Patrick Schnieder: "Der Rechtsstaat macht an der Tür dieses Hauses nicht halt"
Aktuelle Stunde | Vertrauensverlust von demokratischen Institutionen entgegentreten
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Wir reden heute über Transparenz von politischen Entscheidungen,
(Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Wir ja, Sie nicht!)
so jedenfalls ist der Antrag überschrieben.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Es ist eine Aktuelle Stunde!)
– So ist die Aktuelle Stunde bzw. der Antrag zur Einführung einer Aktuellen Stunde überschrieben; um ganz korrekt zu sein.
Frau Kollegin Haßelmann, Sie haben über eine Reihe von Kollegen, über eine Reihe von Vorfällen gesprochen, und das sehr zugespitzt. Das ist aber vollkommen in Ordnung. Das gehört zum politischen Geschäft.
(Zuruf der Abg. Helin Evrim Sommer [DIE LINKE])
Ich will dennoch ein paar Dinge differenziert darstellen. Es gibt Fälle, bei denen Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaften eingeleitet wurden, und es gibt Fälle, die nicht – jedenfalls noch nicht; wie auch immer – strafrechtlich verfolgt werden. Ich sage – unabhängig davon, ob die Vorgänge strafrechtlich relevant sind oder nicht –: Mein Verständnis und das Verständnis meiner Fraktion ist, dass wir als Abgeordnete diesem Land dienen und dass wir nicht den Eindruck erwecken dürfen, in Notsituationen durch Geschäfte mit Masken zu verdienen oder gar unanständig zu verdienen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Frank Schwabe [SPD]: Oder Diktatoren zu unterstützen!)
Meine Damen, meine Herren, es gibt Ermittlungsverfahren. Die Vorwürfe, die erhoben worden sind, wiegen schwer. Wir erwarten, dass unverzüglich und vollumfänglich aufgeklärt wird. Daran arbeitet die Justiz; aber wir sehen auch die betroffenen Kollegen in der Pflicht, aufzuklären und für Transparenz zu sorgen.
(Frank Schwabe [SPD]: Vier Jahre hätte Frau Strenz Zeit gehabt dazu! Vier Jahre!)
Aber ich sage auch eines: Der Rechtsstaat macht an der Tür dieses Hauses nicht halt. Deshalb gilt in diesem Verfahren auch für Politiker die Unschuldsvermutung. Deshalb dürfen wir hier keine Vorverurteilungen vornehmen. Deshalb bitte ich darum, dass wir die Debatte sachlich führen; denn das Thema ist in der Tat sensibel, und der Schaden, der da angerichtet wird, auch durch das Verhalten Einzelner, ist enorm. Vorverurteilungen feuern Ressentiments gegenüber den politischen Institutionen aber nur an, und das hilft uns allen nicht.
Lassen Sie mich auch etwas zu dem Thema Transparenz sagen. Es ist wichtig – in der Tat –, dass die Gesellschaft Vertrauen in Institutionen und in uns als Politiker hat, und das gibt es nicht ohne das notwendige Maß an Transparenz. Ich glaube, das ist auch gar nicht strittig. Es geht gar nicht um das Ob, sondern es geht um das Wie, und es geht um die Grenzen der Transparenz. Transparenz ist wichtig, aber sie ist kein Selbstzweck. Deshalb geht es uns darum, Interessenkonflikte, denen ein Abgeordneter vielleicht ausgesetzt ist, offenzulegen und erkennbar zu machen.
Was wir aber nicht wollen – ich sage das jetzt unabhängig von diesen Fällen; aber es gilt dafür genauso –: Wir wollen nicht den gläsernen Abgeordneten, den komplett gläsernen Abgeordneten.
(Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Sie wollen den goldenen Abgeordneten!
Wir wollen auch kein generelles Verbot von Nebentätigkeiten.
(Frank Schwabe [SPD]: Das hat ja auch überhaupt niemand gefordert!)
– Es gibt schon die Forderung, dass das nicht mehr möglich sein soll. Das halten wir nicht für richtig. – Man muss sich korrekt verhalten; das ist doch überhaupt keine Frage; aber wir wollen kein generelles Verbot von Nebentätigkeiten in der Politik. Denn es gibt Unternehmer, es gibt Selbstständige, die sich eine Existenz aufgebaut haben und die nicht aufgeben für vier Jahre, die sie gewählt sind in den Deutschen Bundestag.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir wollen auch nicht – das sage ich ganz deutlich –, dass jedes Gespräch, jeder Termin offengelegt wird. Dazu darf ich Frau Budras aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von gestern zitieren:
Doch zu einer Demokratie gehört der informelle freie Austausch, der die Korrektur von politischen Positionen ohne Gesichtsverlust ermöglicht. Zu viel Transparenz kann auch schaden.
(Frank Schwabe [SPD]: Es gibt noch ein paar Zitate, die dazu gehören!)
Es geht also um das richtige Maß. Sie haben das Thema Lobbyregister genannt. Wir haben in Kürze Gelegenheit, detailliert darüber zu reden.
Aber es ist natürlich ein Fortschritt, dass wir das in Kürze hier verabschieden werden. Und wir werden das in einer Art und Weise machen, für die man sich nicht verstecken muss. Da, wo Sie regieren, wo Sie die Mehrheit haben, in Baden-Württemberg – ich möchte das nur betonen –, liegt jetzt, nach knapp fünf Jahren, ein Vorschlag auf dem Tisch. Dazu sagt die LobbyControl – das ist nicht gerade ein Verein, der an unserer Seite marschiert –: Der Gesetzentwurf, – dort sind Grüne in der Regierung – hat „deutliche Schwächen und bleibt … deutlich hinter dem zurück, was Schwarz-Rot derzeit auf Bundesebene vorsieht“. – So viel zu unserem Verständnis. In Kürze werden wir dazu mehr diskutieren können.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)