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Maik Beermann: Unser aller Ziel ist es, dass es ein Gute-Kita-Gesetz wird

Rede zur Weiterentwicklung und Teilhabe in der Kindertagesbetreuung

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ministerin hat ihre Rede mit dem Satz begonnen: Heute ist ein guter Tag. – Ja, das ist es wirklich. Ich möchte das aber etwas anders begründen. Ich finde, heute ist ein guter Tag, weil es endlich mal gelungen ist, dass ein wirklich wichtiges familienpolitisches Thema so hochgezogen wurde, dass es jetzt in der Kernzeit, sozusagen in der Primetime dieses Parlaments, diskutiert wird.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Das ist wirklich ein toller und großer Erfolg auch für unsere Familien.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])

Dann möchte ich auch noch ganz kurz auf die Einlassung der Kollegin Baerbock eingehen. Frau Kollegin, Sie haben gesagt, dass der Fachkraft-Kind-Schlüssel deutlicher im Gesetzentwurf hätte festgeschrieben werden müssen.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Wir haben unter § 2 – wenn Sie sich den Gesetzentwurf anschauen, werden Sie das feststellen – geregelt, dass ein guter Fachkraft-Kind-Schlüssel sichergestellt wird. Diese Formulierung im Gesetzentwurf ist eben genau so gefasst worden, weil man sich mit den Ländern nicht auf eine klare Relation einigen konnte. Sie wissen bestimmt besser als ich, dass in vielen Länderparlamenten eben auch die Grünen mitregieren. Das heißt, auch aufgrund der Grünen in den Ländern konnte man sich anscheinend nicht darauf verständigen, eine andere oder deutlichere Relation festzuschreiben.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das stimmt ja nun nicht!)

Es ist nicht redlich, sich hierhinzustellen und das sozusagen in Gänze schlechtzureden, wenn man genau weiß, dass das auch in den Verantwortungsbereich der Länder fällt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie geben doch das Geld! Sie sind der Gesetzgeber!)

Sehr geehrte Frau Ministerin Giffey, Sie haben in Ihrer Rede von einem Gute-Kita-Gesetz gesprochen. Ja, unser aller Ziel ist es auch, dass es ein Gute-Kita-Gesetz wird. Allerdings muss ich sagen, dass der Weg bis dahin wahrscheinlich etwas länger und möglicherweise auch etwas steiniger werden könnte; denn wir haben den Familien ja eines im Koalitionsvertrag versprochen – das ist aus meiner Sicht auch ganz wichtig –, nämlich eine bestmögliche Betreuung für ihre Kinder. Bereits Helmut Kohl hat einmal gesagt: „Ein Land mit Kindern ist ein Land mit Zukunft.“ Damit hat er auch recht; denn Familien sorgen letztendlich dafür, dass in diesem Land Zukunftsfähigkeit gestaltet werden kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der von Frau Ministerin Giffey vorgelegte Gesetzentwurf will mit 5,5 Milliarden Euro bis 2022 sowohl Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität als auch eine Entlastung der Eltern bei den Gebühren fördern. Die Länder sollen dabei selbst entscheiden, wofür sie die Bundesmittel ausgeben. Das heißt auch, dass die Länder theoretisch die Möglichkeit haben, diese gut 5 Milliarden Euro an Bundesmitteln vollständig in die Beitragsfreiheit zu stecken. Ja, ich weiß, dass den Handlungsfeldern 1 bis 4 im Gesetzentwurf zwar Priorität eingeräumt wird. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass die Länder das Geld letztendlich auch zwingend dafür einsetzen müssen.

(Matthias Seestern-Pauly [FDP]: Niedersachsen!)

Solange die Gebührenfreiheit als Maßnahme in der Vorschrift zur Qualitätsverbesserung geregelt ist, ist das eben in der Form möglich, wie ich es gerade dargestellt habe. Da stellen sich mir die Fragen: Wollen wir das Gesetz ernsthaft so auf den Weg bringen? Oder wollen wir ein Gesetz auf den Weg bringen, das klar für eine bessere Qualität in der Kindertagesbetreuung steht?

