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Klaus-Dieter Gröhler: Wir haben gelernt, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Gut ist

Rede in der Aktuellen Stunde zum Kurs der großen Koalition in der Haushalts- und Finanzpolitik

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Ich traue mich fast gar nicht ans Rednerpult. Ich habe keinen Zwei-Meter-Zollstock dabei, ich habe auch kein 30-Zentimeter-Lineal dabei.

(Heiterkeit des Abg. Otto Fricke [FDP] – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Aber eine rote Krawatte!)

Ich habe als Haushälter ganz einfache, banale Zahlen,

(Beifall des Abg. Otto Fricke [FDP])

und die will ich mal in den Vordergrund stellen:

2013 haben wir 32 Milliarden Euro aus Bundesmitteln ausgegeben, nur um Zinsen zu zahlen; das waren mehr als 10 Prozent des ganzen Bundeshaushaltes. 2009, auf dem Höhepunkt der Krise, haben wir eine Neuverschuldung von 34 Milliarden Euro gehabt, die wir eins zu eins weitergeben konnten, weil wir Zinszahlungen in Höhe von 35 Milliarden Euro leisten mussten. Aktuell, 2019, werden wir knapp 18 Milliarden Euro für Zinszahlungen ausgeben müssen. Das ist der Situation niedriger Zinsen geschuldet; aber immerhin sind es noch 18 Milliarden. Nur mal zum Vergleich: Das ist so viel, wie der Haushalt für Bildung und Forschung umfasst. Das heißt, hätten wir keine Staatsschulden, könnten wir das Doppelte für Bildung und Forschung ausgeben.

Meine Damen und Herren, ich habe den Rednern sehr intensiv zugehört, und ich muss ganz ehrlich sagen: Keiner hat mir überzeugend dargestellt, warum wir jetzt tatsächlich in eine Neuverschuldung gehen sollten. Wir bewegen uns jetzt ins siebte Jahr ohne Neuverschuldung. Ich habe den Eindruck, dass der eine oder andere sagt: Sieben Jahre, das ist zu lang! Ich brauche endlich wieder dieses süße Gift der Staatsverschuldung.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

An dieses süße Gift, meine Damen und Herren, sollten wir uns nicht erneut gewöhnen; denn die Entwöhnungskur würde wieder schwierig werden. Wir haben doch auch gar keinen Bedarf danach. Wir haben doch kein Einnahmeproblem. Bund, Ländern und Gemeinden haben so hohe Steuereinnahmen, wie sie sie noch nie hatten. Da gibt es doch überhaupt keinen Grund, zu sagen: „Ich brauche zusätzliches Geld“; denn die Investitionsmaßnahmen – Ihre Kollegen haben darauf hingewiesen – sind im Hochlauf. Wir haben zusätzlich ein Klimapaket auf den Weg gebracht, das durch staatliche Finanzmittel umfangreiche private Investitionen nach sich ziehen wird. Deshalb frage ich: Was würden uns denn zusätzliche Schulden bringen? Jedenfalls nicht mehr Investitionen, die tatsächlich umgesetzt werden können.

Ich habe mir vom Kollegen Rehberg noch einmal die Zahlen geben lassen, wie viel die Kommunen im letzten Jahr für Investitionen ausgeben wollten. Für ganz Deutschland sind das 34 Milliarden Euro. Tatsächlich ausgegeben haben sie 22 Milliarden.

(Bernhard Daldrup [SPD]: Sagen Sie, warum!)

Auch das zeigt wieder: Das Problem war nicht, dass das Geld nicht da war, sondern dass das Geld nicht abgeflossen ist.

Jetzt wird gefragt, warum. Darauf haben wir mehrfach hingewiesen: weil wir erhebliche Umsetzungsprobleme und Planungshindernisse haben. Lassen Sie uns doch bitte lieber darangehen, diese abzubauen, als nach neuen Staatsschulden zu rufen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bettina Stark-Watzinger [FDP] – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wer ruft denn eigentlich danach? Ich weiß gar nicht, wer danach ruft!)

– Na, ich habe einige hier gehört, die sagen: Lasst uns die Schuldenbremse abschaffen. – Nein, natürlich nicht der liebe Koalitionspartner, Herr Kollege; aber der eine oder andere hat ja doch gesagt, er wolle die Schuldenbremse außer Kraft setzen oder gar abschaffen.

Da will ich noch einmal erinnern: Wir haben ja gelernt, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Gut ist. Wer aber glaubt, dass Nachhaltigkeit nur eine ökologische Frage ist, der irrt.

(Bernhard Daldrup [SPD]: Stimmt!)

Ich glaube, wir sollten, insbesondere weil wir wissen, dass in Zukunft weniger Menschen in diesem Land das Bruttosozialprodukt erwirtschaften müssen, diesen weniger werdenden Menschen nicht immer mehr Schulden hinterlassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eins will ich auch sehr deutlich sagen: Deutschland unterschreitet jetzt zum ersten Mal wieder die Maastricht-Kriterien.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Ja! Aber nicht, weil wir gespart haben!)

Welches Recht haben wir, von anderen Ländern in Europa wie Frankreich, Italien oder Griechenland zu fordern, dass auch sie in Zukunft weniger Schulden machen, wenn wir sofort, nachdem wir das erste Mal wieder die Maastricht-Kriterien unterschreiten, nach neuen Staatsschulden rufen? Ich glaube, wir haben dann international unseren Anspruch verfehlt. Wir können den anderen Ländern nicht sagen: „Bitte spart jetzt auch mal ein bisschen“, wenn wir selbst wieder richtig aus dem Vollen schöpfen.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen müssen wir investieren im Rahmen der Maastricht-Kriterien!)

Ich glaube, bei dieser Debatte ist sehr klar geworden, meine Damen und Herren, dass die Bürgerinnen und Bürger insbesondere auf eine Partei setzen sollten, wenn es darum geht, Staatsfinanzen verantwortungsvoll zu gestalten:

(Bernhard Daldrup [SPD]: SPD! Super! Gut!)

Das sind die CDU und die CSU, zurzeit auch zusammen mit unserem Koalitionspartner und Olaf Scholz als Finanzminister.

(Bernhard Daldrup [SPD]: Sehr gut!)

Ich hoffe mal, dass das so bleibt.

Ich bedanke mich für das Zuhören und wünsche einen schönen dritten Advent.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)