Skip to main content

Michael Kießling: Der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft muss wieder wachsen

Fortsetzung der Aussprache zur Regierungserklärung Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Ich muss erst das Niveau ein bisschen heben.

(Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Machosprüche!)

– Nein! – Ich bitte um ein bisschen Geduld, während das Rednerpult hochgefahren wird.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste auf der Tribüne! Im Vergleich zu den Menschen in anderen Ländern geht es den Menschen in Deutschland sehr gut. Dennoch können wir überall hören und lesen, dass wir in einer Krise stecken, allerdings nicht mehr in einer wirtschaftlichen Krise – in diesem Bereich läuft es prima –, sondern in einer gesellschaftlichen. So weit würde ich nicht gehen, aber ich würde schon sagen: Das Band, das unsere Gesellschaft zusammenhält, ist an der einen oder anderen Stelle etwas ausgeleiert. Das zeigt auch das Wahlergebnis vom September.

Das Ressort „Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ hat eine besondere Verantwortung; denn zentral für das Funktionieren unseres Gemeinwesens in Deutschland ist das Prinzip der Subsidiarität, das Prinzip also, nach dem Aufgaben möglichst vom Bürger selbst oder bürgernah geregelt werden. Herausforderungen sollen auf der niedrigsten politischen Ebene oder von kleineren Einheiten gelöst werden. Funktioniert das nicht, dann versucht man es auf der nächsthöheren Ebene. Subsidiarität kann aber nur funktionieren mit starken Familien, mit einer ausgeprägten Zivilgesellschaft und mit viel bürgerschaftlichem Engagement. Meine Damen, meine Herren, genau darum muss es im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und im zuständigen Ministerium in dieser Legislaturperiode gehen: Der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft muss wieder wachsen. Dafür muss man die zentralen Akteure stärken. Im Koalitionsvertrag sind einige Maßnahmen festgehalten, mit denen wir das bewerkstelligen wollen.

Erstens: Stärkung der Familie. Meine Kolleginnen und Kollegen haben bereits viele Maßnahmen genannt, mit denen wir Familien das Leben erleichtern wollen: die Erhöhung des Kindergelds und des Kinderzuschlags, der Ausbau und die Verbesserung der Kinderbetreuung. Auch das Baukindergeld wird die Situation junger Familien merklich verbessern. Ein Eigenheim macht unabhängiger und ist der Grundstein für eine gute Zukunft.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens: Stärkung des ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Engagements. Ehrenamtliches Engagement, die Bereitschaft, sich für andere und für die Gemeinschaft einzusetzen, ist in Deutschland besonders ausgeprägt. Es ist vielleicht der wertvollste und wichtigste Teil unserer Leitkultur, das Markenzeichen unserer Gesellschaft. An dieser Stelle möchte ich den über 30 Millionen freiwillig Engagierten in Deutschland für ihre Arbeit und für ihr Engagement danken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das bürgerschaftliche Engagement verdient nicht nur Anerkennung und Wertschätzung, es muss auch gefördert und gestärkt werden. Ein wichtiger Beitrag der Politik wird sein, bestehende Regelungen zu entbürokratisieren. In fast jedem Gespräch, das ich mit Ehrenamtlichen führe, ist die zunehmende Bürokratie ein Hauptkritikpunkt. Ich selbst war jahrelang im Vorstand eines kleinen Sportvereins tätig, und ich weiß, wovon ich spreche. Viele Vereine, vor allem die ehrenamtlich Tätigen, sind teilweise an ihrer Belastungsgrenze. Hier müssen wir etwas tun.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])

Auch den rechtlichen Rahmen für ehrenamtliche Betätigung und das Gemeinnützigkeitsrecht müssen wir in diesem Zusammenhang verbessern.

Ein weiterer wesentlicher Punkt wird in den kommenden Jahren die Stärkung der Freiwilligendienste sein. Der Bundesfreiwilligendienst und die Jugendfreiwilligendienste sind ein Erfolgsmodell.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nach Wegfall des Wehr- und des Zivildienstes sind sie noch wichtiger geworden. Die Dienste leisten einen immensen Beitrag für das Zusammenleben, egal ob im sozialen, im ökologischen oder im kulturellen Bereich.

Zusammengefasst: Wir als Gesellschaft werden künftig weiter und auch stärker auf bürgerschaftliches Engagement setzen müssen. Wir als Politik müssen dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen setzen. Familien und Zivilgesellschaft sind bei der Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen äußerst wichtig. Doch eines muss auch klar sein: Wir in der Politik dürfen die Verantwortung nicht einfach abschieben. Denn sehr oft, wenn „Zivilgesellschaft“ und „bürgerschaftliches Engagement“ gesagt wird, ist damit die Hoffnung verbunden, dass damit alle Probleme und Herausforderungen verschwinden, vor allem jene, mit denen sich der Staat vielleicht etwas schwerer tut.

Ich möchte ein Beispiel dafür anführen: den demografischen Wandel. Hier kann durch bürgerschaftliches Engagement, durch eigenständige Verantwortungsübernahme sehr, sehr viel erreicht werden. Aber genauso bleibt der Staat gefordert – das haben wir heute auch gehört –: bei der Pflege, bei der Rente, bei der Barrierefreiheit und beim generationengerechten Wirtschaften.

(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, müssen also Hand in Hand mit den engagierten Bürgern gestaltet werden. Das Band, das unsere Gesellschaft zusammenhält, können wir nur so wieder straffer ziehen, und nur so können wir den Zusammenhalt in unserem Land wieder stärken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)