Ich verrate an dieser Stelle auch kein Geheimnis, wenn ich deutlich sage, dass die Union die Beitragsfreiheit angesichts der prioritären Aufgaben, nämlich mehr Plätze und eine gute Qualität zu schaffen, derzeit ablehnt. Ich sage ganz deutlich: derzeit ablehnt! Wir haben – das haben wir in unterschiedlichen Reden schon gehört – eine Pflichtaufgabe: Qualität steht aus meiner Sicht an oberster Stelle. Wenn wir diese Pflichtaufgabe erfüllt haben, können wir uns auch um die Kür kümmern, nämlich um die Beitragsfreiheit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ich weiß, Sie haben Beitragsfreiheit im Wahlkampf versprochen. Wollen wir aber ernsthaft die Stimmen der Expertinnen und Experten und vor allem auch die Stimmen der Eltern ignorieren, die, wenn sie nach langer Suche einen Platz gefunden haben, sogar bereit sind, für eine gute Qualität sogar einen Beitrag zu leisten? Ich kann nur empfehlen, an dieser Stelle noch einmal innezuhalten,

(Sönke Rix [SPD]: Wie ist das denn in Niedersachsen? Wer regiert denn in Niedersachsen? Ist da nicht auch die CDU dabei? Und in Mecklenburg-Vorpommern regiert doch auch die CDU und führt die Beitragsfreiheit ein!)

Ihre Forderung zu überdenken und anschließend gemeinsam mit uns ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das klar für eine bessere Qualität steht.

Eine Beitragsfreiheit – wie hier in Berlin bis zur Grundschule – kann daher nur Zukunftsmusik sein und ist Aufgabe der Länder. Wir, lieber Sönke Rix, müssen uns eben auch die Frage stellen, ob wir immer und immer wieder in unserem föderalen Staatssystem den Eingriff des Bundes in die Hoheit der Länder wollen. Wenn wir das tatsächlich wollen – das sage ich ganz ehrlich –, müssen wir eben darüber nachdenken, ob wir das föderale System, so wie es jetzt besteht, verändern. Wir können nicht immer diesen Weg gehen und sagen: Der Bund übernimmt zusätzliche Aufgaben, und die Länder freuen sich darüber, dass wir Geld geben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sönke Rix [SPD]: Ich habe gesagt, dass das zusätzliche Mittel sind!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so wie ein Baum in der Erde fest verwurzelt ist, fundiert auch jedes Gesetz, das wir hier im Deutschen Bundestag verabschieden, auf unserem deutschen Grundgesetz. Soweit es irgendwelche verfassungsrechtlichen Bedenken gibt bzw. geben sollte, werden wir diese klären und die entsprechenden Bedenken ausräumen. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Betreuungsgeld hat uns klare Vorgaben an die Hand gegeben, und diese sind von uns Parlamentariern auch einzuhalten und umzusetzen.

(Andrea Nahles [SPD]: Hä?)

Es wurde in mehreren Reden immer wieder die Notwendigkeit einer langfristigen Finanzierung durch den Bund über das Jahr 2022 hinaus angesprochen. Als Grund wurde insbesondere Planungssicherheit für die Länder in den Raum gestellt. Auch ich wurde in den letzten Wochen in meinem Wahlkreis im Schaumburger Land und im Landkreis Nienburg immer wieder von Kommunalpolitikern angesprochen, die darum gebeten haben, bei unseren Überlegungen auch zu bedenken, dass ein kurzfristiges Unterstützungsprogramm sich langfristig nicht zulasten der kommunalen Haushalte auswirken darf. Ja, ich kann diese Bedenken auch als Kreistagsabgeordneter gut nachvollziehen und werde mich – das möchte ich an dieser Stelle betonen – dafür starkmachen; denn wir müssen hier auch immer die Auswirkungen unserer Gesetze auf die kommunale Ebene im Blick haben. Ansonsten gibt es Schwierigkeiten und wir laufen Gefahr, uns Diskussionen auszusetzen, die dann nicht unbedingt immer förderlich sind.

(Andrea Nahles [SPD]: Was ist das denn?)

Es gibt aber auch eine Erwartungshaltung gegenüber den Ländern. Erstens erwarte ich, dass auch die Länder, deren ureigene Aufgabe die Sicherstellung der Qualität in der Kindertagesbetreuung ist, ihren Anteil erbringen werden, und zweitens werden wir genau hinsehen und beobachten, ob die Gelder, die vom Bund bereitgestellt werden, auch wirklich dafür eingesetzt werden, wofür sie gedacht sind, nämlich für die Verbesserung der Qualität in der Kindertagesbetreuung, also für unsere Kinder.

Wir werden parallel dazu dafür sorgen – das hat auch die Ministerin angesprochen –, dass die Bundesprogramme „Sprach-Kitas“ und „KitaPlus“, die maßgeblich und zielgerichtet für die Verbesserung der Qualität in der Kindertagesbetreuung eingerichtet wurden, fortgeführt und weiterentwickelt werden; denn nur so gelingt es, das Beste für unsere Kinder herauszuholen.

In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen, erwarte ich in den kommenden Wochen spannende und gute parlamentarische Beratungen. Und wenn es uns dann sogar noch gelingt, aus einem Gute-Kita-Gesetz ein sehr gutes Kita-Gesetz zu machen, dann sind wir auf einem guten Weg.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)