Mark Hauptmann: Es ist in unserem Interesse hier in der Region mit der europäischen Nachbarschaft gut zusammenzuarbeiten
Redebeitrag zu Nord-Stream 2
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Der ehemalige amerikanische Sicherheitsberater und Außenminister Henry Kissinger hat mal gesagt: „Amerika hat keine dauerhaften Freunde oder Feinde, nur Interessen.“ Ich glaube, das ist im Hinblick auf die Debatte, die wir jetzt zum Thema „Nord Stream 2“ führen, ungemein wichtig. Ich bin überzeugter Transatlantiker, muss aber sagen: Die USA betreiben hier eine knallharte Interessenpolitik. – Das ist legitim; denn auch wir als Europäer, als Deutsche haben Interessen. Nur: Im Fall Nord Stream 2 sind es nicht die gleichen Interessen.
Was wir aktuell feststellen, ist, dass auch der neue amerikanische Präsident, der gewählte, Joe Biden, hier nicht von der Position der Trump-Regierung abweicht, sondern – ganz im Gegenteil – vielleicht sogar noch härtere Sanktionen beschließen und das auf die Versicherungs- und Zertifizierungsfirmen ausweiten wird. Um es klar zu sagen: Wir lehnen seitens der Bundesregierung, aber auch als Unionsfraktion exterritoriale Sanktionen ab. Mein geschätzter Kollege Philipp Amthor wird darauf später auch noch eingehen.
Ich muss auch von einer anderen Seite her warnen. Was wir sehen, ist, dass es nicht nur völkerrechtswidrige exterritoriale Sanktionen sind, sondern dass vor allem auch sehr viel Doppelmoral in dieser Debatte im Spiel ist. Die USA importieren selber russisches Öl auf Rekordniveau. Weil viele US-Raffinerien das leichte, beim Fracking entstehende und geförderte Erdöl selbst nicht verarbeiten können, haben sich seit 2018 die amerikanischen Importe aus Russland mittlerweile auf 11 Millionen Tonnen pro Jahr verdoppelt. Das zeigt, dass die Amerikaner hier europäische Unternehmen sanktionieren möchten, eigene Konzerne aber aus dieser Sanktionierung herauslassen möchten. Das ist mit uns, gerade seitens der Unionsfraktion und der Bundesregierung, nicht zu machen.
Ich möchte kurz auf drei Themen eingehen, die zeigen, warum wir Nord Stream 2 brauchen und warum diese Pipeline Deutschland und Europa nützt.
Erstens: die Versorgungssicherheit. Wir sehen, dass es in den letzten Jahren einen wachsenden Anteil von Gas am EU-Primärenergiemix gibt und dieser sich auch weiter ausweiten wird. 1994 betrug der Anteil 18 Prozent, 2014 lag er schon bei 22 Prozent, und 2035 soll dieser Anteil 28 Prozent betragen. Gleichzeitig sehen wir, dass europäische Förderländer wegfallen: Großbritannien, Norwegen, die Niederlande. Das heißt, wir haben insgesamt einen höheren Importbedarf bei dem Thema Gas.
Wir sehen auch nicht, dass wir eine einseitige Abhängigkeit von Russland haben. Ich kann Ihnen das als ostdeutscher Kollege sagen: Selbst in den dunkelsten Stunden des Kalten Krieges gab es stets verlässliche Lieferungen seitens Russlands.
(Zuruf von der LINKEN: Das stimmt!)
Was wir aber sehen, ist, dass durch Nord Stream 2 eine Diversifizierung der Gasversorgung entsteht, weil nämlich mehr Wettbewerb mit günstigeren Preisen für Endverbraucher entsteht. Wir sehen auch, dass man über die sogenannten Reverse Flow Capabilities osteuropäische Partner wie die Ukraine, wie Polen, wie Belarus mitversorgen kann, indem das Gas nicht nur aus einer Richtung, von Russland, in diese Länder strömt, sondern eben auch aus Europa in diese Länder zurückströmen kann. Das heißt, auch hier führt das zu einer Reduzierung der Abhängigkeiten der europäischen Partner.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es alle nicht kapiert, oder wie?)
Zweitens. Wir sehen Gas nach wie vor als emissionsarmen fossilen Energieträger, der gerade beim Stichwort „Blauer Wasserstoff“ eine Brückenfunktion einnehmen kann; und ein Land, das gleichzeitig aus der Kohle und aus der Kernenergie aussteigt, sollte nicht den Fehler machen, auch die Gasversorgung aus dem Blick zu verlieren. Deshalb halten wir es für wichtig, Nord Stream 2 weiterzuführen.
Abschließend geht es auch um die geopolitischen Interessen. Russland muss nicht an Europa verkaufen, sondern hat auf dem Weltmarkt auch andere Möglichkeiten, etwa sich an China und andere Partner anzunähern. Das ist nicht in unserem Interesse.
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Herr Kollege.
Mark Hauptmann (CDU/CSU):
Es ist in unserem Interesse – Frau Präsidentin, damit möchte ich schließen –, gerade auch aufgrund von wachsenden Handelsbeziehungen innerhalb Asiens hier in der Region mit der europäischen Nachbarschaft gut zusammenzuarbeiten und gemeinsame Projekte zu realisieren; und Nord Stream 2 kann eines dieser Projekte sein.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)