heimischen Wahlkalender abhängig zu machen, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Wir – jedenfalls die meisten von uns – kritisieren zu Recht die Aussage: Wir töten nur noch Terroristen, aber wir machen kein Nation-Building mehr. – Wer das propagiert, der darf aber nicht sagen: Wir dürfen keine vierstellige Zahl an deutschen Soldaten nach Afghanistan senden.
Wir müssen eine entsprechende Strategie entwickeln und deutlich machen, dass wir in Afghanistan Sicherheit brauchen und dass wir diese gewährleisten, indem wir die afghanische Regierung unterstützen –
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Denken Sie an Ihre Redezeit.
Thorsten Frei (CDU/CSU):
– und damit die Taliban zwingen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Denn es ist tatsächlich so: Am Ende muss ein innerafghanischer Aussöhnungsprozess stehen. Wir sind bereit, dafür die Voraussetzungen zu schaffen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)