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Nadine Schön: "Wir müssen besser zuhören"

Rede zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Reform des Kinder- und Jugendschutzrechtes ist ein ganz zentrales Vorhaben in dieser Legislaturperiode. Die Vorredner sind bereits darauf eingegangen: Schon in der letzten Wahlperiode gab es den Versuch, das Kinder- und Jugendschutzrecht in Deutschland zu reformieren. Damals kam der Gesetzentwurf kurz vor Ende der Legislaturperiode. Er war schlecht vorbereitet, wurde nicht mit der Fachwelt diskutiert, und die Fachwelt hat dementsprechend reagiert. Es gab einen großen Aufschrei. Wir haben dann im parlamentarischen Verfahren einige Sachen herausgegriffen und versucht, wenigstens diese zu ändern, aber auch das konnte nicht mehr rechtzeitig vom Bundesrat verabschiedet werden.

Deshalb haben wir zu Beginn dieser Legislaturperiode gesagt: Das Ministerium muss das Thema ganz anders angehen. Wir brauchen einen breiten Beteiligungsprozess. Wir müssen die Kompetenz derjenigen, die tagtäglich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, besser berücksichtigen und besser zuhören, was sie wollen und was sie brauchen, um Kinder und Jugendliche optimal zu unterstützen.

Genau das hat das Ministerium gemacht: in einem breiten Beteiligungsprozess mit Verbänden, mit Experten und mit einer Onlinekonsultation, an der sich jeder beteiligen konnte. Und deshalb, liebe Frau Ministerin, Ihnen und Ihrem Haus ein herzliches Dankeschön dafür. Das war ein guter Prozess. Der Staatssekretärin Caren Marks, die das federführend begleitet hat, sage ich: Hut ab für diesen erfolgreichen Prozess! So haben wir uns das vorgestellt. Das war eine gute Vorbereitung für dieses Gesetz.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Unter anderem gab es einen Punkt, für den sich unser Kollege Marcus Weinberg sehr stark eingesetzt hat, nämlich das Forschungsmodul „Hochproblematische Kinderschutzverläufe“. Ich bin froh, dass das gestartet wurde. Wir haben auch eine entsprechende Kommission gegründet, und wir wollen, dass die Ergebnisse auch dieser Kommission noch stärker im Gesetzgebungsverfahren mitberücksichtigt werden. Wenn wir solche Sachen initiieren, dann wollen wir auch die Ergebnisse aufnehmen und daraus lernen. Da gibt es also noch ein bisschen was zu tun.

Besserer Kinder- und Jugendschutz, die Stärkung von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe, Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen, mehr Prävention vor Ort und mehr Beteiligung – das sind die fünf Bausteine, aus denen dieses Gesetz besteht. Einige Punkte sind in dieser Debatte schon herausgegriffen worden, und auch meine Redezeit reicht nicht, um auf alles einzugehen.

Ich will aber gerne auf folgenden Punkt eingehen: das Heranziehen des ersten Einkommens – sei es der Ferienjob, sei es das erste Ausbildungsgehalt – von Kinder und Jugendlichen, die in Pflegefamilien wohnen. Ja, bisher war es so, dass sie 75 Prozent davon abgeben mussten. Das finden wir ungerecht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Als Unionsfraktion setzen wir uns schon lange dafür ein, dass wir an diesem Punkt etwas ändern. Es ist für die jungen Menschen demotivierend, wenn sie den größten Teil des ersten selbst verdienten Geldes abgeben müssen. Deshalb brauchen wir hier dringend eine Änderung. Das wurde auch in diesem Beteiligungsprozess diskutiert. Dort kam man mehrheitlich zu der Auffassung, dass es richtig ist, 25 Prozent abzugeben. Warum? Weil auch Kinder und Jugendliche, die noch bei der Familie wohnen, von ihrem ersten selbst verdienten Ausbildungsgehalt ganz oft ein bisschen ihren Eltern abgeben, quasi als Zeichen dafür, dass man sich an den täglichen Kosten beteiligt, an der Miete, an der Verpflegung. Das ist in vielen Familien selbstverständlich und eine ganz bewusste Maßnahme gegenüber den eigenen Kindern. Deshalb war das Mehrheitsvotum auch in dieser Beteiligungskommission, dass man die Quote natürlich deutlich reduziert, man aber einen geringen Anteil gelten lässt. Deshalb finde ich die Regelung nicht so unsozial, wie Sie das hier darstellen, Frau Suding. Ehrlich gesagt habe ich mich gewundert, dass dieses gerade von der FDP kritisiert wird.

(Beifall bei der CDU/CSU – Grigorios Aggelidis [FDP]: Warum? Weil wir die besseren Lösungen haben!)

Ich finde es gut und richtig, dass wir uns noch einmal die Situation der Careleaver vorgenommen haben. Es ist nicht so, dass mit der Volljährigkeit die Hilfe beendet wird. Diese brauchen mehr Sicherheit und mehr Unterstützung, gerade beim Übergang in die Selbstständigkeit.

Mit Blick auf die Redezeit will ich noch einen Punkt erwähnen, der mir besonders wichtig ist. Das sind die Kinder von sucht- und psychisch kranken Eltern. Die sind bisher durch das Raster gefallen, weil sie selbst nicht süchtig sind, weil sie selbst nicht krank sind, weil sie selbst vielleicht noch keine Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Mit diesem Gesetz packen wir das Thema an, ein Thema, das wir als Unionsfraktion mit einer Arbeitsgruppe, die das aufgearbeitet hat, seit Jahren vorantreiben. Wir haben dafür gesorgt, dass es auch im Beteiligungsprozess eine große Rolle spielt. Jetzt schaffen wir ein System, das diese Kinder schon sehr früh auffängt:

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

mit Beratung, mit Unterstützung, mit besserer Zusammenarbeit mit den Ärzten. Das ist ein gutes Signal für diese Kinder. Die wollen wir nicht aus dem Blick verlieren. Mit diesem Gesetz werden wir sie auffangen. Auch das ist ein gutes Zeichen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)