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Thomas Rachel

Thomas Rachel: Wir brauchen unbedingt die Schaffung eines zentralen Registers, in dem alle freiwilligen Organspender aufgeführt sind

Rede in der Debatte zu Organspenden

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unseren Kirchen bin ich der Auffassung, dass die Organspende eine besondere „Tat der Nächstenliebe über den Tod hinaus“ sein kann.

Aus Sicht der vielen Betroffenen, die sehnsüchtig auf ein Spenderorgan warten, ist es zu begrüßen, dass wir die Zahl der Organspenden in Deutschland erhöhen möchten. Aber um dieses Ziel zu erreichen und Veränderungen vorzunehmen, müssen wir eine präzise Ursachenforschung anstellen. Ebenso müssen die ethischen Fragestellungen und Probleme von Anfang an in die Diskussion einbezogen werden.

Die Organtransplantationen sind zwar auf einem historisch niedrigen Niveau, nicht aber die Spendenbereitschaft in unserer Bevölkerung. Die Spendenbereitschaft liegt immer noch bei stolzen 80 Prozent. Und immerhin besitzt ein Drittel der Deutschen einen Organspendeausweis. Das zeigt aber doch, dass es im bestehenden System noch ganz massive strukturelle Probleme gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Das neue Transplantationsgesetz ist ein wichtiger erster Schritt zur Verbesserung der Situation. Aber es ist eben ein erster Schritt. Ich glaube, wir brauchen weitere Schritte. Ich will einen in meinen Augen zentralen Punkt nennen: Wir brauchen unbedingt die Schaffung eines zentralen Registers,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

also eines zentralen Registers, in dem alle freiwilligen Organspender aufgeführt sind, sodass sie auch identifiziert werden können.

Damit bin ich auch schon beim Thema Widerspruchslösung. Ein bisschen wundert es mich: Wieso debattieren wir eigentlich über die ethisch diskussionsfähige und -würdige, ethisch aber auch hochproblematische Widerspruchslösung, bevor wir überhaupt unsere Hausaufgaben bei den organisatorischen Verbesserungen der Transplantationsabläufe abgeschlossen haben?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man die Organspende auf der Basis des christlichen Menschenbildes als einen besonderen Akt der Nächstenliebe versteht, so ist hiermit in notwendiger und unverzichtbarer Weise der Gedanke der christlichen Freiheit und Freiwilligkeit verbunden. Es widerspricht dem ethischen Freiheitsgebot, wenn das persönliche Selbstverfügungsrecht erst wieder durch einen zusätzlichen Widerspruchsakt zurückverlangt werden kann. Ein solch massiver staatlicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht wäre auf der Basis einer christlichen Würdevorstellung des Menschen kaum schlüssig zu begründen.

Die Widerspruchslösung würde 80 Millionen Bundesbürger zunächst einmal zu Organspenden verpflichten. Eine Organspende, die Pflicht ist, ist aber keine Spende mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen lässt sich bisher in keinem Land der Erde ein klarer Wirkungszusammenhang zwischen der Einführung einer Widerspruchsregelung und dem Anstieg der Organspenden nachweisen.

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Insofern lehne ich die Einführung der Widerspruchslösung ab. Sie ist schlicht und einfach nicht freiheitsbasiert.

Ich plädiere stattdessen für die Entscheidungslösung, also die Möglichkeit, Ja zu sagen, die Möglichkeit, Nein zu sagen oder sich überhaupt nicht entscheiden zu müssen. Und da es keine Pflicht zur Entscheidung gibt, sollte man es eine „Befragungslösung“ nennen. Von Zeit zu Zeit sollten die Bürgerinnen und Bürger immer wieder befragt werden, zum Beispiel bei der Erneuerung ihres Passes. Ich bin der festen Überzeugung: In einer solchen Befragungslösung, konsequent auf der Basis des Freiwilligkeitsprinzips, könnte viel Positives für jene liegen, die sehnlichst auf ein Spenderorgan warten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)