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Marcus Weinberg: Bekämpfung der Kinderarmut ist eine gemeinschaftliche Aufgabe

Rede in der aktuellen Stunde zur Familienförderung und Bekämpfung der Kinderarmut

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin immer dankbar, wenn Sie, Frau Zimmermann, das Thema „Kinderarmut bekämpfen“ anmelden, aus drei Gründen: erstens, weil Kinderarmut in Deutschland tatsächlich weiterhin ein Thema ist, zweitens, weil es uns die Möglichkeit eröffnet, hier deutlich zu machen, was wir im Koalitionsvertrag genau zu diesem Thema beschrieben haben, und, drittens – damit möchte ich gerne anfangen –, um Ihnen deutlich zu machen, welchen völlig falschen Weg Sie mit Ihren Forderungen einschlagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Zimmermann, es ärgert mich schon, wenn Sie hier sagen, wir sparten 5 Milliarden Euro ein. Ich sage Ihnen: Nein. Wir investieren 5 Milliarden Euro und noch viel Geld darüber hinaus in gezielte Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut. Das ist ein Unterschied zu der Behauptung, wir sparten 5 Milliarden Euro ein.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Ja, es wird doch trotzdem gespart!)

Im Übrigen, Frau Zimmermann, ist die Bekämpfung der Kinderarmut sicherlich eine gemeinschaftliche Aufgabe. Hier im Bund machen wir uns Gedanken darüber. Ich werde gleich viele Maßnahmen vorstellen, mit denen die Große Koalition, glaube ich, sehr zielgenau, sehr früh und auch klar steuert. Die Bekämpfung der Kinderarmut ist ein Schwerpunkt im Koalitionsvertrag. Aber ich will Sie daran erinnern, dass auch Sie Verantwortung tragen. Ich finde es sinnvoll, dass wir darüber diskutieren, wie wir die Kinderarmut bekämpfen, und uns nicht nur gegenseitig Vorwürfe machen und sagen, wer was falsch gemacht hat.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Sie sind an der Regierung!)

Aber eine Bemerkung muss erlaubt sein: Während im Bund jedes siebte Kind von Hartz IV lebt, ist es in Berlin jedes dritte Kind. Machen Sie sich mal Gedanken über Ihre Politik in den Bundesländern, in denen Sie regieren! Da hat sich nämlich nichts, gar nichts verändert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – ­Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Bundesverantwortung! Arbeitsmarktpolitik ist Bundessache! Nicht einfach auf die Länder schieben!)

Mir fällt bei Ihren Wortbeiträgen, Frau Zimmermann, immer auf, dass Sie das Thema Kinderarmut auf die materielle Kinderarmut, also rein auf das Thema finanzieller Leistungen bzw. Transferleistungen, begrenzen. Kinderarmut muss gesellschaftspolitisch breiter gesehen werden.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Ja, eben!)

Es ist auch die Frage – ich werde gleich darauf kommen –, wie wir Kinderarmut mit dem Thema Bildung, mit dem Thema „kulturelle Armut“ zusammenbringen können.

Dann zu Ihren Konzepten. Ich fange mal mit Ihrem Grundkonzept zur Kindergrundsicherung an; in fünf Minuten kann man gar nicht alles widerlegen, was Sie erzählt haben.

Erstens. Das bedeutet ganz klar eine Gefahr der Verfestigung von Transferbezug und Familienarmut, und genau das wollen wir nicht. Wir wollen so schnell wie möglich dafür sorgen, dass Menschen aus der Armut herauskommen.

Zweitens. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verringert die Gefahr von Kinderarmut deutlich. Übrigens: Die beste familienpolitische Maßnahme, die wir haben, ist der Kinderzuschlag. Durch den Kinderzuschlag – das wurde errechnet – wird das Risiko, in Armut zu fallen, um 16,5 Prozent gesenkt. Deswegen haben wir in der Großen Koalition beschlossen, 1 Milliarde Euro gezielt in den Ausbau des Kinderzuschlags, die Entbürokratisierung, die Verhinderung dieser Abbruchkante zu investieren. Das ist der richtige Weg, auch mit Blick auf das Thema „Steuerung von Erwerbstätigkeit“.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der dritte Punkt. Frau Zimmermann, Sie reden so gern über Geld. Herr Müller hat heute in der Ausschussdebatte gesagt: Sie wollen nur Ihre schwarze Null vor sich hertragen. – Wissen Sie, ganz ehrlich: Für alle, die Kinder haben, ist es wichtig, dass dieser Staat unseren Kindern nicht über neue Schulden neue Lasten aufdrückt. Deswegen ist die schwarze Null ein durchaus wichtiger Punkt.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das ist doch Blödsinn! – Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Schwachsinn!)

