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Tankred Schipanski: "Jugendmedienschutz ist rechtlich eine hochkomplexe Materie"

Rede zur Änderung des Jugendschutzgesetzes

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige erste Lesung hatte einen langen Vorlauf mit einer intensiven, teilweise auch öffentlichen Diskussion. Die Koalitionspartner sind sich dabei überwiegend einig. Die Kollegin Wiesmann hat die noch zu erörternden Punkte in exzellenter Art und Weise zusammengefasst. Hoher Diskussionsbedarf bestand vielmehr mit den Staatskanzleien der Bundesländer. Von daher bin ich überrascht, dass die Bundesratsbank am heutigen Abend wieder mit Leere glänzt; denn die Länder – wir haben es gehört – beanspruchen die Zuständigkeit für diese Regelungsmaterie und bemühen sich mit viel Aktionismus, dies öffentlich deutlich zu machen.

Meine Damen und Herren, ich will zunächst in Erinnerung rufen, um welche grundsätzlichen Fragestellungen es hier geht. Jugendmedienschutz ist rechtlich eine hochkomplexe Materie, weil sich Bund und Länder die Gesetzgebungskompetenz teilen und wir zudem mit dem Modell der regulierten Selbstregulierung arbeiten – also eine Rechtsmaterie für juristische Feinschmecker. Diese Zuständigkeitsteilung wird durch die Digitalisierung ganz besonders herausgefordert. Denn durch die Digitalisierung verschmelzen Einzelmedien ineinander – wir sprechen von der sogenannten Medienkonvergenz –, und die von uns bisher vorgenommene künstliche Trennung von sogenannten Trägermedien und sogenannten Telemedien, gespickt noch mit Rundfunk, kommt an ihre realen Grenzen. Dieser Umstand benötigt eine völlig neue Antwort für eine zeitgemäße Regulierung. Und diese Antwort geben wir mit diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Sönke Rix [SPD])

Eine Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz wurde eingesetzt; der Bericht wurde 2017 präsentiert. Dort heißt es:

Bund und Länder sind sich einig, dass der gesetzliche Jugendmedienschutz weiterer Anpassungen an die konvergente Medienrealität bedarf.

Sehr richtig. Der Bund handelt jetzt mit diesem Gesetzentwurf, nachdem wir uns sehr lange mit den Ländern zu dieser Thematik abgestimmt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, das erste Buzzword in dieser Diskussion mit den Ländern – auch heute hören wir es wieder –: Doppelzuständigkeit. Wenn wir unseren Vorschlag umsetzen, kommt es zu Doppelzuständigkeiten und Rechtsunsicherheiten. Dem kann ich ganz klar entgegentreten; denn wir brauchen überhaupt erst mal einen wirkungsvollen Mechanismus. Die Einzelmaßnahmen der 14 Landesmedienanstalten werden der Vielzahl an Jugendschutzverstößen im Internet offensichtlich nicht gerecht. Allein auf YouTube werden 500 Stunden Material pro Minute hochgeladen. Mehr als 40 Prozent der 10- bis 18-Jährigen haben im Netz negative Erfahrungen gemacht; 800 000 Jugendliche berichten von Mobbing und Beleidigungen. Eine solche Menge kann ich nicht mit Einzelfallentscheidungen der sogenannten Kommission für Jugendmedienschutz, KJM, begegnen, die innerhalb eines Jahres nur 40 Verstöße gegen Jugendschutzbestimmungen im Internet feststellt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das zweite Buzzword in dieser Diskussion: europarechtliche Bedenken, insbesondere mit Blick auf die Regulierung ausländischer Anbieter. Meine Damen und Herren, gestern wurde der Digital Services Act von der EU-Kommission vorgestellt. Auch diese erkennt ganz ausdrücklich das System an, dass trotz des bewährten Herkunftslandprinzips der EU sich derjenige an unsere Vorschriften halten muss, der seinen Dienst im Binnenmarkt anbietet, egal ob er innerhalb oder außerhalb der EU niedergelassen ist. Von daher trägt dieses Buzzword „europarechtliche Bedenken“ nicht. Zudem hat die Kommission das bei der Notifizierung nicht bemängelt.

Das Hauptproblem des gegenwärtigen Jugendschutzes im Internet ist die fehlende Effektivität. Das sagen selbst die Landesmedienanstalten; Kollegin Wiesmann hat darauf zu Recht hingewiesen. Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf ein neues System etablieren, eine neue Systematik einführen, um die Effektivität des Jugendschutzes im Internet zu steigern. Es ist notwendig, dass wir diesen neuen Weg gehen, da wir sehen, dass die bisherigen Wege nicht zum Ziel geführt haben.

Ich freue mich auf die parlamentarischen Beratungen und bin zuversichtlich, dass wir diesen Gesetzgebungsprozess sehr positiv und gut abschließen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)