Sebastian Brehm: Wir blicken mit Schrecken auf den Iran
Redebeitrag zu Menschenrechtsverletzungen im Iran
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Marina Nemat hat in einer Schülerzeitung einen Artikel gegen die Regierung geschrieben und einen Streik ausgelöst; das warf ihr der Revolutionswächter im Verhör vor. Nun wollte er die Namen der Komplizen wissen. Marina Nemat schweigt. Sie lauscht der Stimme ihres Peinigers, der ihr, einer Christin, aus dem Koran vorliest. Dann wird sie geschlagen, bis sie die Besinnung verliert. Als sie erwacht, hat ein Schnellgericht ihr Todesurteil schon unterschrieben. 16 Jahre alt war Marina Nemat.
Am 10. Oktober ist Welttag gegen die Todesstrafe, und wir blicken mit Schrecken auf den Iran. Die hohe Zahl der Hinrichtungen – offiziell 223 im Jahr 2018, 235 im Jahr 2019 – ist schockierend. Iran ist nach China das Land mit den meisten Hinrichtungen weltweit und an der Bevölkerungszahl gemessen sogar das Land mit den meisten Hinrichtungen. 2020 sind bereits etwa 150 Hinrichtungen bestätigt worden, darunter drei Hinrichtungen von Minderjährigen. Unter den Verstorbenen ist auch der 27-jährige Ringer Navid Afkari, der sich für Frieden und Demokratie im Iran eingesetzt hat.
Mindestens 7 000 Menschen wurden im Rahmen der Unterdrückung der Proteste im November 2019 festgenommen. 40 Menschen sind aktuell von der Todesstrafe bedroht, die unmittelbar vollstreckt werden soll. Sie sitzen im Gefängnis Evin in Teheran. Und Evin ist nicht irgendein Gefängnis. Evin ist das Symbol für brutale politische Unterdrückung, für Folter, massenhafte Todesurteile und Hinrichtungen. Dafür gibt es in dem Gefängniskomplex, in dem Tausende meist politische Häftlinge sitzen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen weggesperrt werden, auch gleich einen Gerichtssaal und einen Hinrichtungsplatz. Evin ist das iranische Symbol für Horror.
In Evin sitzt auch die Anwältin Nasrin Sotudeh, die aus Protest gegen die Zustände in den iranischen Gefängnissen, gerade in der Zeit von Corona, in den Hungerstreik getreten ist. Sie hat als Rechtsanwältin die Richterin und Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi verteidigt und viele inhaftierte Menschen in der Todeszelle, genauso wie der Anwalt und Träger des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises Abdolfattah Soltani, der Gott sei Dank nach sieben Jahren Haft, übrigens fast ausschließlich in Einzelhaft, im Jahr 2018 entlassen wurde, weil wir gemeinsam auf seinen Fall aufmerksam gemacht haben und zusammen geholfen haben, ihn freizubekommen. Nasrin Sotudeh wurde in diesem Jahr für ihr Engagement mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Im Iran wird sie für dieses Engagement mit 33 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben bestraft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, niemand, kein Regime in dieser Welt, hat das Recht, über das Leben anderer zu entscheiden.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD und der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE])
Deswegen wollen wir heute von diesem Bundestag aus ein Zeichen gegen die Todesstrafe weltweit und insbesondere im Iran setzen, gegen die massiven Menschenrechtsverletzungen im Iran. Wir fordern die Freilassung der politisch Inhaftierten, die Freilassung von Nasrin Sotudeh und die Freilassung ihrer Mitstreiter und Mitstreiterinnen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Lassen sie uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier weiter aufmerksam machen und den mutigen Menschen im Iran beistehen. Wir stehen an Ihrer Seite! Wir lassen Sie nicht alleine!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)