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"Israels Anspruch auf Ost-Jerusalem ist völkerrechtlich nicht anerkannt"

Unionspolitiker und Nahostexperte Johann Wadephul zu Trumps umstrittener Israel-Entscheidung. 

US-Präsident Donald Trump hat verkündet, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die Botschaft der Vereinigten Staaten dorthin zu verlegen. Was genau das bedeutet, erklärt Außenpolitiker und Nahost-Experte Johann Wadephul im Kurzinterview:

Herr Wadephul, weshalb ist die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels so brisant?

Der Status von Jerusalem ist bis heute einer der Hauptstreitpunkte im Nahostkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Israel proklamierte im Jerusalem-Gesetz von 1980, dass Jerusalem vollständig und vereint die Hauptstadt Israels ist. Dies schließt sowohl den Westen der Stadt als auch den Ostteil mit ein, der von Israel im Sechstagekrieg 1967 erobert worden war. Für die Palästinenser ist Ost-Jerusalem die Hauptstadt eines künftigen unabhängigen Palästinenserstaats. Der israelische Anspruch auf den eroberten Ostteil der Stadt wird völkerrechtlich nicht anerkannt. Die heiligen Stätten für Juden, Muslime und Christen in Form der Klagemauer, der Al-Aqsa Moschee und des Felsendoms, sowie die Grabeskirche befinden sich in der Altstadt Jerusalems, im Ostteil der Stadt. Indem US-Präsident Donald Trump Jerusalem nun als „ewige Hauptstadt Israels“ anerkennt, bricht er mit einer zentralen Säule der internationalen Nahostdiplomatie, die den Status von Jerusalem im Rahmen einer Friedenslösung festlegen möchte. Zugleich liefert er einen diplomatischen Präzedenzfall, indem die USA als erster Staat Jerusalem offiziell als Hauptstadt anerkennen. Israelische Politiker werden sich bei künftigen Verhandlungen mit den Palästinensern auf diesen Punkt berufen. Die Entscheidung des US-Präsidenten hat damit die Aussicht auf eine Teilung Jerusalems als Hauptstadt für Israelis und Palästinenser im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung sehr viel unwahrscheinlicher gemacht.

Blick auf den Tempelberg mit der Al Aksa Moschee in Jerusalem | Foto: picture alliance/AA
Blick auf Tempelberg und Al Aksa Moschee in Jerusalem | Foto: pa/AA

Was ist die Motivation hinter der Entscheidung?

Bei der Entscheidung werden sowohl innen-, wie außenpolitische Gründe eine Rolle gespielt haben. Die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem und die Anerkennung als Hauptstadt waren Teil seiner Wahlkampfversprechen. Ähnliche Versprechen wurden auch durch frühere Präsidenten wie Bill Clinton gemacht, aber nicht umgesetzt. Indem Präsident Trump nun „liefert“, will er sich in der Nahostfrage als außenpolitisch handlungsfähigen Präsidenten darstellen, der bereit ist, mit bisherigen diplomatischen Positionen zu brechen. Sollte sein neuer Friedensplan für den Nahostkonflikt aufgrund der aktuellen Entscheidung vermutlich scheitern, könnte Trump die Botschaftsverlegung und Anerkennung dennoch als politischen Sieg nutzen. Viele konservative, evangelikale Wählerschichten haben eine pro-israelische Einstellung, was sich förderlich für Präsident Trump bei der nächsten Präsidentschaftswahl auswirken kann. Ungeachtet welche Motivation der treibende Faktor gewesen ist, Donald Trump alle Warnungen internationaler Staats- und Regierungschefs aus dem Nahen Osten und Europa dieser Motivation untergeordnet. Selbst die US-Demokraten, das US-Außenministerium, sowie Teile der Republikaner haben den Präsidenten auf das Eskalationspotenzial einer solchen Entscheidung hingewiesen. Die Entscheidung wird zweifelsohne das Ansehen der Vereinigten Staaten in der muslimischen Welt beschädigen, die bereits durch das Einreiseverbot aus mehrheitlich muslimischen Staaten gelitten hat. Gegner wie Iran, Syrien oder Hisbollah werden dies nun gegen die USA verwenden.

Bedeutet die Anerkennung ein Ende des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses?

Indem Präsident Trump angekündigt, dass der finale Status von Jerusalem nach wie vor in Verhandlungen gelöst werden muss, zeigt er, dass er Jerusalem nicht als Ganzes zur Hauptstadt erklärt. Technisch ist es daher noch möglich, dass Ost-Jerusalem die Hauptstadt Palästinas werden könnte. Eine Teilung ist mit der Entscheidung Trumps aber sehr unwahrscheinlich geworden, auch weil Israel eine Zwei-Staaten-Lösung mit einem geteilten Jerusalem nicht akzeptiert. Amerikas Rolle als Vermittler zwischen Israel und den Palästinensern ist damit gescheitert. Deutschland und die internationale Gemeinschaft halten wie vor an der Zwei-Staaten-Lösung die einzige Option für einen stabilen Frieden fest. Sowohl Deutschland als auch die EU müssen diese Lösung nun mit zusätzlichem Nachdruck fordern. Einseitige unilaterale Schritte, oder Gewalt auf allen Seiten, die diese Lösung noch weiter in die Ferne rücken lassen, müssen unbedingt vermieden werden. Umso wichtiger ist es daher nun, dass eine starke, geeinte Antwort aus Europa folgt.