– Dann kommen wir mal zum Schwachsinn: Für Ihre Kindergrundsicherung rufen Sie 14 bis 15 Milliarden Euro auf. Sie haben noch nie gesagt, wo das Geld herkommen soll.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Wollen Sie Kinder in Armut lassen? Wir haben aufgelistet, wo man umschichten kann!)

Wir können gern bei allen anderen familienpolitischen Leistungen einsparen, um diese 14 bis 15 Milliarden Euro zusammenzubekommen. Das sagt Frau Zimmermann aber nicht. Frau Zimmermann sagt „Kindergrundsicherung“, aber auf die Frage der finanziellen Belastung antworten Sie in keiner Weise.

Wir haben als Große Koalition gesagt: Wir werden versuchen, Eltern wieder in Erwerbstätigkeit zu bringen. Nun muss man auch mal die Wahrheit sagen: Wir haben momentan 44,2 Millionen Beschäftigungsverhältnisse,

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Ja, prekär Beschäftigte! Die können nicht von ihrer Arbeit leben!)

so viele wie noch nie, jedes Jahr fast 1 Million mehr. Übrigens: Die Mehrzahl dieser Beschäftigungsverhältnisse sind sozialversicherungspflichtige Jobs, und sie sind gut bezahlt.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Schönreden! Schöne-Wetter-Rede!)

Um mal auf die Arbeitsverhältnisse einzugehen: Bei den normalen Arbeitsverhältnissen, wie es so schön heißt, also unbefristete Arbeitsplätze mit mehr als 20 Wochenstunden, haben wir aktuell den höchsten Stand seit 1993 erreicht. Wir haben trotzdem noch Kinderarmut, und wir haben trotzdem noch das Ziel, Kinderarmut zu bekämpfen. Man sollte die Dinge wirklich wahrheitsgetreu wiedergeben, so, wie sie wirklich sind.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Das sollten Sie mal machen!)

Deswegen haben wir gesagt: Erhöhung des Kinderzuschlags. Tatsächlich investieren wir hier 1 Milliarde Euro.

Übrigens: Zum Thema, Eltern in Erwerbstätigkeit zu bringen, haben wir uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt,

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Papier ist geduldig!)

dass wir für soziale Arbeit, soziale Teilhabe 4 Milliarden Euro investieren, weil wir genau diese Zielgruppe in den Fokus nehmen.

Für die Erhöhung des Kinderzuschlags ist 1 Milliarde Euro veranschlagt. Hier geht es darum, die Abbruchkante abzuschaffen, zu entbürokratisieren. Dazu gehört auch der Freibetrag für Vermögen und Einkommen des Kindes.

Dann gibt es einen Bereich, in dem die Große Koalition über 5 Milliarden Euro investieren wird. Das ist der Ausbau der Ganztagsbetreuung, und das ist die Qualität der Kindertagesbetreuung.

(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: 2025!)

Gerade mit dem Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung im Grundschulalter – 12 Milliarden Euro werden aufgerufen – schaffen wir es doch, eine Vereinbarkeit hinzubekommen und Angebote zu machen, damit die Menschen in den Arbeitsmarkt zurückkehren können. Ich glaube, das ist der richtige Ansatz, wenn es darum geht, zielgenau zu investieren.

Ausbau und Entbürokratisierung des Bildungs- und Teilhabepakets gehören ebenfalls dazu, auch das Schulstarterpaket. All das steht im Koalitionsvertrag.

Wir haben uns in der Großen Koalition vorgenommen, sehr gezielt zu überlegen: Wie können wir mit konkreten Maßnahmen früh, zielgenau

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Die Gießkanne nehmen wir dann für die Vermögenden!)

und bedarfsorientiert investieren? Mit der großen Gießkanne – Sie haben nie belegt, woher die Gelder kommen sollen – wird es nicht funktionieren, die Kinderarmut zu bekämpfen. Wir sollten klug vorgehen, daran denken, dass das die nachfolgende Generation ist,

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Lesen und nicht die Vorschläge ignorieren, die wir machen! Einfach mal lesen!)

und deswegen auch auf eine Neuverschuldung verzichten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)