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Thomas Rachel: Neue medizinische Verfahren bieten Chancen und Risiken

Rede zu vorgeburtlichen genetischen Bluttests

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele von uns sind Mütter oder Väter. Viele von uns haben schon Schwangerschaft miterlebt oder erlebt. Viele von uns kennen daher das Gefühl großer Unsicherheiten und wissen, wie das heutige Thema unsere Herzen berührt.

Neue medizinische Verfahren bieten Chancen und Risiken. Beides gilt es, ethisch sorgsam abzuwägen, um am Ende zu verantwortlichen Entscheidungen zu kommen. Das gilt gerade für die neue, nichtinvasive pränatale Diagnosemethode, den Bluttest auf Trisomie 21. Beim Downsyndrom haben Kinder zwar Einschränkungen, können aber grundsätzlich ein glückliches Leben führen. Die selteneren Trisomieformen 18 und 13 führen aufgrund massiver Organfehlbildungen in der Regel bereits vor oder kurz nach der Geburt zum Tode und können durch den Bluttest ebenfalls festgestellt werden.

Bereits seit langem gehören pränatale Diagnoseverfahren zur allgemein akzeptierten medizinischen Begleitung von Schwangeren: Abtasten des Mutterleibs, Blutuntersuchungen, Ultraschall, Untersuchung des Fruchtwassers. Altbischof Wolfgang Huber hat deshalb schon früher zu Recht betont – ich zitiere –: Dass bisher vertraute pränatale Diagnoseverfahren ethisch erlaubt, die pränatale Chromosomendiagnostik dagegen untersagt werden soll, ist nicht zu begründen. Es ist auch nicht zu verkennen, dass in vielen Fällen – wir haben es gerade gehört – gerade die Bejahung und Annahme einer Schwangerschaft durch pränatale Diagnostik erleichtert und ermöglicht wird. – Zitat Ende.

Der neue, nichtinvasive Bluttest ist ein verbessertes Diagnoseverfahren mit sehr hoher Erkennungsrate. Das Risiko einer Fehlgeburt ist beim neuen Bluttest ausgeschlossen. Wenn invasive Fruchtwasseruntersuchungen seit Jahren akzeptiert werden, dann muss dies meines Erachtens umso mehr für eine nichtinvasive Methode gelten, bei der jegliche Gefährdung des Ungeborenen ausgeschlossen ist.

Gleichzeitig müssen wir verhindern, dass durch die neuen Verfahren Sichtweisen befördert werden, die den Wert des ungeborenen Lebens von vornherein infrage stellen und dabei nicht mit unserer Rechts- und Werteordnung und der Menschenwürde vereinbar sind.

(Beifall der Abg. Dr. Astrid Mannes [CDU/CSU])

Ich denke, es ist unser aller Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich Menschen mit Einschränkungen in unserer Gesellschaft angenommen fühlen und sie die volle Teilhabe erleben. Der Gesetzgeber muss mit Augenmaß die verantwortliche Balance halten. Deshalb haben wir seitens des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland eingefordert, dass zusätzlich – zusätzlich! – eine umfassende, auch die ethischen Problemlagen aufnehmende Beratung über die Möglichkeiten und Konsequenzen der Pränataldiagnostik zeitgleich in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden soll.

Wir müssen uns bewusst machen: Diese Tests gibt es bereits im Internet und im Ausland massenhaft. Durch die Einbindung der gesetzlichen Krankenversicherung können wir demgegenüber den wichtigen Zusammenhang zwischen pränataler Diagnostik und verantwortlicher Beratung sicherstellen. Ja zum neuen Diagnoseverfahren in Fällen von Risikoschwangerschaften, eingebettet in ausführliche Beratung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)