Stephan Stracke: Die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit wird spürbar besser
Redebeitrag zur Modernisierung des Arbeitsrechts - Mobiles Arbeiten
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Digitalisierung hat in der Coronakrise einen Schub erfahren. Videokonferenzen, Homeoffice, mobiles Arbeiten haben maßgeblich dazu beigetragen, unser Wirtschaftsleben am Laufen zu halten. Die positiven Erfahrungen aus dem Arbeitsalltag zeigen: Die digitale Transformation ist kein Schreckgespenst. Im Gegenteil: Sie macht vielmehr unsere Wirtschaft flexibler und funktionstüchtiger. Die digitale Transformation der Arbeitswelt ist auch ein Mehrgewinn für die Beschäftigten. Die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit wird spürbar besser. Die Arbeit kommt zu den Menschen und nicht umgekehrt.
Das ist auch der Wunsch der Beschäftigten. Das beweist im Übrigen auch eine aktuelle Umfrage der CSU im Bundestag – natürlich repräsentativ –
(Heiterkeit bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
von Anfang Oktober 2020. Auf die Frage, welche Maßnahmen die Politik umsetzen soll, damit sich Familie und Beruf besser vereinbaren lassen, antworten 64 Prozent, also ziemlich viele: flexible Arbeitszeiten. Das ist das, was 64 Prozent wollen. Weitere 10 Prozent wollen im Übrigen ein Recht auf Homeoffice. Das bedeutet: Zwei Drittel der Beschäftigten will mehr Flexibilität. Das ist eine Bestätigung unseres Kurses. Eine moderne Arbeitswelt braucht mehr Flexibilität, bezogen auf die Arbeitszeit, auf den Arbeitsort und natürlich auch bezogen auf die Arbeitsstrukturen. Da ist der Antrag der FDP ja tatsächlich ganz sympathisch. Nach der durchaus misslichen Rede eures Vorsitzenden heute Vormittag ist das, was du heute gesagt hast, lieber Johannes, durchaus stärker sinngeprägt.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stephan Thomae [FDP]: Das hat sogar der Kollege Stracke erkannt!)
Der Schlüssel für mehr flexibles Arbeiten ist tatsächlich eine Reform des Arbeitszeitgesetzes. Wo das Arbeitszeitgesetz einfach nicht mehr passt – und die Beispiele, die Johannes genannt hat, sind ja durchaus praxisgerecht –, da muss es auch geändert werden,
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee, da muss man einfach einen Tarifvertrag ausmachen!)
weil es der Realität eben nicht mehr entspricht. Und das wollen wir auch: Wir wollen die gesetzliche Höchstarbeitszeit pro Tag abschaffen und stattdessen eine Höchstarbeitszeit pro Woche ermöglichen.
(Stephan Thomae [FDP]: Dann mal los!)
Flexiwoche statt starrer Achtstundentag – das ist ein moderner Ansatz für die Arbeit der Zukunft, und das bedeutet im Übrigen auch mehr Freiheiten für flexible Vereinbarungen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
– Da klatscht sogar auch die CDU neben der FDP.
(Heiterkeit bei der FDP – Beifall des Abg. Carl-Julius Cronenberg [FDP])
Das nützt nicht nur denen, die von zu Hause arbeiten können, sondern tatsächlich allen Arbeitnehmern, auch denjenigen, die beispielsweise in sogenannten Anwesenheitsbranchen beschäftigt sind. Wir wollen deswegen die Spielräume der EU-Arbeitszeitrichtlinie nutzen.
Klar ist auch: Mehr Flexibilität unter der Woche, Frau Kollegin von den Linken, bedeutet natürlich nicht, insgesamt länger zu arbeiten.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber am Tag 14 Stunden, oder was? Geht’s denn noch?)
Dazu trägt beispielsweise auch die Notwendigkeit bei, die Arbeitszeit zu dokumentieren. Das hat uns ja der Europäische Gerichtshof auch noch mal deutlich gesagt.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Kollege Heilmann hat aber anders gesprochen!)
Dokumentation gibt es in beiden Bereichen, und deswegen geht beides zusammen. Auch das Arbeitszeitgesetz ist nämlich ein Arbeitnehmerschutzgesetz, und daran wollen wir natürlich nichts ändern.
(Zuruf von der LINKEN: Doch! Genau das machen Sie aber mit Ihrer Forderung!)
Anfang Oktober hat Bundesminister Heil einen Rechtsanspruch auf Homeoffice gefordert. Einen solchen Rechtsanspruch lehnen wir als Union ab. Er ist im Übrigen auch in der Koalition gar nicht vereinbart. Wir wollen ein Erörterungsrecht; wir haben niedergelegt, was da kommen soll. Wenn es einen Rechtsanspruch auf Homeoffice gäbe, wäre er nicht lebensgerecht, wenn er nicht sinnvoll mit dem Arbeitszeitrecht verknüpft würde. Und deswegen macht jetzt hier wieder Heil den zweiten Schritt vor dem ersten.
(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Ja was denn jetzt?)
Wir sagen: Da muss die Ordnung stimmen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Homeoffice geht doch mit dem ganz normalen Arbeitszeitgesetz!)
Ich habe natürlich auch Sympathie für das, was die FDP vorschlägt, nämlich weitgehende Tariföffnungsklauseln im Hinblick auf die Ruhezeiten.
(Zuruf von der LINKEN: Sie sind eine echte Strafe!)
– Da wollt ihr jetzt plötzlich keinen Tarifvertrag mehr: einerseits ja, aber wenn Tarifvertragsparteien andererseits in diesem Bereich etwas vereinbaren, ist es auch wieder nicht recht. Ein seltsames Verständnis von Tarifvertragsparteien und Autonomie in diesem Bereich!
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie doch heute schon machen!)
Erst wenn beim Arbeitszeitgesetz nachgesteuert wird, lohnt sich letztendlich auch eine Debatte über die gesetzliche Ausgestaltung von mobiler Arbeit.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie das mal begründen? – Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])
Die digitalen Technologien haben einen Schub erfahren. Diesen Schub müssen wir jetzt für eine moderne Arbeitswelt der Zukunft nutzen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Thomae [FDP]: Vernünftige Ansichten, gesunder Allgäuer Pragmatismus! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das macht mich richtig sauer! Das ist ein Schutzgesetz!)