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Tino Sorge: Wir als Union wollen die Krankenversicherung Schritt für Schritt weiterentwickeln

Rede zur gesetzlichen und privaten Krankenversicherung

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei manchen Äußerungen der Linken gerät man ja öfter einmal ins Staunen, zwar nicht darüber, dass wir dieses Thema frei nach dem Motto „Ständig grüßt das Murmeltier“ hier im Plenum debattieren, oder darüber, dass das, was Sie uns hier um die Mittagszeit wieder präsentieren, im Grunde genommen nichts anderes als ein fades Gericht ist, das neu aufgewärmt und wieder vorgesetzt wird – und dann wundern Sie sich, dass das hier niemandem schmeckt. Aber wenn man Ihnen zuhört, dann hat man immer den Eindruck, dass in Deutschland das ganze System den Bach runtergehen würde, die Gesundheitsversorgung am Abgrund stünde. Insofern möchte ich auch den Kollegen Kessler daran erinnern, dass wir uns jetzt, 200 Jahre nach Karl Marx, nicht im Klassenkampf befinden. Das sollten Sie bei dieser Diskussion beherzigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Wochen hat man so ein bisschen den Eindruck bekommen, dass einige ihre Enteignungs-, Umverteilungs- und Verstaatlichungsfantasien in vollem Umfang ausleben wollen, gerade im linken Spektrum. Angesichts von Wohnungsnot wird dann über Enteignung von Wohnungsunternehmen debattiert, als ob man so die Probleme lösen könnte. Natürlich machen Sie auch nicht vor dem Gesundheitsbereich halt. Da sind Sie bei sich offensichtlich mal wieder voll im Trend; aber es wird Sie enttäuschen, hören zu müssen: So funktioniert weder Wohnungsbaupolitik, so funktioniert weder Sozialpolitik, noch funktioniert Gesundheitspolitik so.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Achim Kessler [DIE LINKE]: Ist aber spärlicher Applaus!)

Wenn man sich Ihren Antrag anschaut, dann liest man Begrifflichkeiten wie bei einer Schönwetterbelletristik, es wird von einem „System für alle“, von „Solidarität“, von „Bürgerversicherung“ gesprochen. Wenn man genau hinschaut, sieht man: Das sind hohle Phrasen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Klein-Schmeink?

Tino Sorge (CDU/CSU):

Ja natürlich.

Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege Sorge, Sie sprechen gerade von Enteignung und Ähnlichem, aber letztendlich geht es ja darum, wie wir die drängenden Fragen nach sozialer Sicherung und das Einlösen unseres Sozialstaatsversprechens hinbekommen. Man kann Vorschläge der Opposition ablehnen, kritisch sehen, aber man müsste ja wenigstens einmal Antworten geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mich würde schon interessieren, wie Sie eine tragfähige, solide Finanzierung all der Aufgaben, die da vor uns liegen, und zwar im Bereich Pflege wie im Bereich Gesundheit, tatsächlich hinbekommen wollen. Da sehen wir doch noch deutliche Lücken. Ich sehe von Ihrer Seite keinerlei Vorschläge, wie Sie denn die Digitalisierung im Gesundheitswesen finanzieren wollen, wie Sie den Investitionsstau bei den Krankenhäusern auflösen wollen oder wie Sie beim Thema „bezahlbarer Wohnraum“ – Sie haben diesen Bereich gerade genannt – tatsächlich zu Lösungen kommen wollen, also zu Lösungen, durch die das Vertrauen in der Bevölkerung in die soziale Sicherheit und den Sozialstaat glaubhaft eingelöst wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Karin Maag [CDU/CSU]: Sicher nicht mit Enteignungen!)

Tino Sorge (CDU/CSU):

Liebe Maria Klein-Schmeink, es ist im Grunde genommen immer ein Reflex, wenn Sie behaupten, wir hätten keine Lösung. Aber wir haben doch gesagt, wir müssen dies thematisch weiterentwickeln. Das machen wir ja; das TSVG ist hier beispielsweise genannt worden. Aber es geht auch an die Adresse Ihrer Fraktion: Wenn Sie bei der Veränderung dieses Systems immer nur einseitig sagen, wir müssten alle in die gesetzliche Krankenversicherung zwingen,

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: 40 Prozent wollen das selber!)

also eine Einheitskasse machen,

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will doch keiner! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal unsere Konzepte!)

aber nicht einmal ansatzweise darüber nachdenken, wie wir möglicherweise auch im Bereich der privaten Krankenversicherungen Verbesserungen hinbekommen, dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn bei den Diskussionen jeder immer auf seiner Meinung beharrt und wir da nicht weiterkommen.

