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Thomas Jarzombek: Wer eine besonders große Meinungsmacht hat, muss auch Vielfalt zulassen

Rede zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass man nun im Deutschen Bundestag über manches diskutieren kann, was bisher als Mythos und Legende durch die sozialen Medien wabert. Bevor wir das Netzwerkdurchsetzungsgesetz beschlossen haben, haben wir dazu eine Anhörung im Rechtsausschuss durchgeführt. Diese Anhörung im Rechtsausschuss wurde ja heute schon von den Antragstellern erwähnt.

Bei dieser Anhörung haben alle Praktiker aus der Justiz – das unterscheidet auch die Gesetzentwürfe, die die FDP und die Linkspartei eingebracht haben, von dem der AfD – deutlich gemacht, dass die Durchsetzung deutschen Rechts gegenüber amerikanischen sozialen Plattformen kaum möglich ist. Warum? Weil diese Unternehmen ihren Sitz nicht in Deutschland haben und es überhaupt keinen Zustellungsbevollmächtigten dieser Unternehmen in Deutschland gibt. Deshalb ist eines der Module des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, dass wir Unternehmen wie Facebook und andere dazu zwingen, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen; denn die Praktiker aus Polizei und Justiz sagen uns: All das, was man bisher an Durchsetzung von deutschem Recht vornehmen möchte, geht nur über ein Rechtshilfeersuchen an Irland

(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Telemediengesetz!)

mit einem unendlichen Papierkrieg und mit monatelangem Gehampel.

Was ich interessant finde, ist, dass die Partei, die sich vermeintlich für Recht und Gesetz ausspricht, als einzige Partei im Deutschen Bundestag heute einen Gesetzentwurf vorlegt, laut dem diese Unternehmen keinen inländischen Zustellungsbevollmächtigten mehr haben sollen, damit also nicht mehr deutschem Recht und Gesetz unterliegen würden. Das müssen Sie Ihren Wählern einmal erklären. Ich jedenfalls verstehe es nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD)

– Nein, das ist nichts anderes. Sie müssen sich überlegen – Sie sind hier nicht in einem Schülerparlament, sondern im Deutschen Bundestag –, was genau Sie hier beantragen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Gesetzentwurf verrät Sie; denn das, was Sie fordern, heißt, dass diejenigen, die möglicherweise mit Ihnen sympathisieren und nicht wissen, wo die Grenzen des Rechtsstaates sind, künftig keinerlei Sanktionen unterliegen und am Ende sich nicht mehr deutschen Gerichten und Staatsanwälten stellen müssen. Das darf nicht passieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In der Sache kann man sehr unterschiedlicher Meinung sein, ob dieses Gesetz richtig oder falsch ist. Das Interessante jedoch ist: Es gilt noch gar nicht; es wird ja erst ab 1. Januar tatsächlich wirken. Und wenn das ganze Gesetz wirkt, dann werden wir einmal schauen, was am Ende daraus wird.

Es ist aber auch kein Geheimnis, dass es zwischen der Union und der SPD durchaus unterschiedliche Sichtweisen bei der Verhandlung darüber gab.

(Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Stimmt!)

Die SPD wollte, dass am Ende Unternehmen möglichst viel dazu beitragen, dass gelöscht wird. Wir wollten eine Selbstregulierung nach dem Vorbild zum Beispiel von Computerspielen, bei der unabhängige Leute Entscheidungen treffen und nicht die Unternehmen selbst.

(Nicola Beer [FDP]: Tun sie ja nicht!)

Wir haben uns auf einen Kompromiss verständigt, der Anreize zur regulierten Selbstregulierung beinhaltet. Leider nutzt Facebook nicht die Möglichkeit, sich des Vorwurfes zu erwehren, dass sie selber im Zweifelsfall lieber löschen, als das Prinzip zu akzeptieren, dass auch unbequeme Meinungen gepostet werden.

Ich sage deshalb nur, insbesondere an FDP und Grüne gerichtet: Wir hätten hier eine schöne Novelle des Gesetzes machen können.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

Wir hätten zum Beispiel an das anknüpfen können, was in §§ 30 ff. des Rundfunkstaatsvertrages steht, nämlich dass der, der eine besonders große Meinungsmacht hat, auch Vielfalt zulassen muss. Dazu könnte auch ein Rechtsanspruch auf Darstellung gehören. Ich gebe aber die Hoffnung noch nicht auf und freue mich auf die weiteren Diskussionen zum Thema.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Stefan Ruppert [FDP])