Skip to main content

Kerstin Vieregge: Wir setzen ein deutliches Zeichen: jüdisches Leben gehört zur Bundeswehr

Rede zum Gesetz über die jüdische Militärseelsorge

Kerstin Vieregge (CDU/CSU):

Herr Bundestagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Plenardebatte vom 15. Mai hat Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer zu Recht ausgeführt, welche Bedeutung Militärseelsorge für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr hat. Wer im Dienst für unser Land sein Leben aufs Spiel setzt, hat selbstverständlich Anspruch auf Seelsorge. Gerade wer die Einsatzgebiete der Bundeswehr kennt, weiß, wie bedeutsam das ist. Militärseelsorge spendet Sinn, Rückhalt, Fürsorge und Trost in belastenden Situationen.

Die Arbeit der evangelischen und katholischen Seelsorger ist von wesentlicher Bedeutung für die Bundeswehr. Es ist also eine großartige Sache, dass nun auch die rund 300 Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens auf diese Weise betreut und bestärkt werden; denn selbstverständlich wird damit nicht nur das Grundrecht auf freie Ausübung der eigenen Religion betont, sondern auch die Ausübung des Glaubens an sich gestärkt.

Unsere Aufgabe heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es, dem Vorhaben die notwendige parlamentarische Legitimität zu geben. Natürlich kann dies eines Tages ebenso für Angehörige anderer Religionen gelten. Ministerin Kramp-Karrenbauer hat vor zwei Wochen orthodoxe Christen und Muslime genannt. Sicher ist es noch ein weiter Weg dorthin. Viele Voraussetzungen müssen erfüllt werden. Doch der schnelle Umsetzungsweg im Fall der jüdischen Militärseelsorge zeigt auch, was alles möglich sein kann, wenn der politische Wille vorhanden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Fritz Felgentreu [SPD] und Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bereits in der gestrigen Sitzung des Verteidigungsausschusses habe ich darauf hingewiesen: Jüdisches Leben hat in deutschen Streitkräften schon lange dazugehört, auch wenn die Soldaten oft an eine Art gläserne Decke der Diskriminierung stießen. Offizierslaufbahnen blieben ihnen verwehrt. Doch noch im Ersten Weltkrieg zum Beispiel kämpften rund 100 000 Soldaten jüdischen Glaubens. Viele wurden für Tapferkeit und andere militärische Leistungen hoch dekoriert. Leider fielen etwa 12 000. Seelsorgerisch betreut wurden sie von eigenen Feldrabbinern.

Mit der Zeit des Nationalsozialismus endete dies. Das Andenken an diese Veteranen wurde getilgt. Die meisten fielen dem Holocaust zum Opfer. Aus zahlreichen Berichten über diese Zeit wissen wir, wie wenig diese ehemaligen Soldaten, die sich zumeist als deutsche Patrioten sahen, wahrhaben konnten, weshalb ihr Vaterland sich auf eine solche Weise gegen sie wandte.

In den Jahren und Jahrzehnten des Wiederaufbaus und der Nachkriegszeit entwickelte sich behutsam das Verhältnis unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens zur Bundeswehr zum Guten. Heute, 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, ist es eine Selbstverständlichkeit, wenn jüdische Soldatinnen und Soldaten in der deutschen Armee dienen.

Doch leider erleben wir seit einigen Jahren mitten in Deutschland eine starke Zunahme von Judenhass und Antisemitismus. Alte Ressentiments werden geschürt. Radikale und extremistische Positionen werden wiederbelebt. Insbesondere durch das Internet ist heute jede noch so abstruse Theorie schnell auf ihrem Weg um die Welt. Leider ist der argumentative Weg von Bill Gates und dem Coronavirus zur zionistischen Weltverschwörung für allzu viele Wirrköpfe vorgezeichnet.

Insofern meine ich, dass wir mit dem nun anstehenden Parlamentsbeschluss ein wichtiges Zeichen setzen – nicht im Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus; dafür ist das Vorhaben zu klein und letztlich zu selbstverständlich. Aber wir setzen ein deutliches Zeichen, indem wir heute feststellen: Jüdisches Leben gehört zu Deutschland, und jüdisches Leben gehört zur Bundeswehr.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens sowie jeder anderen Religion als Staatsbürger in Uniform für Deutschland und die freiheitlich-demokratische Grundordnung einstehen, dann ist das ein Grund für Freude und Stolz.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)