Insofern: Wir haben eine Menge Beispiele gebracht. Das Thema Dualismus ist angesprochen worden, also dass sich medizinischer Fortschritt dadurch entwickelt, dass Wettbewerb im System ist. Das erreichen wir damit. Sie machen es sich immer ein bisschen einfach.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen!)

Das spricht man in der Diskussion viel zu selten an, und das hat auch im Antrag der Linken völlig gefehlt: Da wird ein Zerrbild gezeichnet, da wird so getan, als stünde das Gesundheitssystem in Deutschland am Abgrund.

(Dr. Achim Kessler [DIE LINKE]: Haben Sie den Antrag denn überhaupt gelesen? Wo steht das denn?)

Gehen Sie doch einmal ins Ausland, und hören Sie dort nach: Im Ausland sagen die Menschen, das Gesundheitssystem Deutschlands sei eines der besten Gesundheitssysteme weltweit,

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das habe ich auch gesagt!)

und Sie suggerieren hier, es sei alles schlecht, und blockieren gleichzeitig Verbesserungen, die wir machen wollen.

Wenn man sich Ihren Antrag genauer durchliest, dann sieht man, dass Sie mit Begrifflichkeiten arbeiten, die nach meiner Auffassung schon ein bisschen grenzwertig sind. Sie sprechen dann davon, dass die private Krankenversicherung schädlich sei, sie die Ursache aller Probleme sei. Glauben Sie wirklich, dass 10 Prozent der Versicherten die Probleme, die wir teilweise in der gesetzlichen Krankenversicherung haben, lösen könnten? Nein, und das sehen wir als Union ebenso.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP] – Dr. Achim Kessler [DIE LINKE]: Es ist besser, den Antrag vorher zu lesen und nicht hinterher!)

Wenn man sich Ihren Antrag genauer anschaut, dann ist ganz konkret zu lesen, dass es für die 9 Millionen Menschen, die in der privaten Krankenversicherung sind, schädlich sei, in der privaten Krankenversicherung zu sein. So einfach ist es aber nicht. Was passiert denn in anderen Ländern, in denen beispielsweise Einheitskassen oder Einheitsversicherungen existieren? Die Zuzahlungen gehen in die Höhe, die Wartezeiten steigen immer weiter an, Innovationen werden ausgebremst, und nur ganz wenige partizipieren an diesen Innovationen. Das sind die Schattenseiten. Dies sollten Sie in der Diskussion den Bürgerinnen und Bürgern auch sagen. So etwas wollen wir als Union nicht. Deshalb sind wir für einen Dualismus.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])

Wenn man sich dann anschaut, welche Vorschläge Sie anbieten, dann stellt man fest: Sie tun nur so, als hätten Sie ein System, das durchdacht sei. Erklären Sie uns doch bitte, wie Sie das machen wollen. Sie reden von einer Zwangsüberführung der Privatversicherten in die gesetzliche Krankenversicherung. Sie geben selbst zu, dass in diesem Bereich bis zu 68 000 Menschen tätig sind. Erklären Sie doch einmal, was mit diesen 68 000 Arbeitsplätzen ist,

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Gegenteil! Bei der GKV hätten sie tatsächlich eine Perspektive!)

was mit diesen 68 000 Menschen und ihren Familien ist, was mit diesen 68 000 Existenzen ist. Ihr Vorschlag lautet, man könne diese alle umschulen. Herzlichen Glückwunsch, liebe Linke! Wenn das Ihr Verständnis von Solidarität, wenn das Ihr Verständnis von sozialem Umgang ist, dann kann ich Ihnen nur sagen: Das ist nicht solidarisch, das ist nicht sozial, das ist schlichtweg asozial.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN: Oh! – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Nicht einmal darauf reagiere ich! Das ist es nicht wert, dass man darauf reagiert!)

– Lieber Herr Weinberg, es ist nicht das erste Mal, dass wir darauf hinweisen, dass es in der politischen Debatte zwar einfach ist – gerade bei solch einem kontroversen Thema –, einfache Lösungen zu propagieren, aber dass das die Probleme nicht löst und letztendlich auch nicht dazu führt, dass wir zu Lösungen kommen.

Deshalb sage ich Ihnen ganz offen: Blenden Sie die Bürgerinnen und Bürger nicht immer mit vermeintlich einfachen Ideen! Bieten Sie Lösungen an! Wir zeigen Ihnen doch, was Regierungsarbeit ausmacht. Wir als Union wollen die Krankenversicherung Schritt für Schritt weiterentwickeln, während Sie das System in einem Hauruckverfahren verunstalten wollen. Das ist mit uns nicht zu machen. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. Von uns bekommen Sie dafür keine Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)