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Gemeinsam gegen Organisierte Kriminalität

Fachgespräch mit Experten von BKA, Zoll und Justiz

Effektive gesetzliche Regelungen und eine konsequente Strafverfolgung: So sieht die Strategie der Unionsfraktion im Kampf gegen Organisierte Kriminalität aus. Einige Gesetze wurden bereits auf den Weg gebracht und sind jetzt in der Anwendung, darunter die Reform im Bereich der Vermögensabschöpfung und das Gesetz gegen Sozialleistungsmissbrauch und illegale Beschäftigung. Welche Maßnahmen darüber hinaus zur Bekämpfung von Organisierter Kriminalität in Deutschland notwendig sind,darüber haben die rechts-, innen- und finanzpolitischen Sprecher der Fraktion mit Experten u.a. von Bundeskriminalamt, Zoll und Staatsanwaltschaft diskutiert. Moderiert wurde die Diskussionsrunde von Innenpolitiker Mathias Middelberg.

Geldwäsche, Rauschgifthandel, Waffen- und Menschenschmuggel – die Organisierte Kriminalität hat viele Gesichter. Das Bundeskriminalamt (BKA) zeigt in seinem Lagebild „Organisierte Kriminalität“ ein „weiterhin unverändert hohes Schadens- und Bedrohungspotenzial durch OK in Deutschland“. Im Jahr 2018 wurden insgesamt 535 Ermittlungsverfahren gegen OK-Gruppierungen eingeleitet. Der Gesamtschaden betrug dabei 691 Millionen Euro – der Großteil davon durch Steuer- und Zolldelikte. Doch durch Organisierte Kriminalität entstehen nicht nur finanzielle Schäden. Auch Menschen kommen zu Schaden, z.B. wenn sie Opfer von Menschenhandel werden. „Das Thema Organisierte Kriminalität muss den Rechtsstaat auf den Plan rufen“, forderte die rechtspolitische Sprecherin der Fraktion Elisabeth Winkelmeier-Becker.

„Hohes Bedrohungs- und Schadenspotenzial“

Für die Ermittler ist es täglich eine Herausforderung, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Denn die Gruppierungen – darunter u.a. die Mafia, Rockergruppen oder Clans – passen ihre Tätigkeitsfelder und ihre Methoden immer wieder an. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der Verfahren gegen OK-Gruppierungen um 6,5 Prozent leicht gesunken. Das lieht nicht etwa an rückläufigen Fallzahlen, sondern an weniger neu gemeldeten Verfahren. Der Grund: immer komplexere und aufwendigere Ermittlungen z.B. durch den Einsatz verschlüsselter Kommunikation innerhalb der Gruppierungen. Solche Erfahrungen berichtete auch BKA-Präsident Holger Münch im Fachgespräch. Die Organisierte Kriminalität habe nach wie vor ein „hohes Bedrohungs- und Schadenspotenzial“. Im Bereich der Clankriminalität zeige sich eine zunehmende Professionalisierung, aber auch eine wachsende Gewaltbereitschaft. „Wir werden einen langen Atem brauchen“, so die Einschätzung des BKA-Chefs.

410 Millionen Euro Schaden durch Steuer- und Zolldelikte

Eine große Rolle bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität spielt in Deutschland auch der Zoll. Durch das Gesetz gegen Sozialleistungsmissbrauch und illegale Beschäftigung wurden die Befugnisse des Zolls nochmals gestärkt. Die Steuer- und Zolldelikte machen einen Großteil der verursachten Schäden im Bereich OK aus. Allein im letzten Jahr wurden Schäden in Höhe von 410 Millionen Euro festgestellt, etwa durch Steuerhinterziehung, Schmuggel oder Steuerzeichenfälschung. Die Präsidentin des Generalzollamts Colette Hercher konnte aus ihrer täglichen Arbeit Beispiele anbringen, die das Ausmaß der finanziellen Schäden durch Organisierte Kriminalität verdeutlichten. Ein einziger Fall aus diesem Jahr habe einen Schaden von 26 Millionen Euro verursacht. Ein neues Themenfeld für die Ermittler: der Bereich E-Commerce und hier vor allem die marketplaces: „ein Feld, in dem wir jetzt intensiv arbeiten müssen“, so die Präsidentin der Generalzolldirektion. Auch den Konsumenten muss klar sein, dass es mitunter lebensgefährlich sein kann, wenn sie auf solchen Marktplätzen gefälschte Produkte kaufen.

„Ein Instrument muss man spielen können“

Seit Juli 2017 können Vermögenswerte unklarer Herkunft wie z.B. Immobilien, Autos oder Geldbestände leichter eingezogen werden. Möglich macht das die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung. Nun müssen Verdächtige beweisen, dass sie ihr Vermögen legal erwirtschaftet haben- und nicht mehr umgekehrt. In diesem Jahr sind so allein in Berlin allein 1,3 Millionen Euro aus illegalem Vermögen beschlagnahmt worden. Oberstaatsanwältin Wiebke Reitemeier von der Staatsanwaltschaft Stade betont, dass die Reform schon deutliche Verbesserungen gebracht habe. Perfekt sei das Gesetz aber noch nicht. Das Problem: Bis jetzt ist das Gesetz nur bei großen Verbrechen anwendbar. Bei kleineren Delikten wie Sozialleistungsmissbrauch, einfachem Rauschgifthandel oder Diebstahl helfe das Gesetz nicht. Die Vermögensabschöpfung sei in der Justiz ein recht neues Instrument. „Instrumente muss man spielen können.“ Dafür brauche man Erfahrung – durch „learning on the job“ und durch Weiterbildung. 

„Das ganz große Geld“

Betrachten wir die Organisierte Kriminalität global, wird in einem Bereich „das ganz große Geld“ verdient, beschreibt Strafrechtswissenschaftler Arndt Sinn: bei Produktfälschungen. Auf 450 Milliarden US-Dollar wird der wirtschaftliche Schaden geschätzt. In unserer Gesellschaft wird der Erwerb beispielsweise einer gefälschten Uhr oder einer Handtasche als Bagatelle abgetan wird. Sinn betonte, dass man sich als Konsument bewusst sein müsse, dass jeder Cent in kriminelle Strukturen fließe. Zudem seien Produktfälschungen in einigen Bereichen z.B. bei Medikamenten oder auch bei Ersatzteilen in der Automobilbranche schlicht lebensgefährlich. Sein Vorschlag für die Bekämpfung von Organisierter Kriminalität: die Strukturen zerschlagen. Dafür unerlässlich: eine Stärkung der Justiz mit dauerhaften Ressourcen im Bereich OK.

„Null Toleranz“

„Null Toleranz“ gegenüber Organisierter Kriminalität, fordert der Rechtspolitiker Volker Ullrich. Dafür brauche es eine bessere Vernetzung der Behörden auf Europa-, Bundes, Länder- und Kommunalebene. Eine Vernetzung sei Voraussetzung für einen effektiven Datenaustausch. Effektive gesetzliche Regelungen und eine konsequente Strafverfolgung stärke nicht nur unseren Rechtsstaat, sondern auch unsere Demokratie. Das Motto „Der Ehrliche ist der Dumme“ dürfe sich nicht durchsetzen, so das Fazit der finanzpolitischen Sprecherin Antje Tillmann.