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Jens Koeppen: "Wir wollen eine bundesweite Abstandsregelung"

Rede zu Erneuerbare Energien

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vier verschiedenen Anträge, die vorliegen, zeigen die unterschiedlichen Lösungsansätze für die Förderung der erneuerbaren Energien. Die AfD will gar keine Förderung mehr; sie will sofort das EEG ersatzlos streichen,

(Beifall des Abg. Martin Hebner [AfD])

wohl wissend, dass es natürlich hier auch eingegangene Verpflichtungen gibt

(Karsten Hilse [AfD]: Das wollen wir weiterhin!)

und dass das EEG natürlich etwas erreicht hat. Auf der anderen Seite sind die Kontrahenten von Bündnis 90/Die Grünen, die die Fördertatbestände für Jahrzehnte ausweiten wollen. Sie wollen nicht nur den Bestand erhalten, sondern ihn auch für Jahrzehnte ausbauen, wohl wissend, dass das EEG bis in die Europäische Kommission hinein mehr als umstritten ist.

Unstrittig sollte aber sein, auch bei Ihnen, dass das EEG sich mindestens erheblichen, grundlegenden Veränderungen unterziehen muss. Denn es muss erstens, wenn es in Zukunft Bestand haben soll, nachhaltig der Umgestaltung der Energieversorgung dienen, und nicht der Renditeversorgung, es muss zweitens natürlich der Bezahlbarkeit dienen,

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und es muss drittens – das ist das Allerwichtigste – der Versorgungssicherheit dienen, ansonsten macht das alles wenig Sinn.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Meine Damen und Herren, auch von den Grünen, ein jegliches hat seine Zeit. Das EEG hat seine Schuldigkeit getan. Für die 90er-Jahre war es ja möglicherweise noch innovativ und hat den Erneuerbaren das Laufen beigebracht. Aber wenn Sie nach 20 Jahren Ihrem eigenen Kind immer noch Stützräder anbauen, dann müssen Sie sagen: Da haben wir irgendwas falsch gemacht. – Also, überlegen Sie mal, ob diese Hilfe noch so notwendig ist. Wir sagen Nein. Wir brauchen für die 20er-Jahre eine neue, eine technologieoffene, eine innovative, eine marktwirtschaftliche Instrumentengebung

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir doch schon längst!)

wie zum Beispiel den Emissionshandel, basierend auf Fakten, basierend auf Innovationen und nicht basierend auf Emotionen.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: ETS baut keine Erneuerbaren in Deutschland auf!)

Meine Damen und Herren, jedwede Einengung, wie sie eben vom Kollegen Hofreiter vorgenommen wurde, auf nur einzelne Technologien und jede noch so gut gemeinte planwirtschaftliche Mikrosteuerung ist nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP und des Abg. Dr. Bruno Hollnagel [AfD])

Mit dem Klimaschutzprogramm 2030 – das muss nicht jedem gefallen; ich bin auch nicht mit allen Maßnahmen dort einverstanden, aber man kann ja dran arbeiten, dass es besser wird – liegt jetzt ein Fahrplan vor, der festlegt, was in der kommenden Zeit auf den Weg gebracht werden soll.

Jetzt wurde der Kohleausstieg schon angesprochen, Herr Kollege Hofreiter. Eins ist doch klar: Mit dem Verzicht auf die Kernenergie und mit dem Verzicht auf die Kohleverstromung gehen wir das Risiko einer Operation am offenen Herzen ein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Das ist aus meiner Sicht die größte finanzielle und die größte technologische Herausforderung,

(Johann Saathoff [SPD]: Genau! Mehr Erneuerbare!)

der sich die Bundesrepublik Deutschland in diesem Bereich jemals gestellt hat. Das ist nicht von heute auf morgen erreichbar, sondern man muss da letztendlich behutsam vorgehen. Dass das altbackene EEG dabei hilft, da habe ich meine Zweifel.

Ehe man versucht, alles in der Gesellschaft zu elektrifizieren, wie Sie das eben gerade gesagt haben, also den Verkehr und auch die Haushalte,

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er überhaupt nicht gesagt!)

muss man überlegen, ob das wirklich Sinn macht oder ob man nicht besser mit einer guten Wasserstoffstrategie, die jetzt auf den Weg gebracht wurde, neue Energieträger geländegängig macht und am Ende des Tages nicht nur der Elektrifizierung das Wort redet.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

 

Jens Koeppen (CDU/CSU):

Bitte schön.

 

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke schön, Herr Koeppen. – Ich möchte einmal klarstellen, dass mein Kollege überhaupt nicht gesagt hat, dass alles elektrifiziert werden muss; das ist eine Falschbehauptung, die immer wieder auftaucht. Es wird mehr elektrifiziert werden, aber natürlich nicht alles.

Sie haben daraufhin selbst die Wasserstoffstrategie angesprochen. In der Erneuerbaren-Strategie der Bundesregierung ist ja eine Stagnation des Stromverbrauchs bis 2030 vorgesehen. Es gibt also keinen Zuwachs für Digitalisierung, es gibt keinen Zuwachs für Elektromobilität, es gibt keinen Zuwachs für Power to Heat, bzw. Sie wollen das alles irgendwie ausgleichen durch Effizienzgewinne, die Sie in der Vergangenheit nie erreicht haben.

