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Paul Lehrieder: "Wir schreiben den Menschen keinen bestimmen Lebensstil vor"

Änderung des Grundgesetzes zum Schutz der Bargeldnutzung

Sehr geehrte Frau Präsidentin des Deutschen Bundestags! Sehr geehrter Herr Präsident des Bundesmusikverbandes Chor & Orchester, Herr Kollege Strasser! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zu Ihnen von der AfD fällt mir fast nichts mehr ein.

(Ulli Nissen [SPD]: Uns auch nicht!)

Die AfD findet sich in der Realität leider nicht zurecht, oder – und das ist obendrein noch verwerflich – sie probiert mit voller Absicht auch heute wieder, zu zündeln, indem sie die Sachlage nicht so ganz genau nimmt, die Realität verdreht, um damit Sorgen und Ängste zu generieren und sich dann, wie in diesem Fall, zum Retter des Bargeldes aufzuspielen.

(Stephan Brandner [AfD]: Hat der Kollege Nüßlein Bargeld genommen oder Überweisung? Der Kollege Nüßlein, bekam der Bargeld oder bekam er es überwiesen?)

– Herr Kollege, stellen Sie eine Zwischenfrage, dann verlängert es meine Redezeit. Aber so machen wir das nicht.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Sind Sie wahnsinnig? Nein!)

Der uns zur zweiten und dritten Lesung vorliegende Gesetzentwurf steht aber leider insgesamt in der traurigen Tradition Ihres bisherigen parlamentarischen Wirkens. Sie verbreiten Fake News – Kollege Peterka hat es gerade auch wieder gemacht –, dass das Bargeld abgeschafft werden soll. Dazu gibt es keinerlei Veranlassung. Sie verunsichern die Menschen. Sie sollten sich für manche Anträge, die Sie hier stellen, ausdrücklich schämen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf zitieren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, aus der ersten Lesung am 7. November 2019. Damals stand hier der nach mir sprechende Kollege Matthias Hauer und hat laut Protokoll – ich darf zitieren, Frau Präsidentin – ausgeführt:

Ich sehe hier nur Finanzpolitiker – es sind jetzt alle hier –, also gehe ich auf Nummer sicher und frage mal: Ist jemand anwesend, der das Bargeld abschaffen möchte?

Dann folgten Zwischenrufe von Antje Tillmann und Frank Schäffler, der nach mir gesprochen hat: „Nein!“

(Karsten Hilse [AfD]: Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen!)

Niemand hat die Absicht, das Bargeld abzuschaffen; das haben Sie völlig richtig erkannt. Es wäre nur gut, wenn es die AfD auch kapieren würde.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Kannst die Frage ja noch mal stellen!)

Der Zwischenruf unseres Parlamentarischen Geschäftsführers Grosse-Brömer damals war: „Das ist der Moment, in dem man den Antrag zurückzieht!“

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Nichts haben Sie gelernt, meine Damen und Herren.

Ich kenne niemanden in der Unionsfraktion, der dies wünscht.

(Karsten Hilse [AfD]: Das Vertrauen in die CDU ist immens groß bei uns!)

Unsere Position ist seit jeher klar. Herr Kollege Peterka hat vorhin ausgeführt: Vielleicht will man bargeldlos, aber vielleicht will man auch mit Bargeld zahlen. – Wir lassen den Menschen die Freiheit, bargeldlos oder mit Bargeld zu zahlen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn jemand fürs bargeldlose Zahlen Prozente oder Nachlässe bekommt, kann ich nur sagen: Auch das haben die Menschen sich verdient. Wir schreiben den Menschen keinen bestimmen Lebensstil vor. Das ist das, was uns von euch unterscheidet.

(Jörn König [AfD]: Das stimmt nicht! Stimmt doch gar nicht!)

Meine Damen und Herren, ich könnte Ihnen viele weitere Akteure und Institutionen nennen, mit denen ein solches Vorhaben niemals umsetzbar wäre. Das würden Sie genauso beharrlich ignorieren wie das bisherige parlamentarische Verfahren. Bereits nach der ersten Lesung im Plenum im November 2019 hätten Sie, wie ich ausgeführt habe, Ihren Antrag zurückziehen sollen. Genügend gute, sachliche Gründe haben Ihnen damals der Kollege Hauer – er wird später noch reden – und der Kollege Hirte an die Hand gegeben.

(Karsten Hilse [AfD]: Ganz genau! Wie Herr Nüßlein! Sehr vertrauenswürdig!)

Aber – das zeigt sich leider immer wieder – an der Sache sind die Populisten von diesem Flügel des Bundestages gar nicht interessiert.

Bei der anschließenden Behandlung im Rechtsausschuss haben dann sämtliche anderen Fraktionen sowohl gegen Ihren Antrag als solches als auch gegen die Durchführung einer Anhörung gestimmt.

(Zurufe von der AfD)

Woran, meinen Sie, liegt das? Einen konkreten Handlungsbedarf gibt es jedenfalls nicht, weil keiner der politischen Akteure es wünscht und weil das Bargeld bereits durch Grundgesetz und übrigens auch durch den EU-Vertrag geschützt ist.

Ein weiterer handwerklicher Grund – Frau Kollegin Dilcher hat schon darauf hingewiesen –, der gegen Ihren Antrag spricht, ist der von Ihnen ausgemachte Regelungsort.

(Zurufe von der AfD)

Sie wollen den Artikel 14 des Grundgesetzes ändern und einen neuen Absatz 4 einführen. Selbst wenn man Ihr Vorhaben grundsätzlich teilen würde, was wir nicht tun, dann wäre das der falsche Ort. All das, was Sie in Ihrer Begründung des Antrags aufführen, lässt sich nämlich nicht aus der Eigentumsgarantie des Artikels 14 ableiten. Diesen Schnitzer hätten Sie auch nach der ersten Lesung korrigieren können. Aber, wie gesagt, es geht Ihnen eher um negative Stimmungsmache als um gute Politik. Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz, allgemeine Handlungsfreiheit, wäre der richtige Ort, um Ihr Anliegen zu verorten, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen. Sie haben sicher den einen oder anderen Juristen in Ihrer Fraktion, der Sie darauf hätte aufmerksam machen können, der, statt auf seinem Handy zu daddeln, darauf aufpasst, was die Fraktion hier vorlegt.

Bis jetzt kann ich Ihrem Gesetzentwurf nur attestieren: Neben dem fehlenden Handlungsbedarf ist jetzt noch ein gröberer handwerklicher Fehler hinzugekommen. Wagt man trotzdem noch einen Blick auf den Inhalt bzw. Ihre Analyse, dann wird der katastrophale Eindruck von Ihrem Machwerk leider völlig abgerundet. Sie behaupten, dass unser Bargeld aufgrund der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank entweder abgeschafft oder zumindest benachteiligt werden würde; ich habe es extra noch mal im Protokoll der 124. Bundestagssitzung nachgelesen. Damals hat das Kollege Peterka, der gerade eben auch gesprochen hat, zum Besten gegeben.

Wenn Sie wirklich glauben, dass man durch eine Änderung des Artikels 14 Grundgesetz eine Geldwertstabilität hervorrufen würde, dann zeigen Sie damit, dass Sie nicht nur mit der Juristerei, sondern auch mit der Volkswirtschaftslehre auf Kriegsfuß stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Niedrige Zinsen haben Sie übrigens auch in den USA, Japan und der Schweiz. Oder wollen Sie sagen, das läge auch an der EZB?

(Zuruf des Abg. Jörn König [AfD])

Zusammengefasst ist dieser Gesetzentwurf vollumfänglich abzulehnen. Hören Sie auf, die Menschen in unserem Land zu verunsichern in der Hoffnung, damit Stimmen zu fangen.

(Zuruf von der AfD: Das machen Sie ja schon!)

Verantwortungsvolle Politik geht anders.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)