Wenn Sie jetzt eine Wasserstoffstrategie fordern, möchte ich Sie fragen: Glauben Sie, dass diese Wasserstoffstrategie ohne einen Heimatmarkt auskommt? Glauben Sie, dass es von Anfang an, ab nächstem Jahr, über Importe laufen wird, oder wollen Sie warten, bis die Importe da sind? Mit welchem erneuerbaren Strom soll Ihre Wasserstoffstrategie unterlegt werden?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Butter bei die Fische!)

 

Jens Koeppen (CDU/CSU):

Das eine schließt das andere nicht aus.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich müssen wir den internationalen Markt und den Heimatmarkt bedienen. Ich bleibe mal bei Wind onshore: Wenn wir unsere 30 000 Windkraftanlagen bis zum Jahre 2030 repowert haben, haben wir 70 GW. Die 70 GW, die wir fordern und die auch Sie fordern, haben wir dann, weil die Anlagen über 3,5 MW haben werden. Das ist doch eine gute Regelung. Jetzt haben wir 30 000 Anlagen; bei 70 GW bräuchten wir am Ende nur 20 000 Anlagen. Also: Es ist genügend Platz für den Heimatmarkt. Aber dass es nicht funktionieren kann, hier bei uns in Deutschland am Ende alles alleine schaffen zu wollen, ist Ihnen doch wohl auch klar.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, sich nur auf Wind und Sonne zu konzentrieren, zeugt natürlich von einem gewissen beschränkten Energiehorizont. Sie sagen ja: Wenn ein Anteil von 65 Prozent erneuerbare Energien ausgerollt ist, ist das Ziel erreicht.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mitnichten ist es dann erreicht! Mitnichten! Denn es ist erst dann erreicht, wenn die 65 Prozent durch den Zähler geflossen sind, und das ist der kleine, aber feine Unterschied zwischen elektrischer Leistung und elektrischer Arbeit. Da müssen Sie sich noch mal ein bisschen schlaumachen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Dabei können wir Ihnen aber helfen.

Ein Beispiel: Die benötigte Höchstlast in Deutschland beträgt ungefähr 85 GW. 120 GW erneuerbare Energie sind bereits über das EEG installiert und kosten jährlich über 30 Milliarden Euro. Sie haben gerade auf den Heimatmarkt abgehoben. Da muss man doch sehen: In Deutschland sind es beim Windstrom an Land circa 2 000 Stunden, bei der Sonne 900 Stunden. Aber wenn der Strom in der Menge der Höchstlast, also diese 85 GW, 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr da sein soll, dann macht das 8 760 Stunden. Sie müssen doch sehen, dass da eine Lücke ist, die wir nie alleine nur mit Wind und Sonne füllen können.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD – Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie machen?)

Deshalb ist das, was Sie fordern, eine Scheinlösung. Selbst wenn Sie die Anlagenzahl verdreifachen würden, würde es nicht ausreichen, wäre die Verfügbarkeit immer noch volatil. Und das ist das Grundproblem.

Wind und Solar – da gebe ich Ihnen natürlich uneingeschränkt recht – sind ohne Zweifel die wichtigste Säule der Energiewende, aber nicht die einzige; die Zahlen habe ich Ihnen ganz genau genannt. Sie allein können die Versorgungssicherheit nicht gewährleisten.

Was mich, sehr geehrter Herr Kollege Hofreiter, erschüttert, ist, wie Sie und insgesamt das ganze Spektrum hier

(Enrico Komning [AfD]: Linke-Spektrum!)

wieder mit den Anwohnern in den Windeignungsgebieten umgehen.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Sehr richtig!)

Das erschüttert mich aufs Tiefste.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD und der FDP und des Abg. Andreas G. Lämmel [CDU/CSU])

Sie fordern in Ihrem Antrag – ich zitiere –, dass man „auf Pauschalabstände … verzichtet und stattdessen die bestehenden Abstandsregelungen … als sinnvollen Maßstab verwendet“. Sie ziehen da das BImSchG heran. Das BImSchG setzt im Durchschnitt 600 Meter fest. Sind Sie wirklich der Meinung, dass 600 Meter bei einer Anlagengröße von 250 Metern – und es sind Dutzende Anlagen in einem Windpark um die Wohngebäude – die ausreichende Größe ist, ja oder nein? Dann stellen Sie sich hierhin und sagen das den Menschen!

(Beifall bei der CDU/CSU, der AfD und der FDP – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann ändern Sie doch das Immissionsschutzgesetz!)

Ich sage Ihnen eins: Wenn Sie das sagen, dann sollten Sie mal bitte Ihr Verständnis von Akzeptanz überprüfen. Zu Recht beklagen das Tausende Bürgerinitiativen. Sie blockieren damit die Energiewende, weil Sie den Menschen die Gelegenheit geben, sich dagegen aufzulehnen.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das lehnen wir rigoros ab.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen sagen wir: Wir wollen eine bundesweite Abstandsregelung; die wird jetzt auf den Weg gebracht. Der können Sie zustimmen, oder Sie können nicht zustimmen. Aber Sie müssen den Leuten erklären, dass Sie am Ende auch für die Gesundheit der Menschen zuständig sind.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielen Dank! Manchmal rutscht Ihnen die Wahrheit einfach raus!)

Das Fazit – das sage ich Ihnen als Letztes versöhnlich –: Steigen wir von dem alten Klepper EEG ab, und steigen wir um auf ein tragfähiges, auf ein solides und ein zukunftsfähiges Gefährt!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Martin Neumann [FDP])